Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen des Ansatzes einer Kapitalforderung unter dem Nennwert
Leitsatz (NV)
Eine Kapitalforderung kann gemäß § 12 Abs. 1 BewG wegen besonderer Umstände unter dem Nennwert angesetzt werden, wenn sie nach den Verhältnissen vom Bewertungsstichtag in ihrer Realisierbarkeit unsicher erscheint. Hierfür kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an; die Höhe des (negativen) Eigenkapitals und fehlende stille Reserven des Schuldners reichen für sich allein nicht aus.
Normenkette
BewG § 12
Tatbestand
Streitig ist, ob eine zum sonstigen Vermögen gehörende Darlehensforderung mit dem Nennwert oder mit einem geringeren Wert anzusetzen ist.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Vermögensteuer veranlagt. Er ist alleiniger Kommanditist der im Jahre 1977 gegründeten GmbH & Co. KG (KG) und betreut dieses Unternehmen auch steuerlich. Komplementärin der KG ist die GmbH; deren Gesellschafter sind der Kläger mit einem Geschäftsanteil von 15000 DM und seine Ehefrau mit einem Geschäftsanteil von 5000 DM. Die Ehefrau ist zugleich Geschäftsführerin der GmbH. Die dem Betrieb der KG dienenden Geschäftsräume stehen im Eigentum der Ehefrau des Klägers und werden von der KG aufgrund eines Mietvertrags genutzt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat den (negativen) Einheitswert des Betriebsvermögens der KG auf den 1. Januar 1979 in Höhe von ./. 1008000 DM und auf den 1. Januar 1980 in Höhe von ./. 2031000 DM festgestellt und ihn jeweils in voller Höhe dem Kläger zugerechnet. Bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der KG wurde die Verbindlichkeit der KG gegenüber der Ehefrau des Klägers aus einem von dieser gewährten Darlehen zum 1. Januar 1979 in Höhe von 2100000 DM und zum 1. Januar 1980 in Höhe von 2781288 DM anerkannt. Grundlage der Darlehensgewährung ist eine vom Kläger unterzeichnete Kreditzusage, in der er der KG im Auftrage seiner Ehefrau mitteilt, daß sie der KG zunächst auf drei Monate befristet eine Kreditlinie von 500000 DM zusage; die Kreditlinie sowie der effektiv in Anspruch genommene Kredit sollten sich danach jeweils um weitere drei Monate verlängern, wenn der Kredit nicht einen Monat vor Ablauf der gesetzlichen Frist gekündigt werde. Die Verzinsung des in Anspruch genommenen Kredits hat ,,bis auf weiteres 7,5 v.H." betragen. Alle weiteren Kreditvereinbarungen erfolgten mündlich.
In der Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1979 erklärten der Kläger und seine Ehefrau u.a. den zum 1. Januar 1979 mit ./. 1008000 DM festgestellten Einheitswert des Betriebsvermögens sowie als sonstiges Vermögen die Darlehensforderung der Ehefrau gegenüber der KG in Höhe von 2100000 DM. Auf der Grundlage dieser Erklärung erließ das FA unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) einen Vermögensteuerbescheid, in dem das Gesamtvermögen in Höhe von (abgerundet) 8122000 DM mit dem Hinweis angesetzt wurde, daß bei einem Gesamtvermögen vom vorangegangenen Veranlagungszeitpunkt von 8227000 DM eine Neuveranlagung wegen Nichterreichens der Wertgrenzen des § 16 Abs. 1 Nr.1 des Vermögensteuergesetzes (VStG) nicht durchzuführen sei.
In der Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1980 erklärten der Kläger und seine Ehefrau u.a. den zum 1. Januar 1980 mit ./. 2031000 DM festgestellten Einheitswert des Betriebsvermögens sowie als sonstiges Vermögen die Darlehensforderung der Ehefrau gegenüber der KG in Höhe von 2781288 DM. Entsprechend dieser Erklärung führte das FA unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO 1977 auf den 1. Januar 1980 die Vermögensteuerhauptveranlagung durch, bei der es ein Gesamtvermögen von (abgerundet) 8178000 DM zugrunde legte.
Im Jahre 1982 beantragte der Kläger beim FA, die Darlehensforderung seiner Ehefrau gegenüber der KG zum 1. Januar 1979 und zum 1. Januar 1980 unter dem Nennwert anzusetzen und die Vermögensteuerbescheide auf die beiden Stichtage gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 zu ändern. Der ,,Teilwert" der Forderung betrage zum 1. Januar 1979 nur noch 1082000 DM (= 2100000 DM ./. 1018000 DM negatives Eigenkapital gemäß Bilanz der KG auf den 31. Dezember 1978) und zum 1. Januar 1980 nur noch 739288 DM (= 2781288 DM ./. 2042000 DM negatives Eigenkapital gemäß Bilanz der KG zum 31. Dezember 1979). Da im Vermögen der KG keine stillen Reserven enthalten seien, stehe der Ehefrau im Falle der Betriebsveräußerung zur Befriedigung ihrer Darlehensforderung höchstens ein um das negative Eigenkapital der KG verminderter Teilbetrag zur Verfügung. Darüber hinaus beantragte der Kläger, weitere Bankschulden zu berücksichtigen. Das FA entsprach nur insoweit dem Antrag auf Änderung; hinsichtlich der vom Kläger begehrten niedrigeren Bewertung der Darlehensforderung lehnte das FA durch Bescheid vom 7. Oktober 1982 eine Änderung der Vermögensteuerbescheide ab.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er rügt die Verletzung des § 12 des Bewertungsgesetzes (BewG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht entschieden, daß die - unstreitig nach § 110 Abs. 1 Nr.1 BewG zum sonstigen Vermögen gehörende - Darlehensforderung der Ehefrau des Klägers gegenüber der KG bei den Vermögensteuerveranlagungen auf den 1. Januar 1979 und auf den 1. Januar 1980 mit dem Nennwert zu erfassen ist.
Kapitalforderungen sind gemäß § 12 Abs. 1 BewG grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen, d.h. mit dem Betrag, den der Gläubiger bei Geltendmachung der Forderung am Stichtag vom Schuldner fordern könnte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. April 1968 III 235/64, BFHE 93, 316, BStBl II 1968, 768). Eine vom Nennwert abweichende niedrigere Bewertung ist nach § 12 Abs. 1 BewG nur zulässig, wenn ,,besondere Umstände" einen geringeren Wert begründen. Dies kann der Fall sein, wenn eine Forderung nach den Verhältnissen vom Bewertungsstichtag in ihrer Realisierbarkeit unsicher erscheint, weil es infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zweifelhaft ist, ob die Forderung bei Fälligkeit in voller Höhe beigetrieben werden kann; die Forderung kann dann entsprechend der Wahrscheinlichkeit, sie durchzusetzen, mit einem unter dem Nennwert liegenden Wert anzusetzen sein (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1971 II 64/65, BFHE 102, 126, BStBl II 1971, 533).
Das FG hat das Vorliegen derartiger Umstände verneint und zutreffend darauf hingewiesen, daß die Höhe des negativen Eigenkapitals der KG und deren fehlende stille Reserven für sich allein nicht ausreichen, um die Darlehensforderung der Ehefrau des Klägers an den beiden Stichtagen 1. Januar 1979 und 1. Januar 1980 als unsicher erscheinen zu lassen. Es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 12 BewG Anm.69). Da nach den Verhältnissen vom jeweiligen Stichtag die Fortführung des Betriebs der KG unter Beibehaltung des Kredits außer Frage stand, konnte das FG ohne Rechtsirrtum davon ausgehen, daß die Darlehensforderung der Ehefrau des K Zahlungseinstellung oder für ein drohendes Vergleichs- oder Konkursverfahren lagen offensichtlich nicht vor. Dafür spricht auch der Umstand, daß die KG nach den den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO) in den Jahren bis 1980 die vereinbarten Darlehenszinsen von 7,5 v.H. in voller Höhe gezahlt hat. Davon, daß die Darlehensforderung nicht gefährdet war, ist erkennbar auch die Ehefrau des Klägers als Gläubigerin der Darlehensforderung ausgegangen. Dieser waren als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH die wirtschaftlichen Verhältnisse der KG bekannt, ohne daß sie sich dadurch veranlaßt sah, im Zusammenhang mit der Erweiterung der Geschäftsfläche im Jahre 1979 eine Aufstockung des der KG gewährten Kredits abzulehnen. Wenn die Vorinstanz daraus geschlossen hat, daß bei dieser Lage nach den Verhältnissen an den beiden Stichtagen allenfalls eine gewisse vorübergehende Liquiditätsschwierigkeit angenommen werden könne, die Realisierbarkeit der Darlehensforderung hingegen nicht unsicher erscheine, so begegnet diese Schlußfolgerung revisionsrechtlich keinen Bedenken.
Entgegen der Auffassung des Klägers widerspricht das angegriffene Urteil auch nicht der Entscheidung des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 16. Dezember 1937 III e 59/37 (RStBl 1937, 378), wonach eine Forderung gegen eine Personengesellschaft solange nicht unter dem Nennwert zu bewerten sei, wie ein zahlungsfähiger Gesellschafter vorhanden ist, der für die Schulden der Gesellschaft haftet. Denn diese Entscheidung zwingt nicht zu dem Umkehrschluß, daß allein das Fehlen eines vollhaftenden zahlungsfähigen Gesellschafters in jedem Fall zu einem Ansatz der Forderung unter dem Nennwert führen muß. Maßgebend sind vielmehr insoweit die Gesamtumstände, die - wie oben dargelegt - im Streitfall entgegen der Auffassung des Klägers die Darlehensforderung der Ehefrau nicht als unsicher erscheinen lassen. Der Kläger wird daher durch die Ablehnung der beantragten Änderung der Vermögensteuerveranlagungen auf den 1. Januar 1979 und auf den 1. Januar 1980 nicht in seinen Rechten verletzt.
Fundstellen
Haufe-Index 64085 |
BFH/NV 1993, 354 |
BFH/NV 1993, 355 |