Leitsatz (amtlich)
Zur tariflichen Abgrenzung geschroteter Hirse von Rückständen der Stärkeherstellung.
Normenkette
EWGV 19/62; Art. 1 Buchst. d und Anlage; GZT: Tarifstelle 11.02-A-III-b; DZT: Tarifstelle 11.02-A-III-b; DZT: Tarifnr. 23.03; AbT: Tarifstelle 11.02-(H)-I-c
Nachgehend
Tatbestand
I.
1. Am 4. März 1964 beantragte die Klägerin beim Zollamt (ZA) die Abfertigung von zwei Partien „englische Milotrockenpülpe, Rückstände von der Stärkeherstellung” zum freien Verkehr. Das ZA wies die Ware zunächst antragsgemäß der Nr. 23.03 des Deutschen Zolltarifs (DZT) zu und erhob, da Waren dieser Tarifnummer zollfrei waren, lediglich Ausgleichsteuer in Höhe von 4 v. H. Später wies das ZA aufgrund von Gutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) die Ware als geschrotetes Milokorn der Tarifstelle 11.02-A-III-b des DZT bzw. der Tarifstelle 11.02-(H)-I-c des Abschöpfungstarifs (AbT) zu und forderte mit Bescheid vom 4. Mai 1964 unter Berücksichtigung der bereits erhobenen Ausgleichsteuer 113 534,20 DM an Abschöpfung nach.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage blieb ebenfalls erfolglos.
Die Klägerin legte Revision ein und beantragte, unter Änderung der Vorentscheidung die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 1964 und den Steueränderungsbescheid vom 4. Mai 1964 aufzuheben.
2. Der Bundesfinanzhof (BFH) setzte durch Beschluß vom 12. Januar 1971 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 101 S. 192 – BFH 101, 192 –, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1971 S. 207 – HFR 1971, 207 –) das Verfahren aus und holte gemäß Art. 177 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EGH) ein.
Der EGH entschied in seinem Urteil Rs 14/71 vom 14. Juli 1971 (Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 1971 S. 779 – Slg. EGH 1971, 779 –, HFR 1971, 498) über die vorgelegte Frage.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
1. Das FG hat festgestellt, daß die eingeführte Ware mit rund 65 v. H. Stärke und etwa 10 v. H. Eiweiß praktisch noch alle Bestandteile des Milokorns enthält. Offensichtlich meint es damit, daß es sich bei Stärke und Eiweiß um die wesentlichen Bestandteile des Milokorns handelt. Es stützt sich dabei auf das Gutachten des Staatsinstituts A in B vom 1. Dezember 1967, in dem gesagt ist, daß die beiden Proben bei der mikroskopischen Untersuchung im wesentlichen die Elemente des Milokorns zeigen und daß es sich nach den ermittelten chemischen Werten für Stärke und Eiweiß um ein Miloschrot handeln könnte. Weiter ist in dem Gutachten, auf das die Vorentscheidung Bezug nimmt, gesagt, daß die Ware zu einem wesentlichen Teil aus unveränderten Körnerbruchstücken bestehe und bei dem hohen festgestellten Stärkegehalt nicht als Trockenpülpe, d. h. als Rückstände beim Ausschlämmen von Stärke, angesprochen werden könne. Diese Feststellungen des FG sind für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend. Wenn es in dem Gutachten heißt, daß die Ware zu einem wesentlichen Teil aus unveränderten Körnerbruchstücken besteht, so bedurfte es keiner weiteren Aufklärung mehr dahin, wie hoch der Gehalt an Rohfaser- und Mineralbestandteilen war. Im übrigen trägt die Klägerin im Hinblick auf einen Vergleich mit der in der vZTA 172/1964 der OFD D vom 3. Juni 1964 behandelten Ware selbst vor, daß die Proben der eingeführten Ware sämtliche Elemente des Milokorns aufwiesen. Das FG ist weiter zu der Feststellung gelangt, daß die in Rede stehende Ware im Zeitpunkt der Einfuhr einen höheren Fettgehalt hatte als 2,2 v. H., wie er bei der Untersuchung durch das vorgenannte Institut ermittelt wurde, weil in einem Zeitraum von mehr als 3½ Jahren, der zwischen der Einfuhr und der Untersuchung der Proben liegt, sich das in dem zerkleinerten Korn enthaltene Fett zersetzt hat, wobei der Umfang der Zersetzung von der Dauer und von der Art und Weise der Lagerung abhängig ist. Durchschnittlich sind in Milokorn, wie es in der Vorentscheidung heißt, 3,5 v. H. Fett enthalten. Auch aus den Ausführungen der Klägerin ergibt sich ein durchschnittlicher Fettgehalt in dieser Höhe. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß das FG die in einem anderen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Verminderung des Fettgehaltes verwertet, mag es sich dort auch um Mais gehandelt haben. Die Feststellungen des FG hinsichtlich des Fettgehalts sind daher für den Senat ebenfalls gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend. Ein Verstoß gegen die Denk- und Erfahrungssätze liegt nicht vor, zumal das FG darauf hinweist, daß die ZPLA C im Jahre 1964 noch 3,3 v. H. Fett in der Ware ermittelt hat. Eine geringfügige Abweichung von 0,2 v. H. von einem „durchschnittlichen” Wert von 3,5 v. H. kann nicht bedeuten, daß der Fettgehalt nicht mehr dem natürlichen Fettgehalt des Milokorns entsprochen hätte, wobei nicht unberücksichtigt bleiben kann, daß die Ware schon geschrotet eingeführt wurde, also bis zum Tag der Einfuhr und Probenuntersuchung durch die ZPLA – folgt man der Auffassung des FG – auch in dieser Zeitspanne einen Teil des Fettgehalts verloren haben konnte.
Auch wenn man also den Fettgehalt trotz seines geringen durchschnittlichen Anteils von 3,5 v. H. zu den wesentlichen Bestandteilen des Milokornschrots zählt, war er in der eingeführten Ware in normaler Höhe vorhanden.
Das FG hat auf Grund seiner Feststellungen die Ware zu Recht als geschrotetes Milokorn der Tarifstelle 11.02-A-III-b des DZT bzw. der Tarifstelle 11.02-(H)-I-c AbT behandelt. Entsprechend der Auslegung des Begriffs „geschrotete Hirsekörner” im Sinne des Art. 1 Buchst. d der VO (EWG) 19/62 und der Anlage hierzu (Gemeinsamer Zolltarif – GZT –: Tarifstelle 11.02-A-III-b) durch den EGH in seinem Urteil Rs 14/71 vom 14. Juli 1971 handelt es sich zufolge der vom FG festgestellten Beschaffenheit der Ware um solche geschroteten Hirsekörner.
2. Mit Recht hat das FG ausgeführt, daß die hier in Rede stehende Ware nicht entsprechend den vZTA 66/1962 und 172/1964 der OFD D vom 17. August 1962 und 3. Juni 1964 behandelt werden kann. Nach den Feststellungen des FG, die sich auf das Gutachten des Staatsinstituts A in B gründen, fehlt eine tarifliche Gleichheit der eingeführten mit der in der vZTA 66/1962 vom 17. April 1962 angesprochenen Ware sowohl der Art als auch der Gattung nach. Die vZTA 172/1964 vom 3. Juni 1964 hat im Streitfall keine rechtliche Wirkung, weil sie erst nach der Abfertigung der hier im Streit stehenden Waren erteilt wurde.
3. Zutreffend vertritt das FG auch die Auffassung, daß die Nacherhebung nicht in Widerspruch zu den Grundsätzen von Treu und Glauben steht, falls die Zollverwaltung im Jahre 1963 bereits verschiedene Sendungen der gleichen Ware als Milotrockenpülpe abgefertigt haben sollte. Das ist, wie es in der Vorentscheidung heißt, dann deswegen geschehen, weil das ZA die Waren entsprechend der Anmeldung der Klägerin als Rückstände von der Stärkeherstellung behandelt hat.
Wenn das FG auf die Behauptung der Klägerin nicht eingegangen ist, daß nach einem BdF-Erlaß die Anwendung von vZTA zur Tarifnr. 23.03 nicht von der Höhe des Stärkegehalts der eingeführten Ware abhängig gemacht werden solle, so kann das keinen Verfahrensverstoß darstellen. Offensichtlich ist das FG der Entgegnung des HZA gefolgt, daß ein solcher Erlaß nicht existiere.
Fundstellen
Haufe-Index 514677 |
BFHE 1972, 567 |