Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff des Zerkleinerns und Schneidens im Sinne der Ziff. 3 des Verzeichnisses der besonders zugelassenen Bearbeitungen und Verarbeitungen nach der Einfuhr (Anlage 2 zu § 22 UStDB 1951).
2. Trocknen als steuerlich unschädliche Erhaltungsmaßnahme bei Arzneipflanzen.
3. Zur Frage, ob ein gewährter erleichterter Buchnachweis für eine Nachfolgefirma weitergelten kann.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 2b, § 7 Abs. 3; UStDB 1951 §§ 12, 21-22
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) betreibt den Großhandel mit Arzneidrogen. Im Veranlagungszeitraum 1954 sind die Großhandelsvergünstigungen nach § 4 Ziff. 2b und § 7 Abs. 3 UStG bei folgenden drei Tatbeständen streitig:
I. Die Stpfl. führt getrocknete Hagebutten ein. Als erste Lieferungen eingeführter Drogen (Hagebutten) außerhalb eines Seehafenplatzes kommen bei der Stpfl. vor:
1. Lieferungen getrockneter Hagebutten (ganz), wie eingeführt,
2. Lieferungen geschnittener Hagebutten (als Gemisch von geschnittenen Schalen und Kernen),
3. Lieferungen geschnittener Hagebuttenschalen,
4. Lieferungen von Hagebuttenkernen.
Das Schneiden der Hagebutten nimmt die Stpfl. mittels einer Maschine selbst vor. Durch eine besondere Einstellung der Schneidemaschine vermag die Stpfl. beim Schneiden Schalen und Kerne voneinander zu trennen.
Die Stpfl. nimmt Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 2b UStG für alle vier Tatbestände in Anspruch, während das Finanzamt Steuerfreiheit nur für die Lieferungen zu 1. und 2. zubilligen will. Ein Zerschneiden, das eine Trennung von Schalen und Kernen zur Folge hat, und die getrennten Weiterlieferungen von Schalen oder Kernen hält es nicht für ein Zerkleinern und Schneiden im Sinne der Ziff. 3 des Verzeichnisses der besonders zugelassenen Bearbeitungen und Verarbeitungen nach der Einfuhr (Anlage 2 zu § 22 UStDB 1951). In diesem Punkte hatte die Berufung der Stpfl. Erfolg.
II. Streitig ist die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG für Lieferungen im Binnengroßhandel von Kamille und Baldrian, die die Stpfl. in ungetrocknetem Zustand erwirbt. Kamille wird von der Stpfl. selbst durch Ausbreiten auf Trockenböden oder Tennen an der Luft getrocknet, Baldrian läßt sie im Werklohn durch einen anderen Unternehmer trocknen. Die Stpfl. hält das Trocknen für eine steuerlich unschädliche Erhaltungsmaßnahme, während die Vorinstanzen hierin eine nach § 12 Abs. 1 und 2 UStDB 1951 schädliche Bearbeitung erblicken, weil durch die Konservierung überhaupt erst eine marktgängige Ware entstehe.
III. Die Stpfl. bezieht geschnittenen Eibisch, den sie unbearbeitet weiterliefert. Die Vorinstanzen haben ihr die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG versagt, weil der Nämlichkeitsnachweis (§ 14 Abs. 4 Ziff. 2 UStDB 1951) fehle. Nach den Feststellungen des Betriebsprüfers könne ihr insoweit Befreiung vom Nämlichkeitsnachweis nicht genehmigt werden, da sie Eibisch auch selbst schneide. Die Stpfl. beruft sich darauf, daß sie bei den Umsätzen des bereits geschnitten erworbenen Eibisch auf den Ausgangsrechnungen den Vermerk: "1 v. H." angebracht habe; dies müsse genügen, da sie den geschnittenen Eibisch nur von einem einzigen Lieferanten erwerbe. Außerdem sei der früheren Einzelfirma generell Befreiung vom Nämlichkeitsnachweis bewilligt worden.
Die Stpfl. hat wegen der Versagung der Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 (II. und III.) Rechtsbeschwerde, der Vorsteher des Finanzamts hat wegen der Zubilligung der Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 2b UStG (I.) Anschlußbeschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
I.
Die Anschlußbeschwerde ist nicht begründet. Das Finanzamt will die Steuerfreiheit deshalb nicht zubilligen, weil es entscheidend darauf ankomme, daß auch die zerkleinerte (zerschnittene) Ware hinsichtlich ihrer verschiedenen Bestandteile noch dieselbe Zusammensetzung aufweisen müsse wie die unbearbeitete. Bei der hier vorgenommenen Bearbeitung sei jedoch die Droge in ihre verschiedenen Bestandteile zerlegt worden. Mit Recht hat jedoch das Finanzgericht darauf hingewiesen, daß bei Hagebutten sowohl das Gemisch als auch geschnittene Schalen und Kerne getrennt voneinander unstreitig eine handelsübliche Ware darstellten. Der Wortlaut des Gesetzes, der ganz allgemein von Zerkleinern zu handelsüblicher Ware spricht, schließt jedenfalls ein Zerkleinern, bei dem verschiedene Bestandteile entstehen, nicht aus. Vor allem kann, wie die Vorinstanz zutreffend hervorhebt, dem § 22 Abs. 2 UStDB 1951 entnommen werden, daß der Verordnungsgeber bei den zugelassenen Bearbeitungs- und Verarbeitungsvorgängen mit der Entstehung verschiedenartiger Waren gerechnet hat. Es kann weder dem § 22 a. a. O. noch dem Bearbeitungsverzeichnis entnommen werden, daß es darauf ankommt, ob das Zerschneiden oder Zerkleinern lediglich die Entstehung eines Gemisches zum Ziele hat, sondern es erscheint gerechtfertigt, daß für den Bearbeiter auch die Lieferung von Nebenerzeugnissen oder Abfällen, die bei einem an sich zugelassenen Bearbeitungsvorgang anfallen, keine steuerlich schädlichen Folgen nach sich zieht (vgl. auch Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl., Textziff. 1665).
II.
Dagegen ist die Rechtsbeschwerde der Stpfl. begründet. Das Trocknen ist zwar in Ziff. 3 des Bearbeitungsverzeichnisses nicht als zugelassener Bearbeitungsvorgang aufgeführt. Es wäre demnach, wenn es sich um Einfuhranschlußlieferungen handelte, nicht ausdrücklich begünstigt. Das Finanzgericht hat sich für seine Auffassung auf die Überlegung gestützt, daß die Drogen durch das Trocknen überhaupt erst zu einer marktgängigen Ware würden und sich auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 156/38 vom 9. Februar 1940 (RStBl 1940 S. 478, Slg. Bd. 48 S. 208) bezogen. Nun ist in diesem Urteil (ebenso Urteil des Reichsfinanzhofs V 399/39 vom 19. Juli 1940, RStBl 1940 S. 887, Slg. Bd. 49 S. 97) nur gesagt worden, eine Änderung der Marktgängigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 UStDB 1951 sei möglich bei einer Ware, die durch eine Bearbeitung überhaupt erst verkehrsfähig und marktgängig werde. Daß dies immer der Fall sein müsse, kann diesen Urteilen jedoch nicht entnommen werden. Es kommt vielmehr stets auf die besonderen Umstände und die Verkehrsauffassung im einzelnen Fall an. Das Finanzamt beruft sich außerdem auf § 30 Abs. 1 Ziff. 4 UStDB in der Fassung der Sechsten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 14. August 1954 (BGBl I S. 262, BStBl I S. 416), wonach das Trocknen von Getreide ausdrücklich als unschädliche Bearbeitung zugelassen werde; hiernach müsse angenommen werden, daß das Trocknen im allgemeinen nach Ansicht des Verordnungsgebers eine steuerlich schädliche Bearbeitung darstelle. Auch hier wird übersehen, daß die für Getreide getroffene Regelung nicht ohne weiteres auch für die Trocknung von Drogen Rückschlüsse zuläßt. Im übrigen gibt es durchaus Trocknungsvorgänge, die steuerlich schädlich sind. Dagegen ist dem Finanzamt zuzugeben, daß das Urteil des Bundesfinanzhofs V 216/53 U vom 11. Februar 1954 (BStBl 1954 III S. 121, Slg. Bd. 58 S. 553) nicht ohne weiteres auf den Streitfall anzuwenden ist, dem ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde liegt.
Im Streitfall ist zu beachten, daß die von der Beschwerdeführerin erworbenen frisch gepflückten Drogen (Kamille und Baldrian) in ungetrocknetem Zustand in ganz kurzer Zeit der Fäulnis und dem Verderben preisgegeben wären. Der Großhändler, der sachgemäße Erhaltungsmaßnahmen kaum von seinen Erwerbern (Pflückern) erwarten kann, ist also gezwungen, die Ware zu trocknen, um sie überhaupt in brauchbarem Zustand zu seinen Abnehmern bringen zu können. Dem oben angeführten Urteil vom 11. Februar 1954 ist nun allerdings der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, daß, wenn solchenfalls bei einer Bearbeitungsmaßnahme die Erhaltung des Liefergegenstandes eindeutig im Vordergrunde steht, nicht von einer steuerlich schädlichen Bearbeitung gesprochen werden kann. Erhaltungsmaßnahmen gehören zu den regelmäßigen Funktionen des Großhandels. Diesen Grundsatz der neueren Rechtsprechung hat auch die Verwaltung anerkannt (vgl. Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 30. Juni 1955 IV A/2 - S 4216 - 59/55 betreffend Trocknen an der Luft von Kleintierfellen und -häuten, Umsatzsteuerkartei S 4216 Karte 59). Daß die Trocknung im Streitfalle über die Besitzzeit des Großhändlers hinaus konservierend wirkt, liegt in der Natur der Ware und ist für den Großhändler zwangsläufig. Eine Trocknung mit geringerer Wirkung kommt nach Sachlage nicht in Betracht. Dieser Umstand ist deshalb für sich allein kein Grund, eine steuerlich schädliche Bearbeitung anzunehmen. Die Vorentscheidung, die diese Rechtslage verkannt hat, ist demnach insoweit aufzuheben und der Stpfl. der ermäßigte Steuersatz, dessen sonstige Voraussetzungen nicht streitig sind, zuzubilligen.
III.
Nicht beigetreten werden kann auch der Vorentscheidung hinsichtlich des Mangels des Nämlichkeitsnachweises für die Lieferungen von bereits geschnitten erworbenem Eibisch.
Das Unternehmen der Stpfl. wurde bis 31. Januar 1952 von dem Vater der jetzigen Gesellschafter als Einzelfirma betrieben. Die Einzelfirma ist unstreitig allgemein von der Führung des Nämlichkeitsnachweises befreit gewesen. Die jetzige OHG hat unstreitig den Gewerbebetrieb der früheren Einzelfirma unter dem gleichen Firmennamen unverändert fortgeführt. Es ist zwar richtig, daß die Stpfl. mit ihrer Rechtsvorgängerin nicht identisch ist, so daß die Buchnachweiserleichterung nicht ohne weiteres für sie galt; doch hätte das Finanzamt gerade in einem Falle, wo das Unternehmen unverändert auf die Kinder des früheren Alleingeschäftsinhabers überging, Veranlassung gehabt, von sich aus zu prüfen, ob die bisher gewährten Erleichterungen weiterzugelten haben oder nicht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 11/57 U vom 4. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 332, Slg. Bd. 65 S. 258). Kam das Finanzamt auf Grund der ersten umsatzsteuerlichen Prüfung der OHG aus sachlichen Gründen, weil nämlich die Stpfl. sowohl mit selbst geschnittenem Eibisch als auch mit bereits geschnitten erworbenem Eibisch handelt, nunmehr erstmals zu der Auffassung, daß die Befreiung vom Nämlichkeitsnachweis insoweit einzuschränken sei, so war es doch unbillig, diese Einschränkung gegenüber der Nachfolgefirma rückwirkend anzuordnen; denn einmal beweist die - eingeschränkte - Weitergewährung der Erleichterung, daß das Finanzamt auch die Nachfolgefirma als steuerlich zuverlässig angesehen hat, zum anderen hat die Stpfl. die begünstigten Umsätze, wenn auch unvollkommen, auf den Ausgangsrechnungen des allein in Betracht kommenden Lieferanten gekennzeichnet, und das Finanzamt hat Zweifel an der sachlichen Berechtigung der Steuervergünstigung auch nicht geäußert. Unter diesen besonderen Umständen des Streitfalles war aber die Beschränkung der Buchnachweiserleichterung erst auf die nach der Prüfung getätigten Umsätze gerechtfertigt.
Auf die Rechtsbeschwerde der Stpfl. war deshalb die Vorentscheidung aufzuheben; der Stpfl. war auch die Steuervergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG für die Umsätze getrockneter Kamille und Baldrians und von geschnitten erworbenem Eibisch zu gewähren, so daß die Umsatzsteuer für 1954 entsprechend dem Antrage der Stpfl. auf 3453,35 DM festzusetzen war, während die Anschlußbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen war.
Fundstellen
Haufe-Index 409500 |
BStBl III 1959, 474 |
BFHE 1960, 576 |