Leitsatz (amtlich)
Zur tariflichen Abgrenzung geschroteten Maises von Rückständen der Maisstärkeherstellung.
Normenkette
EWGV 19/62; Art. 1 Buchst. d und Anlage; GZT: Tarifstelle 11.02-A-III-b; GZT: ATV 5; DZT: Tarifstelle 11.02-A-III-b; DZT: Tarifstelle 23.03; DZT: Tarifstelle 23.04; DZT: Tarifstelle 23.06; AbT: Tarifstelle 11.02-(E)-III
Tatbestand
I.
1. Die Klägerin beantragte am 20. Januar, 26. Februar und 6. März 1964 die Abfertigung je einer Schiffsladung einer als „englisches Maisstärke-Abfallmehl” bezeichneten Ware zum freien Verkehr. Das Zollamt (ZA) wies die Ware in allen drei Fällen zunächst – wie von der Klägerin begehrt – der Nr. 23.03 des Deutschen Zolltarifs (DZT) – Rückstände von der Stärkeherstellung – zu und erhob dafür, da Waren dieser Tarifnummer zollfrei waren, lediglich 4 % Ausgleichsteuer. Aufgrund von Gutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) vertrat das ZA später die Auffassung, daß die Ware als Maisschrot der Tarifstelle 11.02-A-III-b des DZT bzw. 11.02-(E)-III des Abschöpfungstarifs (AbT) zu tarifieren sei und forderte durch Steueränderungsbescheide vom 10. März / 8. April 1964 und 8. April 1964 unter Berücksichtigung der bereits erhobenen Ausgleichsteuer insgesamt 161 298,60 DM an Abschöpfung nach. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Auch die als Klage behandelte Berufung blieb erfolglos.
Mit ihrer Revision beantragte die Klägerin, unter Änderung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidungen die Nachforderungsbescheide aufzuheben.
2. Der Bundesfinanzhof (BFH) setzte durch Beschluß vom 12. Januar 1971 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 101 S. 183 – BFH 101, 183 –, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1971 S. 205 – HFR 1971, 205 –) das Verfahren aus und holte gemäß Art. 177 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) eine Vorabentscheidung ein.
Der EGH entschied in seinem Urteil Rs 12/71 vom 14. Juli 1971 (Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 1971 S. 743 – Slg. EGH 1971, 743 –, HFR 1971, 497) über die vorgelegte Frage.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Das FG hat aufgrund der Untersuchungsergebnisse der ZPLA und der Gutachten der Anstalt A in B vom 3. November 1967 und 23. Februar 1968 festgestellt, daß die hier strittige Ware mit etwa 60 % ebensoviel Stärke enthält wie ein handelsüblicher Mais, der im allgemeinen zwischen 58 und 64 % Stärke aufzuweisen hat, weiter, daß die Ware bis auf den Fettgehalt, der etwas niedriger liegt, wie ein handelsüblicher Mais zusammengesetzt ist. Zu dem Fettgehalt hat die Vorinstanz ausgeführt, daß die eingeführte Ware 2,7 bis 3,2 % Fett aufweist, also rund 1,5 bis 2 % weniger als ein handelsüblicher Mais. Das FG hat sich dabei auch auf das Schreiben des Instituts C in D vom 13. Dezember 1967, des Staatsinstituts E in F vom 19. Dezember 1967 und der Anstalt G in H vom 2. Januar 1968 gestützt. Diese Feststellungen des FG sind für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend, weil insoweit keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgetragen worden sind. Verstöße gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze sind nicht erkennbar.
Das FG hat aufgrund seiner Feststellungen die Ware zu Recht als Maisschrot der Tarifstelle 11.02-A-III-b des DZT bzw. 11.02-(E)-III des AbT behandelt. Entsprechend der Auslegung des Begriffs „geschroteter Mais” im Sinne des Art. 1 Buchst. d der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 – VO (EWG) 19/62 – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1962 S. 933 – ABlEG 1962, 933 –) und der Anlage hierzu (Gemeinsamer Zolltarif – GZT –: Tarifstelle 11.02-A-III-b) durch den EGH in seinem Urteil Rs 12/71 vom 14. Juli 1971 handelt es sich zufolge der vom FG festgestellten Beschaffenheit der Ware um solchen geschroteten Mais.
Wenn das FG der Auffassung der Anstalt A nicht gefolgt ist, daß es sich um einen Rückstand von der Stärkeherstellung handle, so können dagegen keine rechtlichen Bedenken erhoben werden. Denn das Gutachten dieser Anstalt ist unter der Voraussetzung abgegeben worden, daß man unter geschrotetem Mais ausschließlich normalen, handelsüblichen Mais versteht, der lediglich zerkleinert, jedoch hinsichtlich seiner Zusammensetzung in keiner Weise verändert worden ist. Für die Entscheidung des Streitfalles kann es daher nur auf die Zahlenwerte in den Gutachten dieser Anstalt ankommen. Diese halten sich aber innerhalb der Grenzen der Werte für die normale Ware entsprechend dem vorbezeichneten Urteil des EGH.
Daß der Fettgehalt der Ware um etwa ⅓ bis fast zur Hälfte geringer ist als handelsüblicher Mais im Durchschnitt enthält (etwa 4,77 %), ändert nichts an der Tarifierung der Ware als Maisschrot. In dem Urteil des EGH ist nämlich gesagt, daß es für die Zuweisung von geschrotetem Mais zur Tarifnr. 11.02 nicht darauf ankommt, ob der Mais entkeimt ist oder nicht. Da der Maiskeim aber sehr fetthaltig ist (vgl. Handbuch der Lebensmittelchemie, 5. Bd. Teil 1, herausgegeben von L. Acker u. a., Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1967 S. 37/38), muß davon ausgegangen werden, daß im Streitfalle der Fettgehalt noch innerhalb der normalen Schwankungen des natürlichen Gehalts an Fett des Maises im Sinne der Auffassung des EGH liegt.
Selbst wenn man die Auffassung verträte, daß die strittige Ware wegen ihres verminderten Fettgehalts nicht mehr als Maisschrot angesprochen werden könnte, müßte sie aber über die Allgemeine Tarifierungs-Vorschrift 5 zum GZT der Tarifstelle 11.02-A-III-b des GZT zugewiesen werden. Nach dieser Vorschrift werden Waren, die durch keine Tarifnummer erfaßt werden, wie die Waren tarifiert, denen sie am meisten ähnlich sind. Wenn in der VO (EWG) 19/62 Waren durch Angabe der Nummern des GZT näher bezeichnet werden, so bedeutet dies nach Auffassung des Senats, daß unter diese Nummern des GZT dann auch Waren fallen, die auf dem Wege über die Allgemeinen Tarifierungs-Vorschriften diesen Tarifnummern zuzuweisen sind (vgl. auch Urteile des BFH VII R 114/68 vom 14. April 1970, BFH 99, 150, HFR 1970, 369 und VII R 27/68 vom 11. Mai 1971, BFH 103, 104, HFR 1971, 564). Im Streitfalle unterscheidet sich die Ware von der normalen Ware (geschrotetem Mais) nur durch einen geringeren Fettgehalt, im übrigen enthält sie alle Bestandteile des geschroteten Maises.
Eine Tarifierung nach der Tarifnr. 23.04 (Rückstände von der Gewinnung pflanzlicher Öle) kommt nicht in Betracht, da die Ware immerhin noch einen erheblichen Fettgehalt enthält, abgesehen davon, daß sie im übrigen die Bestandteile des normalen Maises aufweist, Außerdem ist nicht dargetan, daß die Ware einem Ölgewinnungsprozeß unterworfen worden wäre.
Die Ware könnte auch nicht, wie die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, der Tarifnr. 23.06 – Waren pflanzlichen Ursprungs der als Futter verwendeten Art, anderweit weder genannt noch inbegriffen – zugewiesen werden, da sie ihrer Beschaffenheit nach nicht zu den Waren dieser Tarifnummer zählt, wie sich aus den Beispielen der Erläuterungen zum DZT zur Tarifnr. 23.06 ergibt. Sie ist mit den dort beispielhaft aufgeführten Waren nicht vergleichbar.
Die Vorinstanz ist daher zutreffend zur Auffassung gelangt, daß die strittige Ware als Maisschrot zu tarifieren ist.
Fundstellen
Haufe-Index 514777 |
BFHE 1972, 569 |