Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Ausbau von Qualitätsweinen ist mit der Füllung auf Flaschen noch nicht beendet.
§ 47 Abs. 3 BewG und § 24 BewDV ergänzen § 29 Abs. 2 Ziff. 3 Satz 2 BewG, indem sie eine Erweiterung des Begriffs des Normalbestands an umlaufenden Betriebsmitteln für Weinbaubetriebe bzw. Qualitätsweinbaubetriebe vornehmen.
Normenkette
BewG § 29 Abs. 2, § 33/2, § 33/3, § 47 Abs. 2, §§ 61, 47 Abs. 3, § 56; BewDV § 24
Tatbestand
Es handelt sich um die Vermögensteuerhauptveranlagung 1949 des Beschwerdegegners (Bf.). Er betreibt ein Qualitätsweingut. Bei der Vermögensermittlung auf den 21. Juni 1948 hat das Finanzamt den zum sonstigen Vermögen gehörenden überbestand an Wein auf 93.854 DM ermittelt, wobei der 1946er Flaschenweine sowie alle Weine älterer Jahrgänge als überbestand angesehen worden sind. Der Bg. dagegen ist der Ansicht, daß die 1946er Flaschenweine zum Normalbestand gehörten, weil sie sich am 21. Juni 1948 noch im Ausbau befunden hätten. Auch sei der überbestand vom Finanzamt falsch berechnet worden. Der Bg. hat mehrere Gutachten von Sachverständigen eingereicht, die sich mit dem Begriff "Ausbau des Weines" bzw. der Ermittlung des überbestands befassen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Berufung verbleibt der Bg. dabei, daß die 1946er Flaschenweine zu Unrecht als überbestand behandelt worden seien. Der Ausbau des Weines sei mit der Füllung in Flaschen nicht beendet. Die gegenteilige Ansicht des Finanzamts sei irrig. Zur Art der Ermittlung des überbestands führt der Bg. aus: Das Finanzamt nehme zu Unrecht an, daß § 47 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) und § 24 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) selbständige, primär zum Zuge kommende Vorschriften seien. Vielmehr hätten diese Bestimmungen nur im Zusammenhang mit den §§ 29 ff. BewG und subsidiär nach diesen Vorschriften Geltung. Das Finanzgericht hat ein Gutachten der Landwirtschaftlichen Versuchsstation und Chemischen Untersuchungsanstalt darüber eingeholt, ob sich am 21. Juni 1948, 1946er Riesling-Flaschenweine normaler Qualität im Gegensatz zu Faßweinen desselben Jahrgangs und derselben Rebsorte bei gemeinüblicher Bewirtschaftung noch im Ausbau befunden haben. Das Gutachten des Dr. M. von der genannten Anstalt kommt zu dem Ergebnis, daß der Ausbau oder die Reifung des Weines nicht mit der Beendigung seiner mechanischen Behandlung, also der Flaschenfüllung, beendet sei, sondern sich vielmehr auf der Flasche fortsetze, und daß dies insbesondere auch für die hier in Betracht kommenden Qualitätsweine der Riesling-Rebe gelte. Es sei glaubhaft und nicht zu widerlegen, daß die 1946er Flaschenweine am 21. Juni 1948 noch nicht voll ausgebaut gewesen seien. Das Finanzamt hat zu dem Gutachten ausgeführt, daß dieses den Begriff "Ausbau" im Sinne der Weinbau- und Weinhandelsfachkreise auslege, während es sich hier um den Begriff "Ausbau" im Sinne des BewG handle. Das Finanzgericht hat der Berufung stattgegeben und den überbestand an Wein bei der Vermögensermittlung auf den 21. Juni 1948 auf 24.153 DM ermäßigt. Der überbestand von 24.153 DM errechnet sich hierbei wie folgt:
Gesamtwert der umlaufenden Betriebsmittel: Weinvorräte -------------------------------- 160.597,80 DM landwirtschaftliche Vorräte ------------------ 2.250,00 DM -------------------------------------------- 162.847,80 DM davon ab Gesamtwert des Normalbestandes an umlaufenden Betriebsmitteln: Weinvorräte des Jahres 1946 ----------------- 25.883,00 DM zuzüglich -------------------------------------- 690,00 DM Weinvorräte des Jahres 1947 ----------------- 66.053,00 DM Fortführungsbedarf am 21. Juni 1948 bis zum Beginn der nächsten Ernte ----------- 46.068,19 DM -------------------------------------------- 138.694,19 DM Der Unterschiedsbetrag zwischen 162.847,80 DM und 138.694,19 DM ergibt den vom Finanzgericht angenommenen überbestand von 24.153 DM. Das Urteil des Finanzgerichts beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Die Frage, ob sich Weine an einem bestimmten Zeitpunkt noch im Ausbau befunden haben, sei Tatfrage. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M. hätten sich die Flaschenweine des Jahres 1946 am 21. Juni 1948 beim Bg. noch im Ausbau befunden und seien daher zum Normalbestand an umlaufenden Betriebsmitteln zu rechnen. Zur Art der Errechnung des überbestands hat das Finanzgericht ausgeführt: Zum normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln eines Qualitätsweinbaubetriebs gehörten
der Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln am Stichtag, der zur Fortführung des Betriebs bis zum Beginn der nächsten Ernte erforderlich sei (§ 29 Abs. 2 Ziff. 3 in Verbindung mit § 47 Abs. 2 BewG),
die Weinvorräte, die aus der letzten Ernte stammten (§ 47 Abs. 3 BewG),
die Weinvorräte, die sich bei gemeinüblicher Bewirtschaftung noch im Ausbau befänden (§ 24 BewDV).
Der überbestand sei bei einem Weinbaubetrieb ebenso zu ermitteln wie bei einem landwirtschaftlichen Betrieb. Das Finanzamt nehme zu Unrecht an, daß § 47 Abs. 3 BewG und § 24 BewDV den nach § 29 Abs. 2 Ziff. 3 BewG festzustellenden Bedarf bei Qualitätsweinbaubetrieben von vornherein in einem Umfang begrenzten, der dem Geldwert der letzten Ernte und der sich noch im Ausbau befindlichen Weine entspräche. Es müsse vielmehr berücksichtigt werden, daß die §§ 47 Abs. 3 BewG und 24 BewDV für Weinbaubetriebe den Normalbestand an umlaufenden Betriebsmitteln (§ 29 Abs. 2 Ziff. 3 Satz 2 BewG) um den Wert der Weine aus der letzten Ernte und um den Wert der sich noch im Ausbau befindlichen Weine erweiterten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts.
Die Rechtsbeschwerde rügt Verkennung der Rechtsbegriffe "im Ausbau befindlich" und "Normalbestand an umlaufenden Betriebsmitteln".
Zum Ausbaubegriff. Das Gutachten des Dr. M. gehe von falschen Voraussetzungen aus. Maßgebend sei die Verkehrsauffassung. Danach gelte als Ausbau allgemein die Behandlung des Weines, auch des Qualitätsweines, im Faß, während die nach Abfüllung in Flaschen eintretenden weiteren Veränderungen des Weines als Reifung bezeichnet würden. Das Finanzamt bezieht sich auf eine Anzahl Auszüge aus weinwissenschaftlicher Literatur.
Zum Begriff "Normalbestand an umlaufenden Betriebsmitteln". Für die Ermittlung des überbestands sei maßgebend, ob sich der vom Gesamtwert aller umlaufenden Betriebsmittel zu kürzende Normalbestand an umlaufenden Betriebsmitteln aus den in § 47 Abs. 3 BewG und § 24 Satz 1 BewDV bezeichneten Weinvorräten zuzüglich des Fortführungsbedarfs vom 21. Juni 1948 bis zum Beginn der nächsten Ernte zusammensetze, oder ob der Fortführungsbedarf außer Betracht bleibe, wenn er niedriger sei als der Wert der vorhandenen umlaufenden Betriebsmittel. Dem Finanzgericht könne nicht darin gefolgt werden, daß die in § 47 Abs. 3 BewG und § 24 BewDV bezeichneten Weinvorräte bei Ermittlung des Fortführungsbedarfs gemäß § 29 Abs. 2 Ziff. 3 Satz 2 BewG auszuscheiden hätten. Die Auffassung des Finanzamts findet ihren Ausdruck in folgender Errechnung des überbestands an umlaufenden Betriebsmitteln zum 21. Juni 1948:
Gesamtweinvorräte ------------------------------ 160.597,80 DM Vorräte landwirtschaftlicher umlaufender Betriebsmittel ----------------------------------- 2.250,00 DM ------------------------------------------------ 162.847,80 DM ab Gesamtwert des - gegenüber dem Fort= führungsbedarf höheren - Normalbestands an umlaufenden Betriebsmitteln, und zwar im Ausbau befindliche Weinvorräte des Jahrgangs 1946 ------------------- 690 DM Weinvorräte des Jahres 1947 ------- 66.053 DM landwirtschaftliche Vorräte -------- 2.250 DM --- 68.993,00 DM überbestand -------------------------------------- 93.854,00 DM Für den Fall, daß die Rechtsprechung des Finanzgerichts vom Bundesfinanzhof geteilt werden sollte, wird vom Finanzamt vorsorglich geltend gemacht, daß der vom Finanzgericht angenommene Fortführungsbedarf der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden sei. Es wird insoweit gerügt, daß das Finanzamt im Berufungsverfahren bei Ermittlung der Höhe des Fortführungsbedarfs nicht beteiligt und ihm hierbei kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Zur Frage des Ausbaus von Weinen bringt die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts teils neue Tatsachen vor, teils wendet sie sich gegen die Beweiswürdigung des Finanzgerichts. Diese Ausführungen sind in der Rechtsbeschwerdeinstanz unbeachtlich (§ 288 der Reichsabgabenordnung - AO -).
Der Unterschied zwischen der Auffassung des Finanzgerichts und der des Finanzamts bei Ermittlung des überbestands ergibt sich aus der abweichenden Errechnung des Normalbestands. Abgesehen davon, daß das Finanzgericht die Flaschenweine des Jahrgangs 1946 in den Normalbestand einbezogen hat, ist in der Aufstellung des Finanzgerichts der Fortführungsbedarf des Weinguts vom 21. Juni 1948 bis zum Beginn der nächsten Ernte mit 46.068,19 DM angesetzt, während das Finanzamt den Fortführungsbedarf, weil er niedriger ist als der Wert des von ihm errechneten Normalbestands an umlaufenden Betriebsmitteln, außer acht läßt. Gemäß § 47 Abs. 2 BewG finden auf Weinbaubetriebe die §§ 29 bis 44 BewG, d. h. die Vorschriften über die Bewertung des landwirtschaftlichen Vermögens, entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den Absätzen 3 bis 5 ein anderes ergibt. Nach § 47 Abs. 3 a. a. O. gehören zum normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln (§ 29 Abs. 2 Ziff. 3) auch die Weinvorräte, die aus der letzten Ernte stammen. Schließlich bestimmt § 24 BewDV, daß zum normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln (§ 47 Abs. 3 und § 29 Abs. 2 Ziff. 3 des Gesetzes) bei Qualitätsweinbaubetrieben auch diejenigen Weinvorräte gehören, die sich bei gemeinüblicher Bewirtschaftung noch im Ausbau befinden. Aus der Fassung dieser Bestimmungen ergibt sich, daß § 47 Abs. 3 BewG und § 24 BewDV nicht eine an die Stelle von § 29 Abs. 2 Ziff. 3 Satz 2 BewG tretende und diese Vorschrift für die Bewertung des Weinbauvermögens ausschließende Regelung darstellen, sondern daß sie eine Erweiterung des Begriffs Normalbestand im Sinne des § 29 Abs. 2 Ziff. 3 Satz 2 a. a. O. enthalten. Hierfür spricht die Bezugnahme auf § 29 Abs. 2 Ziff. 3 a. a. O. sowohl in § 47 Abs. 3 a. a. O. als auch in § 24 BewDV. Es kommt hinzu, daß in den beiden letztgenannten Bestimmungen zum normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 2 Ziff. 3 auch die Weinvorräte aus der letzten Ernte, bzw. bei Qualitätsweinbaubetrieben die noch im Ausbau befindlichen Weinvorräte gerechnet werden. § 47 Abs. 3 a. a. O. und § 24 BewDV stellen hiernach keine lex specialis für Weinbaubetriebe dar, sondern sie ergänzen für diese Betriebe den § 29 Abs. 2 Ziff. 3 Satz 3 Satz 2 BewG, indem sie eine Erweiterung des Begriffs des Normalbestands an umlaufenden Betriebsmitteln für Weinbaubetriebe vornehmen. Diese Erweiterung erklärt sich daraus, daß die geernteten Trauben noch längerer Behandlung bis zur Weinherstellung und Verkaufsfähigkeit des Weines bedürfen, während bei den landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine entsprechend ausgedehnte Bearbeitung zur Herstellung der Verkaufsfähigkeit dieser Erzeugnisse nicht erforderlich ist. Demgemäß ist es auch nicht zutreffend, wenn das Finanzamt annimmt, daß § 47 Abs. 3 BewG und § 24 BewDV die dort nicht genannten Weinvorräte schlechthin zum überbestand erklärten. Vielmehr bestimmen § 47 Abs. 3 a. a. O. und § 24 BewDV nur einen Teil des Normalbestands an umlaufenden Betriebsmitteln bei Weinbaubetrieben, während der übrige Normalbestand sich aus § 29 Abs. 2 Ziff. 3 Satz 2 BewG als Fortführungsbedarf ergibt. Die Auffassung, daß § 47 Abs. 3 BewG und § 24 BewDV den nach § 29 Abs. 2 Ziff. 3 Satz 2 BewG festzustellenden Bedarf bei Qualitätsweinbaubetrieben in einem Umfang begrenzen, der dem Geldwert der letzten Ernte und der sich noch im Ausbau befindlichen Weine entspricht, kann nicht als zutreffend anerkannt werden. Maßgebend für die Errechnung des überbestands ist vielmehr § 29 Abs. 2 Ziff. 3 BewG in Verbindung mit § 47 Abs. 3 a. a. O. und § 24 BewDV. Danach ergibt sich der überbestand im Streitfall als Unterschied zwischen dem Gesamtwert der umlaufenden Betriebsmittel einerseits und der Summe der Werte für Fortführungsbedarf, Wert der letzten Ernte und Wert der im Ausbau befindlichen Weine andererseits. Demgemäß hat auch das Finanzgericht in dem angefochtenen Urteil den überbestand errechnet. Die Angriffe der Rechtsbeschwerde hiergegen greifen nicht durch.
Auch das vorsorgliche Vorbringen des Finanzamts hat keinen Erfolg. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Das Finanzgericht hat dem Finanzamt den das Zahlenmaterial über den Fortführungsbedarf enthaltenden Schriftsatz des Bg. zur Kenntnis gebracht. Es konnte hierzu Stellung nehmen. Es hat dies jedoch unterlassen. Aus welchem Grund es dies unterlassen hat, ist ohne Bedeutung. Keinesfalls war das Finanzamt gehindert, ihm erheblich erscheinende Umstände vorzubringen. Daß das Finanzgericht den fraglichen Schriftsatz dem Finanzamt zur Kenntnisnahme anstatt zur Kenntnis und Stellungnahme zugeleitet hat, ist bedeutungslos. Auch wenn der Schriftsatz nur zur Kenntnis gegeben wurde, konnte das Finanzamt Stellung nehmen. Das neue Vorbringen, daß bei einer inzwischen vorgenommenen überprüfung der Aufstellung des Bg. sich ein erheblich niedrigerer Fortführungsbedarf ergeben habe, ist daher im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 408537 |
BStBl III 1956, 276 |
BFHE 1957, 207 |
BFHE 63, 207 |