Leitsatz (amtlich)
Ein von einem Berufsverband unterhaltener wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb dient dem Verbandszweck nicht, wenn durch ihn nicht allgemeine ideelle oder wirtschaftliche, sondern besondere geschäftliche Interessen seiner Mitglieder wahrgenommen werden.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 8; KStDV §§ 13-14
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) ist ein Berufsverband. Der Revisionsbeklagte (das FA) hat den Steuerpflichtigen mit Berichtigungsbescheiden vom 24. Juni 1965 für die Streitjahre (1958 bis 1963) in vollem Umfang für steuerpflichtig erklärt, da er neben drei dem Verbandszweck dienenden einen dem Verbandszweck nicht dienenden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalte, soweit er nämlich zur Unterstützung bzw. zur Vermittlung des Abschlusses von Einzelhaftpflichtversicherungsverträgen durch das Versicherungskontor B tätig wird, das im Auftrag des Steuerpflichtigen eine besondere Abteilung für die Versicherung seiner Verbandsmitglieder eingerichtet hat. Das FA betrachtete diese Versicherungsabteilung als einen dem Verbandszweck des Steuerpflichtigen nicht dienenden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
Einspruch und Klage des Steuerpflichtigen blieben ohne Erfolg. Mit seiner Revision gegen die Entscheidung des FG begehrt der Steuerpflichtige die Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit, als das FG auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen für körperschaftsteuerpflichtig erklärt habe. Zur Begründung seiner Revision führt er aus:
Verfahrensrechtlich werde mangelnde Sachaufklärung insofern gerügt, als das FA es unterlassen habe, den angebotenen Beweis darüber zu erheben, daß der vom Steuerpflichtigen angestrebte Abschluß einer Kollektiv-Haftpflichtversicherung nach den Richtlinien des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen unzulässig sei. Bei Feststellung dieses Umstandes hätte das FG zu dem Schluß gelangen müssen, daß die Vermittlung des Abschlusses von Einzelhaftpflichtversicherungsverträgen mangels einer anderen Möglichkeit nicht steuerschädlich sein könne.
Materiellrechtlich habe das FG die Bedeutung dieser Vermittlung als einer sorgenden Tätigkeit als dem Verbandszweck dienend verkannt. Darauf, ob für die Tätigkeit ein Entgelt gezahlt werde, könne es für die Beurteilung nicht ankommen, wenn nicht über das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, sondern darüber zu entscheiden sei, ob eine bestimmte Tätigkeit dem Verbandszweck diene.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Verfahrensrüge des Steuerpflichtigen geht fehl. Wenn das FG die ihm vom Steuerpflichtigen angebotenen Beweise hinsichtlich der Unmöglichkeit, einen Gruppenhaftpflichtversicherungsvertrag abzuschließen, nicht erhoben hat (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO), so beantwortet sich die Frage, ob die Nichterhebung des angebotenen Beweises gegen das Gebot der Sachaufklärung verstößt, in Ansehung des Streitgegenstandes und der Erheblichkeit des Beweises für die Feststellung des ihn bestimmenden Sachverhaltes. Dagegen gehören die Schlußfolgerungen, die das Gericht für seine allein auf seiner Überzeugung beruhende Entscheidung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) aus dem festgestellten Sachverhalt zieht, nicht mehr in den Bereich der Sachaufklärung. Soweit das FG deshalb seine Entscheidung auf den Unterschied zwischen der Stellung des Versicherungsnehmers (für den Fall des Abschlusses einer Gruppenhaftpflichtversicherung) und der Stellung des Versicherungsvermittlers bzw. der eines Werbers für den Vermittler abgestellt hat, kann sie mit der Verfahrensrüge der mangelnden Sachaufklärung nicht mit Erfolg angegriffen werden.
2. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG 1958 und § 13 KStDV 1958 sind Berufsverbände ohne öffentlich-rechtlichen Charakter, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, von der Körperschaftsteuer befreit. Unterhalten sie - sie es mit, sei es ohne entsprechende satzungsmäßige Berechtigung - einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, so sind sie voll steuerpflichtig. Als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nach § 14 KStDV 1958 eine selbständige, nachhaltige Tätigkeit anzusehen, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht; auf die Absicht, Gewinn zu erzielen, kommt es nicht an. Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung nur dann, wenn die verbandsfremde, wirtschaftliche Betätigung von ganz untergeordneter Bedeutung ist (Urteil des BFH I 67/65 vom 29. November 1967, BFH 91, 45, BStBl II 1968, 236).
Nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG 1961 und § 13 KStDV 1961 geht einem Berufsverband die grundsätzlich gegebene Steuerfreiheit verloren, wenn er einen dem Verbandszweck nicht dienenden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, es sei denn, daß die aus diesem Geschäftsbetrieb erzielten Einnahmen die in § 13 Abs. 4 und 5 KStDV festgelegten Grenzen nicht übersteigen; dient der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dagegen dem Verbandszweck, so ist der Verband (nur) insoweit steuerpflichtig.
3. Soweit das FG hinsichtlich der allein streitigen Förderung bzw. Vermittlung des Abschlusses von Einzelhaftpflichtversicherungsverträgen das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs beim Steuerpflichtigen bejaht hat, erhebt dieser gegen die Entscheidung keine Einwendungen. Damit war aber die Revision für die Streitjahre 1958 bis 1960 als unbegründet zurückzuweisen, da es für die Veranlagungszeiträume bis 1960 einschließlich allein darauf ankommt, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb als tatsächlich gegeben angenommen werden kann oder nicht. Sein Vorliegen führt in der Regel - wie auch im Streitfalle - zur vollen Steuerpflicht des Berufsverbandes, die sich nach § 1 Abs. 2 KStG auf alle Einkünfte des Steuerpflichtigen, somit auch auf seine Einkünfte aus Kapitalvermögen erstreckt (§ 6 Abs. 1 KStG, § 2 Abs. 3 Nr. 5 und § 20 EStG).
Soweit das Gesetz vom Veranlagungszeitraum 1961 ab für die Bejahung der vollen Steuerpflicht eines Berufsverbandes entscheidend darauf abstellt, daß ein als tatsächlich gegeben festgestellter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht dem Verbandszweck dient, folgt der Steuerpflichtige dem FG insoweit, als es die genannte Tätigkeit als einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb charakterisiert hat; er folgt dem FG indes nicht, soweit es diese Tätigkeit als nicht dem Verbandszweck dienend beurteilt hat. Das damit angesprochene Moment des dem Verbandszweck Dienens ist in § 13 Abs. 2 KStDV 1961 dahin definiert worden, daß ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb dem Verbandszweck dann diene, wenn der Berufsverband durch ihn allgemeine ideelle oder wirtschaftliche Interessen des Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges wahrnehme. Das Fehlen dieses Moments hat das FG für den Streitfall zu Recht bejaht. Denn im Gegensatz zu der vom Steuerpflichtigen geforderten weiteren Auslegung dieses Begriffs zeigen die in § 13 Abs. 2 KStDV 1961 aufgeführten Beispiele, daß die vom Stpfl. wahrgenommene Tätigkeit nicht mehr als dem Verbandszweck dienend angesehen werden kann. Insofern bleibt die Unterscheidung, die die Rechtsprechung für das frühere Recht hinsichtlich der Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen und allen Angehörigen des Zusammenschlusses eigentümlichen Interessen und der Wahrnehmung der besonderen geschäftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder aufgestellt hat, auch in diesem Zusammenhang wirksam. Da die Einnahmen des Stpfl. aus der dem Verbandszweck nicht dienenden Tätigkeit nach den Feststellungen des FG die in § 13 Abs. 4 KStDV 1961 aufgestellten Grenzen übersteigen, hat das FG die volle Steuerpflicht und damit auch die Versteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu Recht bejaht.
Fundstellen
Haufe-Index 69029 |
BStBl II 1970, 528 |
BFHE 1970, 543 |