Leitsatz (amtlich)
Die Bearbeitung von Personalangelegenheiten im Auftrag des Konkursverwalters ist keine vermögensverwaltende Tätigkeit.
Orientierungssatz
Für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG reicht es aus und ist auch erforderlich, daß die Tätigkeit den im Gesetz genannten Tätigkeiten ähnlich ist. Als vermögensverwaltende Tätigkeit ist die Tätigkeit des Konkursverwalters und die des Zwangsverwalters i.S. der §§ 146 ff. ZVG anzusehen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 3; GewStDV § 1 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) trat 1952 in den mittleren Dienst der Steuerverwaltung ein. Nach Bestehen der Laufbahnprüfung wurde er bis April 1959 im Personalbereich bei der Oberfinanzdirektion (OFD) eingesetzt. Anschließend nahm er (ohne Erfolg) an einem Steuerinspektor-Lehrgang teil. 1962 wurde der Kläger auf eigenen Wunsch aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Danach war er als Sachbearbeiter für Gehaltsabrechnung in der Hauptverwaltung einer Großbank, als Finanzbuchhaltungsleiter eines Großhandelsunternehmens, als Personalsachbearbeiter, EDV-Koordinator und Vertreter des Leiters der Personalverwaltung bei einer Lebensmitteleinzelhandel-Gruppe, vorübergehend als selbständiger Anlageberater und danach wieder als leitender Angestellter eines Großunternehmens des Lebensmitteleinzelhandels tätig. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen dieses Unternehmens wurde er als Abteilungsleiter der Personalabrechnung weiterbeschäftigt. Neben seiner beruflichen Tätigkeit nahm der Kläger an mindestens zehn Seminaren über das Personalwesen teil.
Seit dem 1.Oktober 1981 wirkt der Kläger im Auftrag der durch den jeweiligen Konkursverwalter vertretenen Vermögensmasse an der Abwicklung von Insolvenzverfahren, auch bei Fortführung des Unternehmens durch den Konkursverwalter, auf allen Gebieten des Personalwesens mit. Er entscheidet von Fall zu Fall, ob er einen Auftrag übernimmt oder nicht. Die Vergütung für seine Tätigkeit, die auf Zeithonorar-Basis frei vereinbart wird, erhält der Kläger aus der Masse. Ansprüche auf Urlaub oder Ersatz des Verdienstausfalles bei Krankheit stehen ihm nicht zu. Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung trägt er selbst. In der Bestimmung von Arbeitszeit und Arbeitsort ist der Kläger frei. Mitarbeiter beschäftigt er nicht.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) obliegen dem Kläger im wesentlichen folgende Aufgaben:
Arbeiten während der Sequestration
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Ermittlung der Anspruchsvoraussetzung für Konkursausfallgeld (Kaug)
Überprüfung von Kündigungsfristen
Veranlassung von Kündigungen und Freistellungen von der Arbeit
Kreditbeschaffung für die Vorfinanzierung von Kaug
Durchführung der Vorfinanzierung Kaug
kalkulatorische Ermittlung möglicher Masseschulden
Arbeiten ab Konkurseröffnung
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Durcharbeiten aller Personalakten
Information aller Arbeitnehmer durch Formbrief
Berechnung von Kaug-Ansprüchen; Erstellen der Verdienstbescheinigungen Kaug
Klärung von zusätzlich beanspruchten Kaug-Forderungen; damit verbundener erheblicher Schriftwechsel
Bearbeitung, sachliche und rechnerische Ermittlung von sonstigen angemeldeten Entgelt-Ansprüchen; dabei Trennung dieser Ansprüche nach Masseschuld- und Konkursforderungen, damit verbunden erheblicher Schriftwechsel mit Sachaufklärung
Unterbrechungsmitteilung wegen schwebender Arbeitsgerichts-Prozesse
Behandlung aufgenommener Passivprozesse nach Arbeitsrecht
Bearbeitung von Anspruchsübergängen nach § 117 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) auf unterschiedliche Wohnsitz-Arbeitsämter
Teilnahme an Betriebsprüfungen durch Finanzamt (FA) und Krankenkassen mit Auskunftserteilung
Ermittlung, Abrechnung und Ausschüttung von Masseschulden nach §§ 59 I 2 und 3 der Konkursordnung (KO)
Ausfertigung von Lohnsteuerkarten und Rentenversicherungsnachweisen
Ermittlung von Lohnsummen zur Meldung an die Berufsgenossenschaft; Prüfung der Beitragsbescheide nach Höhe und Rangklassen
Korrespondenz mit Krankenkassen und Berufsgenossenschaft wegen Minderung der Säumniszuschläge
Klageerhebung gegen das Arbeitsamt wegen Abweisung von Masseschuldansprüchen aus beanspruchter Erstattung von Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge nach §§ 160, 166a AFG
Bei Vorhandensein von Betriebsräten
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Verhandlung wegen Kündigungen
Einschaltung wegen Massenentlassungen (§ 17 des Kündigungsschutzgesetzes), Einholen der Zustimmung zur Kündigung von Schwerbehinderten
Verhandlungen und Vereinbarungen eines Sozialplanes
Bei Konkursen im Bereich der Bauwirtschaft
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Ausfertigungen von Lohnnachweisen für die Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Bauwirtschaft
Prüfung von Beitragsansprüchen der ZVK
Konkursrechtliche Behandlung von Winterbau-Umlagen mit vermehrtem Schriftwechsel
Prüfung von angemeldeten Konkursforderungen im Rang § 61 Nr.1 und 6 KO
Abrechnung von anerkannten Konkursforderungen mit Einbehalten von abzurechnenden Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen;
Analoge Quotenermittlung und (Teil-) Ausschüttungen
Für die Streitjahre ermittelte der Kläger durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Gewinne in Höhe von ... DM für 1982 und ... DM für 1983. Gewerbesteuererklärungen gab der Kläger nicht ab, da er der Ansicht war, er habe eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) vertrat demgegenüber die Ansicht, der Kläger sei gewerbesteuerpflichtig. Das FA erließ demgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Gewerbesteuermeßbescheide für die Streitjahre, mit denen ein einheitlicher Meßbetrag von ... DM für 1982 und von ... DM für 1983 festgesetzt wurden. Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er habe eine freiberufliche (§ 18 Abs.1 Nr.1 EStG) oder eine sonstige selbständige Tätigkeit (§ 18 Abs.1 Nr.3 EStG) ausgeübt, blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage hob das FG die Gewerbesteuermeßbescheide vom 9.Oktober 1984 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 30.September 1985 auf. Das FG war der Auffassung, der Kläger habe zwar keine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG, wohl aber eine sonstige selbständige Tätigkeit i.S. des § 18 Abs.1 Nr.3 EStG ausgeübt.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 2 Abs.1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 1 Abs.1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) und des § 18 Abs.1 Nr.3 EStG.
Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).
1. Voraussetzung für die Annahme eines der Gewerbesteuer unterliegenden Gewerbebetriebs war nach § 1 Abs.1 GewStDV in der Fassung der Streitjahre (vgl. jetzt § 15 Abs.2 EStG) u.a., daß die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als sonstige selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Der Kläger übte, wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist und wovon zutreffend auch das FG ausgegangen ist, keine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG aus. Entgegen der Auffassung des FG kann die Tätigkeit des Klägers aber auch nicht als sonstige selbständige Arbeit i.S. des § 18 Abs.1 Nr.3 EStG angesehen werden.
2. Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs.1 Nr.3 EStG sind Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Als vermögensverwaltende Tätigkeit ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Tätigkeit des Konkursverwalters angesehen worden (Urteil vom 5.Juli 1973 IV R 127/69, BFHE 110, 40, BStBl II 1973, 730). Für diese Wertung war wesentlich, daß mit der Eröffnung des Konkursverfahrens das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das zur Konkursmasse gehörige Vermögen des Gemeinschuldners auf den Konkursverwalter übergeht (§ 6 Abs.2 KO) und daß andererseits der Verwalter für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten kraft Gesetzes allen Beteiligten verantwortlich ist (§ 82 KO). Damit entspricht die Tätigkeit des Konkursverwalters in so wesentlichen Belangen der eines Vermögensverwalters im engeren Sinne, daß sie für die steuerrechtliche Wertung dieser gleichgestellt werden kann. Denn für die Anwendung des § 18 Abs.1 Nr.3 EStG reicht es aus und ist andererseits auch erforderlich, daß die Tätigkeit den im Gesetz genannten Tätigkeiten ähnlich ist (BFH-Urteil vom 26.Oktober 1977 I R 110/76, BFHE 123, 507, BStBl II 1978, 137, 139). Auf ähnlichen Erwägungen beruht das BFH-Urteil vom 23.Mai 1984 I R 122/81 (BFHE 141, 505, BStBl II 1984, 823). Wesentlich für die Entscheidung, daß die Einkünfte aus der Tätigkeit des Zwangsverwalters i.S. der §§ 146 ff. des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) in der Regel unter § 18 Abs. 1 Nr.3 EStG fallen, war nämlich, daß gemäß § 152 ZVG das Wesen der Zwangsverwaltung in der Übertragung der Verwaltungs- und Nutzungsbefugnisse über das zwangsverwaltete Grundstück auf den Zwangsverwalter besteht und daß dessen Befugnisse das Recht umfassen, Miet- und Pachtverhältnisse abzuschließen und zu kündigen.
Die Tätigkeit des Klägers ist der eines Konkursverwalters nicht gleichartig. Dem Kläger obliegt es nicht, das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. Seine Aufgabe besteht vielmehr im wesentlichen darin, in Teilbereichen, insbesondere bei der Abwicklung der Ansprüche der Arbeitnehmer auf Konkursausfallgeld und in der Erledigung der laufenden Personalangelegenheiten, den Konkursverwalter zu beraten, zu unterstützen und dessen Entscheidungen vorzubereiten. Dem Kläger fehlt insbesondere die die Tätigkeit des Konkursverwalters prägende umfassende Befugnis (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 10.Aufl., § 6 Anm.17), als amtlich bestelltes Organ mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die Masse und den Gemeinschuldner als den Masseträger, aber kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen zu handeln. Die Tätigkeit des Klägers unterscheidet sich danach so wesentlich von der des Konkursverwalters, daß ihre Qualifizierung als sonstige selbständige Arbeit unter dem Gesichtspunkt der Vermögensverwaltung nicht möglich ist; sie ist der Tätigkeit des Konkursverwalters nicht ähnlich. Danach war das FG-Urteil aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs.2 FGO mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist, sind auch die übrigen Voraussetzungen für die Annahme eines Gewerbebetriebs gegeben. Insbesondere war der Kläger, wie zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten ist, nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht tätig. Er beteiligte sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, da er seine Dienstleistungen in den hierfür in Betracht kommenden Insolvenzverfahren anbot und mindestens für mehrere Konkursverwalter tätig wurde. Die Klage mußte somit abgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 62620 |
BFH/NV 1989, 33 |
BStBl II 1989, 729 |
BFHE 157, 148 |
BFHE 1990, 148 |
BB 1989, 1962-1963 (LT1) |
DB 1989, 1804-1805 (LT) |
DStR 1989, 518 (KT) |
HFR 1989, 674 (LT) |