Leitsatz (amtlich)
1. § 243 Abs. 3 AO a. F. widersprach nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.
2. Die Angemessenheit von Vergütungen für im elterlichen Betrieb mitarbeitende Kinder kann auch aus dem Vergleich mit den an fremde Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsvergütungen beurteilt werden, wenn deren Tätigkeiten und Aufgabenbereiche nicht übereinstimmen.
Normenkette
AO a.F. § 243 Abs. 3; EStG § 4 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist die Angemessenheit einer Tantiemerückstellung für den im Bauunternehmen des Revisionsklägers (Steuerpflichtiger) tätigen Sohn.
In dem Betrieb des Steuerpflichtigen ist u. a. auch sein 1937 geborener Sohn beschäftigt, dessen Tätigkeit sich vornehmlich auf die Fertigung von Bauzeichnungen und Arbeitsnachweisen für die Auftraggeber sowie auf die Kostenabrechnung erstreckt. Außerdem führte er im Streitjahr Verhandlungen mit den staatlichen Bauämtern. Der Sohn des Steuerpflichtigen war 1953 als Maurerlehrling in den väterlichen Betrieb eingetreten und hatte nach Ablegung der Gesellenprüfung im Winter 1956/57 einen Halbjahreskurs eines privaten Techniker- und Werkmeisterlehrinstituts besucht. Danach war er in verschiedenen Bereichen des Betriebes des Steuerpflichtigen tätig gewesen. Nebenbei nahm er an einem vierjährigen Fernlehrgang eines technischen Lehrinstituts teil und besuchte außerdem einen Abendkurs für Lohnbuchhaltung an einer privaten Handelsschule. Nach dem Besuch einer Meisterschule für das Bauhandwerk in der Zeit von September 1961 bis Februar 1962 legte der Sohn des Steuerpflichtigen Anfang 1962 die Meisterprüfung ab.
Für seine Tätigkeit im väterlichen Unternehmen erhielt der Sohn des Steuerpflichtigen im Jahre 1961 einen Jahresarbeitslohn von 21 650 DM und außerdem eine Tantieme für dieses Jahr in Höhe von 21 260 DM. Diese wurde als Lohnaufwand gebucht und einem Darlehnskonto des Sohnes nach Abzug von Lohn- und Kirchensteuer gutgeschrieben. Hinsichtlich dieser Tantieme war zwischen dem Steuerpflichtigen und seinem Sohn Ende 1957 vereinbart worden, daß er für seine tätige Mitarbeit im Betrieb eine Tantieme erhalten sollte, die von der Höhe des festgestellten Gewinnes abhängig gemacht wurde. Sie betrug bei einem Gewinn über 75 000 DM 20 % und einem Gewinn über 100 000 DM 25 %. In der Vereinbarung war weiter vorgesehen, daß diese Tantiemen aus Investitionsgründen vorerst in dem Betrieb verbleiben und auf ein vorläufig unkündbares Darlehnskonto gutgeschrieben werden sollten. Der Sohn des Steuerpflichtigen verfügte in den Jahren 1960 und 1962 weitgehend über das angelaufene Guthaben seines Darlehnskontos u. a. für den Ankauf eines Grundstücks.
Der Revisionsbeklagte (FA) erkannte von der Gesamtarbeitsvergütung für 1961 nur einen Teilbetrag von 25 150 DM als Betriebsausgabe an und erhöhte den betrieblichen Gewinn um den Unterschiedsbetrag von 17 760 DM. Es ging bei der Angemessenheit des an den Sohn des Steuerpflichtigen gezahlten Lohnes vergleichsweise von den Bezügen aus, die an den im Betrieb tätigen Bruder des Steuerpflichtigen gezahlt worden waren.
Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legte der Steuerpflichtige Sprungberufung ein, die entsprechend dem Antrag des FA zu einer Änderung zum Nachteil des Steuerpflichtigen führte. Das FG ließ nunmehr nur noch einen Betrag von 21 650 DM als Betriebsausgabe zum Abzug zu und begründete seine Entscheidung damit, daß nach der Rechtsprechung des BFH bei Arbeitsverhältnissen zwischen Eltern und Kindern besonders sorgfältig geprüft werden müsse, ob die Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zur erbrachten Leistung stehe. Diese Überprüfung habe - auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Tätigkeit des Sohnes des Steuerpflichtigen für seinen Betrieb anders und höher zu bewerten sei als bei fremden Angestellten - jedoch zu dem Ergebnis geführt, daß im Vergleich mit zwei anderen im Betrieb in leitender Stellung tätigen Arbeitnehmern die an den Sohn des Steuerpflichtigen gezahlten Vergütungen unangemessen hoch gewesen seien. So habe der 56jährige Bruder des Steuerpflichtigen, der u. a. auch bei den Kalkulationen über die normale Arbeitszeit hinaus mitgeholfen habe, im Jahre 1961 nur 25 150 DM erhalten. Ein anderer seit Jahren im Betrieb des Steuerpflichtigen tätiger Arbeitnehmer habe 1963, nachdem er die Meisterprüfung abgelegt habe, als Bauführer auf den Baustellen einen monatlichen Bruttolohn von 1 000 DM erhalten. Allein die laufenden Gehaltszahlungen an den Sohn des Steuerpflichtigen lägen damit um 80 % höher als dessen Arbeitsvergütung, obwohl dieser im Jahre 1961 noch keine Meisterprüfung abgelegt habe und sich außerdem in diesem Jahre noch vier Monate lang auf die Meisterprüfung durch den Besuch der Meisterschule für Bauhandwerk in Konstanz habe vorbereiten müssen. Der Sohn des Steuerpflichtigen habe demzufolge die Ausbildung, die solche Bezüge entsprechend seiner betrieblichen Stellung gerechtfertigt hätten, noch gar nicht abgeschlossen. Nach den Gesamtumständen des Falles stellten bereits die laufenden Bezüge in Höhe von 21 650 DM eine voll angemessene Vergütung für die Tätigkeit des Sohnes des Steuerpflichtigen dar.
Mit seiner Revision wendet sich der Steuerpflichtige zunächst gegen die vom FG vorgenommene Abänderung der Steuerfestsetzung zu seinem Nachteil und rügt außerdem, daß das FG seine Ausführungen nicht hinreichend berücksichtigt habe. Die Tätigkeit seines Sohnes sei mit der von anderen Betriebsangehörigen nicht vergleichbar. Sein Sohn habe sich bereits seit 1956 eingehend darauf vorbereitet, daß das Unternehmen in Zukunft Tiefbauarbeiten ausführen wollte. Er habe sich die hierfür erforderlichen Kenntnisse schon vor Ablegung der Meisterprüfung angeeignet und diese durch Lehrgänge erweitert und vervollständigt. Die Meisterprüfung habe für ihn nur formale Bedeutung im Hinblick auf die Möglichkeit, Lehrlinge ausbilden zu können, gehabt. Sein Sohn habe diese umfangreiche und verantwortliche Tätigkeit nur durch zahllose Überstunden, Samstags- und Nachtarbeit sowie Verzicht auf den Urlaub erbringen können. Wegen dieser erheblichen Leistungen habe schließlich sein Sohn im Jahre 1957 erklärt, daß er diese nur noch bei Zahlungen über das laufende Gehalt hinaus erbringen werde. Das habe schließlich auch zur Tantiemezusage geführt. Dabei sei ihm klar gewesen, daß er zwei für Tiefbauarbeiten ausgebildete Ingenieure mit festem Gehalt hätte beschäftigen müssen, um einen Ausgleich für den Arbeitsausfall seines Sohnes zu erzielen. Aus alledem ergebe sich, daß die Entlohnung seines Sohnes im Jahre 1961 mit einem Arbeitslohn von 21 650 DM und einer Tantieme von 21 260 DM als durchaus angemessen anzusehen sei. Aus diesem Grunde müsse das Berufungsurteil aufgehoben werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Die Rüge des Steuerpflichtigen, das FG habe den Steuerbescheid nicht zu seinem Nachteil ändern dürfen (§ 243 Abs. 3 AO a. F.), greift nicht durch. Für das am 28. September 1965 beschlossene und ausweislich der Akten vor dem 31. Dezember 1965 unterzeichnete Urteil waren noch die Verfahrensvorschriften der AO a. F. maßgebend, die in § 243 Abs. 3 AO die Möglichkeit einer Abänderung des Steuerbescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen vorsahen (so auch Beschluß des BFH I R 83/66 vom 23. August 1966, BFH 86, 725, BStBl III 1966, 660). Diese Vorschrift widerspricht (widersprach) auch nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Der Gesetzgeber konnte das Prinzip der Rechtssicherheit zugunsten der sachlichen Richtigkeit vernachlässigen. Insofern verstößt - entgegen der Ansicht des Steuerpflichtigen - § 243 Abs. 3 AO a. F. nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. im übrigen zur Rechtsgültigkeit des § 243 Abs. 3 AO a. F. das Urteil des BFH VI 228/57 vom 15. Juli 1960, BFH 71, 381, BStBl III 1960, 392).
Das FG ist auch bei der Prüfung der Angemessenheit der an den Sohn des Steuerpflichtigen gezahlten Bezüge zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß bei Arbeitsverhältnissen zwischen Eltern und Kindern nach der ständigen Rechtsprechung des BFH besonders sorgfältig zu prüfen ist, ob die gewährte Vergütung noch in einem vertretbaren, d. h. angemessenen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung steht (vgl. Urteile des BFH IV 26/59 vom 28. Juni 1962, HFR 1963, 244, und IV 108/63 U vom 5. Juni 1964, BFH 81, 143, BStBl III 1965, 51), wobei bei der Beurteilung der Angemessenheit der Bezüge auf vergleichbare fremde Arbeitnehmer in gleicher oder ähnlicher Branche abzustellen ist, wenn und soweit innerbetriebliche Vergleichsmöglichkeiten nicht gegeben sind.
Als Form eines innerbetrieblichen Vergleichs ist es aber nicht zu beanstanden, wenn hierfür die an fremde, im Betrieb in leitender Stellung tätigen Arbeitnehmer gezahlten Arbeitsvergütungen herangezogen und in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden, selbst wenn die Tätigkeiten und Aufgabenbereiche nicht übereinstimmen. Denn auch aus dem Verhältnis der an fremde Arbeitnehmer entrichteten Bezüge zu den an nahe Angehörige gezahlten Vergütungen lassen sich Schlüsse auf deren Angemessenheit ziehen. Dabei ist bei erheblichen Abweichungen von den an fremde Arbeitnehmer gezahlten Entgelten die Angemessenheit der an nahe Angehörige geleisteten Vergütungen zu verneinen, wenn bei Berücksichtigung aller Umstände die Abweichung von der Norm sich nicht auf betriebliche, sondern nur auf verwandtschaftliche Gründe zurückführen läßt. Von diesen Überlegungen ist das FG in seinem Urteil ebenfalls ausgegangen, wenn es auch in seiner Entscheidung nicht in dieser Deutlichkeit zum Ausdruck kam. Soweit das FG bei diesen Überlegungen zu dem Ergebnis kam, daß die Bezüge des Sohnes des Steuerpflichtigen im Verhältnis zu zwei anderen im Betrieb in leitender Stellung tätigen Arbeitnehmern unangemessen hoch sei, handelt es sich um auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellungen, an die der BFH als Revisionsgericht gebunden ist, es sei denn, daß in bezug auf diese begründete Revisionsrügen erhoben worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO).
Die Vorentscheidung ist indessen verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen; sie läßt auch keinen Verstoß gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze erkennen. Das FG konnte zu seinem Ergebnis durch die Gegenüberstellung der Aufgabenbereiche des 56jährigen Bruders des Steuerpflichtigen und eines anderen Bauführers mit denen des Sohnes des Steuerpflichtigen gelangen. Es ist hierbei nicht zu beanstanden, wenn das Gericht bei seinem Vergleich entscheidend darauf abstellte, daß der Sohn des Steuerpflichtigen im Streitjahr seine Meisterprüfung im Gegensatz zu den beiden anderen Arbeitnehmern noch nicht abgelegt und eine solchen Bezügen entsprechende Ausbildung noch gar nicht abgeschlossen hatte. Im Zusammenhang mit der weiteren Überlegung, daß der Sohn des Steuerpflichtigen im Streitjahr für vier Monate durch den Besuch der Meisterschule in Konstanz nur bedingt seine Arbeitskraft zur Verfügung stellen konnte, konnte das FG zu dem Ergebnis kommen, daß die an den Sohn des Steuerpflichtigen gezahlte Arbeitsvergütung in Höhe von 42 910 DM im Vergleich zu den an den Bruder des Steuerpflichtigen entrichteten 25 150 DM und an den anderen Bauführer - nach Ablegung der Meisterprüfung im Jahre 1963 - zu zahlenden 12 000 DM unangemessen hoch war und daß der laufende Arbeitslohn in Höhe von 21 650 DM als angemessene Vergütung anzusehen sei. Es ist nicht erforderlich, daß das FG zu diesem Ergebnis kommen mußte; es genügt vielmehr, daß es zu diesem Ergebnis kommen konnte (Urteil des BFH II 87/60 U vom 18. Dezember 1963, BFH 78, 256, BStBl III 1964, 102 [103]).
Die Revision konnte hiernach keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 413201 |
BStBl II 1972, 597 |
BFHE 1972, 354 |