Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestandskraft eines Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheids hindert nicht spätere ESt-Veranlagung
Leitsatz (NV)
Haben Eheleute in ihren ESt-Erklärungen die getrennte Veranlagung beantragt, ist diese aber nur bei der Ehefrau durchgeführt worden, während die Einkünfte des Ehemannes in einem Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid erfaßt worden sind, so hindert die Bestandskraft des Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheids das Finanzamt nicht, auch den Ehemann unter Anwendung der Grundtabelle zur Einkommensteuer zu veranlagen.
Normenkette
EStG §§ 26, 26a, 42, 46
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte im Streitjahr 1982 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Streitjahr hatte er geheiratet. Auch seine Ehefrau hatte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Beide Ehegatten hatten je eine Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 1982 abgegeben und darin die getrennte Veranlagung beantragt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte den Anträgen insoweit, als er die Ehefrau des Klägers getrennt zur Einkommensteuer veranlagte. Die Einkünfte des Klägers wurden in einem Bescheid für das Kalenderjahr 1982 über Lohnsteuer-, Kirchensteuer-Jahresausgleich erfaßt, der an Herrn und Frau ,,K und H M" adressiert gewesen war. Dort wurden die Einkünfte des Klägers nach der Splitting-Tabelle versteuert. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Nachdem das FA die Unzulässigkeit des durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleichs für das Streitjahr erkannt hatte, erließ es gegen den Kläger einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1982, durch den es die getrennte Veranlagung des Klägers durchführte und die dafür maßgebende Einkommensteuertabelle zugrunde legte.
Nach erfolglosem Einspruch hatte der Kläger mit seiner Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob sowohl die angefochtene Einspruchsentscheidung des FA als auch den zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheid ersatzlos auf. Es vertrat die Auffassung, daß nach einem bestandskräftig durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleich für dasselbe Jahr eine Einkommensteuerveranlagung ausgeschlossen sei. Es bezog sich hierzu auf die Gründe des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Dezember 1983 VIII R 196/82 (BFHE 140, 433, BStBl II 1984, 416), schloß sich ihnen jedoch nicht an.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die unrichtige Rechtsanwendung, und zwar mit folgender Begründung: Die Abgrenzung, ob für Arbeitnehmer ein Lohnsteuer-Jahresausgleich in Betracht komme oder eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen sei, habe ihre Regelung in § 46 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gefunden. Danach sei eine Einkommensteuerveranlagung u. a. zwingend vorgeschrieben, wenn der Arbeitnehmer einen Antrag auf getrennte Veranlagung gestellt habe. So sei es hier gewesen.
Sei nun, wie im Streitfall, statt der zwingend vorgeschriebenen Einkommensteuerveranlagung unzulässigerweise ein Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt worden, so stelle sich grundsätzlich die Frage, ob sich beide Verfahren gegenseitig ausschlössen. Da der Gesetzgeber beide Verfahren unterschiedlichen Normen zugeordnet habe, müsse ein gegenseitiger Ausschluß verneint werden. Das Ergebnis beider Verfahren münde zwar jeweils in einen Bescheid, jedoch jeweils mit unterschiedlichen Regelungsinhalten und Zielsetzungen. Daraus sei zu folgern, daß das Ergebnis des einen Verfahrens keine Bindungswirkung für das jeweils andere Verfahren auszulösen vermöge.
Das FA beantragt daher,
unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Kläger beantragt,
die Revision kostenfällig zurückzuweisen.
Er bezieht sich hierzu im wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Das FA war trotz des unzulässigerweise ergangenen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheides nicht gehindert, für das Streitjahr 1982 gegen den Kläger einen Einkommensteuerbescheid zu erlassen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 Nr. 7 EStG. Danach ist bei Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer oder sein Ehegatte getrennte Veranlagung nach den §§ 26, 26a EStG beantragt haben. Ein Antrag auf getrennte Veranlagung lag von beiden Ehegatten hier vor. Die Bestandskraft eines nach § 42 EStG ergangenen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheids hinderte das FA nicht, denselben Steuerpflichtigen für dasselbe Kalenderjahr unter den Voraussetzungen des § 46 EStG zur Einkommensteuer zu veranlagen und dabei denselben Sachverhalt rechtlich anders zu würdigen. Dies hat der Große Senat des BFH in mehreren Entscheidungen vom 21. Oktober 1985 GrS 2/84 und GrS 3/84 (BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207 sowie BFHE 145, 160, BStBl II 1986, 213) ausdrücklich ausgesprochen. Der erkennende Senat folgt der in BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207 ausführlich abgedruckten Begründung des Großen Senats, auf die verwiesen wird.
Die Sache ist i. S. des § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entscheidungsreif. Die Vorentscheidung war danach aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 416263 |
BFH/NV 1989, 577 |