Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Welche Kosten sind als Werbungskosten anzusetzen, wenn Ehegatten mit einem Kind außerhalb des bisherigen Wohnorts eine Berufstätigkeit aufnehmen und am Arbeitsort zunächst ein möbliertes Zimmer mieten?
Normenkette
EStG §§ 9, 12 Nr. 1; LStDV § 20/2
Tatbestand
Der Bg. und seine Ehefrau bezogen nach ihrer Eheschließung am 2. April 1955 in der Wohnung der Eltern der Ehefrau zwei Zimmer mit Küchenbenutzung, die sie mit eigenen Möbeln ausstatteten. Als die Eltern im Jahre 1956 innerhalb des Ortes umzogen, erhielten der Bg. und seine Ehefrau auch in der neuen Wohnung zwei Räume mit Küchenbenutzung. Im Jahre 1956 traten die Eheleute in A in Arbeit. Sie mieteten sich dort ein möbliertes Zimmer und fuhren von dort zum Wochenende in ihre bisherige Wohnung in B, wo ihr dreijähriges Kind geblieben war und von den Großeltern betreut wurde. Den Großeltern zahlten sie für die Betreuung des Kindes monatlich 90 DM.
Der Bg. beantragte im Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1958, die folgenden Beträge als Werbungskosten anzusetzen:
Zimmermiete in A (monatlich 100 DM) -------- 1.200,00 DM Licht und Heizung in A ----------------- 240,00 DM 49 Familienheimfahrten (je 2 x 8,80 DM) - 862,40 DM Verpflegungsmehrkosten (je Person 5 DM an 280 Arbeitstagen) ----------------------- 2.800,00 DM Wohnungskosten in B (monatlich 30 DM) -------- 360,00 DM -------------------------------------------- 5.462,40 DM Das Finanzamt lehnte den Antrag ab.
Die Berufung hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht nahm an, daß die Eheleute zwangsläufig einen doppelten Haushalt führten, und erkannte einen Betrag von 2.572,40 DM als Werbungskosten an. Es führte aus, der Bg. und seine Ehefrau hätten in B die Wohnung beibehalten, die auch von ihrem Kind ständig bewohnt gewesen sei und die sie selbst an den arbeitsfreien Tagen bewohnt hätten. Die Eheleute hätten in A noch keine eigene Wohnung mieten können, weil sie keinen Baukostenzuschuß oder keine Mietvorauszahlung hätten aufbringen können. Das Finanzgericht setzte als Werbungskosten an:
a) für das möblierte Zimmer einschließlich Heizung und Beleuchtung in A ---------- 1440,00 DM b) als Mehrkosten für Verpflegung je Woche und Person 5 DM, also (49 x 10 =) ------- 490.00 DM c) für Heimfahrten --------------------------- 642,40 DM.Bei den Verpflegungskosten berücksichtigte das Finanzgericht nur die Mehrkosten eines Mittagessens in einer Gaststätte in A gegenüber einer Gaststätte in B, weil die Ehefrau auch in B nicht selbst zu Mittag habe kochen können, da sie auch in B berufstätig gewesen sei. Bei den Fahrtkosten setzte es für die Ehefrau eine Heimfahrt wöchentlich, also insgesamt 49 Heimfahrten, und für den Ehemann zwei Heimfahrten je Monat, also insgesamt 24 Heimfahrten, an.
Der Vorsteher des Finanzamts bestreitet, daß die Eheleute einen doppelten Haushalt geführt hätten. Sie hätten in A in dem möblierten Zimmer einen Hausstand am Arbeitsort gegründet und führten dort einen gemeinsamen Haushalt. Sie hätten demnach den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse von B nach A verlegt. Verpflegungsmehrkosten und Familienheimfahrten seien deshalb nicht anzuerkennen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führte zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nehmen Ehegatten, die auf dem Lande gewohnt haben, in einer Großstadt Arbeit an und beziehen sie in der Großstadt gemeinsam ein Zimmer, so kann in der Regel angenommen werden, daß sie den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse an ihren Arbeitsort verlegt haben, sofern die Arbeitsaufnahme in der Großstadt nicht nur vorübergehend, sondern endgültig sein soll. So aber lag es im Streitfall. Die verhältnismäßig jungen Eheleute sind offenbar vom Land in die Stadt übergesiedelt, weil sie dort ein besseres wirtschaftliches Fortkommen erwarteten. Sie sind auch endgültig in A verblieben und haben dort nach einigen Jahren eine Familienwohnung bezogen. Unter diesen Umständen ist dem Finanzamt darin zuzustimmen, daß der Wohnort der jungen Leute schon im Streitjahr 1958 A war. Die Kosten, die für den Hausstand am Wohnort (Arbeitsort) entstehen, sind aber, wie das Finanzamt zutreffend ausführt, die normalen und darum steuerlich nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung im Sinne von § 12 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nur die Kosten, die am bisherigen Wohnort weiterhin entstehen, können in bestimmtem Umfang Werbungskosten sein, solange sie zwangsläufig dadurch veranlaßt sind, daß den Eheleuten die Aufgabe der Wohnung am bisherigen Wohnort noch nicht zuzumuten ist. Im einzelnen wird auf die Ausführungen in den Urteilen des Senats VI 32/60 U vom 17. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 169, Slg. Bd. 72 S. 461) und VI 143/60 U vom 11. August 1961 (BStBl 1961 III S. 509, Slg. Bd. 73 S. 669) hingewiesen.
Nach diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht zu Unrecht die Miete für das möblierte Zimmer in A als Werbungskosten angesetzt. Die Miete rechnet zu den Lebenshaltungskosten. Wohl aber können die Auslagen für die Wohnung in B, wo auch noch die Möbel standen, als Werbungskosten berücksichtigt werden, da nach der insoweit einwandfreien tatsächlichen Feststellung des Finanzgerichts die Eheleute bis zum Streitjahr 1958 in A keine angemessene Familienwohnung hatten finden können. Die Auslagen der Eheleute für die Wohnung in B hat das Finanzgericht bisher nicht festgestellt.
Die Kosten für die Heimfahrten von A nach B hat das Finanzgericht dagegen mit Recht als Werbungskosten anerkannt. Die Eheleute mußten, bis sie eine Familienwohnung in A gefunden hatten, ihr Kind zwangsläufig in der Wohnung in B unter der Obhut der Großeltern zurücklassen und mußten auch zwangsläufig zum Wochenende heimfahren, um mit ihrem Kinde zusammen zu sein und die Wohnung zu pflegen. Der Senat erkennt unter diesen Umständen - weitergehend als das Finanzgericht - für beide Eheleute die Kosten einer wöchentlichen Heimfahrt als Werbungskosten an.
Das an die Großeltern gezahlte Kostgeld für das Kind gehört nicht zu den Werbungskosten, sondern ist mit der Kinderermäßigung abgegolten, die den Eheleuten gewährt wurde.
Mehrkosten für Verpflegung in A können vom Rechtsstandpunkt des Senats aus nicht angesetzt werden, da die Eheleute im Streitjahr 1958 den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse in A hatten.
Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war wegen unrichtiger Anwendung von § 9 und § 12 Ziff. 1 EStG aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das nunmehr unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze die zu erstattende Lohnsteuer anderweit zu berechnen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 410551 |
BStBl III 1962, 470 |
BFHE 1963, 554 |
BFHE 75, 554 |