Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zwischen Filmproduzent und Filmverleiher findet ein Leistungsaustausch hinsichtlich der üblicherweise anfallenden Vorkosten in der Regel nicht statt. Auf die Art der Verrechnung der Vorkosten mit den Einspielergebnissen kommt es dabei nicht an.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in X., befaßt sich mit dem Verleih von Spieltonfilmen. Streitig ist, ob sie die im Filmverleihgeschäft üblicherweise entstehenden Vorkosten ihrem Umsatz zurechnen muß.
Die Steuerpflichtige erzielt aus dem Filmverleih Verleiheinnahmen (Einspielergebnisse), die sie in vollem Umfang (Bruttoverleiheinnahmen) versteuert. Anläßlich einer Betriebsprüfung wurde vom Betriebsprüfer festgestellt, daß sie die nach der Filmherstellung bis zur Uraufführung anfallenden Kosten (Vorkosten), z. B.
Kosten für die Herstellung, Instandhaltung und Versicherung der Kopien,
Kosten der Synchronisation bei ausländischen Filmen,
Kosten eines Beiprogrammfilmes,
Prüfungs-, Zensur- und Abrechnungskontrollgebühren,
entsprechend den Verleihverträgen bezahlt, sodann aus dem Produzentenanteil oder den Bruttoverleiheinnahmen wieder abgesetzt hatte. Ihrem Umsatz hatte sie die Vorkosten nicht zugerechnet. Der Betriebsprüfer stellte die Vorkosten mit ... DM für 1954, mit ... DM für 1955 und mit ... DM für 1956 fest und rechnete sie den Umsätzen der Steuerpflichtigen zu. Das Finanzamt übernahm diese Feststellungen für die vorläufigen Berichtigungsveranlagungen 1954 und 1955 und die vorläufige erstmalige Veranlagung 1956 und unterwarf die Vorkosten der Umsatzsteuer.
Hiergegen richtete sich der Einspruch der Steuerpflichtigen. Sie bestreitet die Steuerbarkeit der Vorkosten für 1954 in voller Höhe, für 1955 mit ... DM und für 1956 mit ... DM.
Der Einspruch war erfolglos. Mit der Berufung machte die Steuerpflichtige, wie bereits im Einspruchsverfahren, geltend, Kern der sog. "Verleihverträge" sei die übertragung der Aufführungsrechte. Das Entgelt hierfür werde aus praktischen Gründen als Anteil an den Verleiheinnahmen festgelegt. Dabei werde von den Bruttoverleiheinnahmen zunächst die Umsatzsteuer des Verleihers abgezogen. Das verbleibende sog. Nettoeinspielergebnis werde in Verleihspesen und Produzentenanteil aufgeteilt. Die sog. Vorkosten würden allerdings meist aus dem Produzentenanteil gedeckt. Es handele sich aber nur um eine Abrechnungsart für die Kosten des Verleihers.
Das Finanzgericht hob die Einspruchsentscheidung des Finanzamts und die berichtigten Umsatzsteuerbescheide für 1954 und 1955 sowie den Bescheid für 1956 auf und setzte die sog. Vorkosten von den jeweiligen Umsätzen wieder ab. Es ist der Auffassung, daß den Vorkosten ein Leistungsaustausch zwischen der Steuerpflichtigen und den Produzenten in keinem Fall zugrunde liege. Bei den meisten Filmen würden zwar die Vorkosten aus dem sog. Produzentenanteil gedeckt, daraus könne aber nicht der Schluß gezogen werden, daß die Steuerpflichtige für die Verleiher die Vorkosten vorgestreckt habe. Bei zwei Filmen seien die Vorkosten von den Bruttoverleiheinnahmen in Abzug gebracht worden und somit ein Zusammenhang mit dem Produzentenanteil nur indirekt gegeben. Deshalb sei bei diesen Filmen eine Verrechnung von Leistungen der Steuerpflichtigen mit den Produzenten nicht gegeben.
Mit der Rb. macht der Vorsteher des Finanzamtes im Auftrag der Oberfinanzdirektion geltend, die Steuerpflichtige habe die Vorkosten unstreitig im eigenen Namen aufgewendet. Sie habe dadurch eine gewerbliche Leistung erbracht, die ihr durch den Produzenten mit verrechneten Filmeinnahmen vergütet worden sei. Es liege daher ein Leistungsaustausch vor, der gemäß § 1 Ziff. 1 UStG der Umsatzsteuer unterliege.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Das Finanzgericht geht mit Recht davon aus, daß zwischen der Steuerpflichtigen und den jeweiligen Produktionsfirmen hinsichtlich der sog. Vorkosten ein konkreter Leistungsaustausch nicht erkennbar ist.
Gemäß § 1 Ziff. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen. Die Steuerpflichtige hat gegenüber den Produzenten weder eine Lieferung noch eine sonstige Leistung erbracht, zu denen die Vorkosten im Verhältnis des Leistungsaustausches stehen. Sie hat auch insoweit kein Entgelt vereinnahmt. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Leistungsaustausch vorliegt, ist auf das gesamte Vertragswerk zwischen Steuerpflichtiger und Produzenten abzustellen. Die umsatzsteuerrechtliche Betrachtungsweise knüpft zwar nicht an die Verträge, sondern an die tatsächlichen Vorgänge (Leistungen) an. Für die Beurteilung eines tatsächlichen Vorgangs lassen sich aber aus den vertraglichen Abmachungen oft wertvolle Anhaltspunkte entnehmen.
Der Filmverwertungsvertrag (genannt Lizenzvertrag) hat die übertragung urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse an einem Filmwerk zum Gegenstand. Der Senat hat bereits in der grundsätzlichen Entscheidung V 245/56 S vom 31. Januar 1957 (BStBl 1957 III S. 93, Slg. Bd. 64 S. 245) unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung der Zivilgerichte hervorgehoben, daß es den Verleihern wesentlich auf die Aufführungs- und Verwertungsrechte und die Befugnis, diese weiter auf die Filmtheaterbesitzer übertragen zu können, ankomme. Dieser Vertragszweck kann nur erreicht werden, wenn der Produzent dem Verleiher Negativmaterial überläßt. Das für die Auswertung des Films erforderliche Positivmaterial (Kopien) wird nach den in der Filmbranche in Deutschland üblichen Geschäftsgepflogenheiten regelmäßig vom Verleiher beschafft. Da die Vervielfältigungsbefugnis beim Produzenten liegt, räumt der Filmverwertungsvertrag dem Verleiher in der Regel das Recht ein, "beliebig viele" oder "die notwendige Zahl" von Kopien ziehen zu lassen. Wenn daher der Verleiher Kopien ziehen läßt, handelt er in erster Linie in Ausübung eines ihm vertraglich eingeräumten Rechtes. Anders kann er das Filmwerk nicht verwerten. Sofern der Verleiher sein vertragliches Recht ausübt, erbringt er keine Leistung gegenüber dem Produzenten, selbst wenn die Vervielfältigung des Films auch im Interesse des Produzenten liegt.
In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, wem das Eigentum an den vom Verleiher gezogenen Kopien zusteht. Vertragszweck des Filmverwertungsvertrags ist die überlassung des urheberrechtlichen Nutzungsrechtes, damit die Auswertung des Filmes ohne Verletzung der Rechte Dritter vor sich gehen kann. Hierin liegt auch das wesentliche wirtschaftliche Vertragselement. Demgegenüber haben weder der Verleiher noch der Produzent am Eigentum an den Kopien ein besonderes Interesse, weil nach Ablauf der Vertragszeit die Kopien meist in ihrer Gebrauchsfähigkeit und damit in ihrem Wert erheblich herabgesetzt sind. Das Eigentumsrecht an den Kopien teilt nicht immer das rechtliche Schicksal des urheberrechtlichen Nutzungsrechtes. Denkbar sind drei Möglichkeiten:
Das Eigentum an den Kopien geht bereits bei Beschaffung der Kopien auf dem Wege über ein antizipiertes Besitzkonstitut auf den Produzenten über.
Das Eigentum an den Kopien wird beim Heimfall des Auswertungsrechtes auf den Produzenten übertragen.
Der Verleiher bleibt Eigentümer der Kopien auch nach Ablauf des Nutzungsrechtes am Filmwerk.
In keinem der drei möglichen Fälle ist die Nutzung des Filmwerks von der Eigentumslage bei den Kopien abhängig. Der Eigentumsübergang ist daher nur eine unwesentliche Nebenfolge der übertragung des Auswertungsrechts.
Desgleichen ist ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Vorkosten und ihrer Abdeckung mit dem Eigentum an den Kopien nicht gegeben. Die Vorkosten werden vielmehr durch die Nutzung des Filmwerks verursacht. Je stärker die Nutzung ist (Zahl der Kopien), desto höhere Vorkosten entstehen. Da sie also durch die Nutzung des Filmes verursacht werden, werden sie auch aus den durch die Nutzung erbrachten Einspielergebnissen abgedeckt. Somit werden die Vorkosten aufgewendet, um die urheberrechtliche Nutzung des Filmwerks für die Vertragsdauer zu ermöglichen, nicht zur Verschaffung des Eigentumsrechtes an den Kopien. Selbst in den Fällen, in denen der Produzent das Eigentum an den Kopien zu irgendeinem Zeitpunkt erwirbt, kann daher der Eigentumserwerb nicht als eine den Vorkosten gegenüberstehende Gegenleistung angesehen werden.
Das Finanzamt hat für die Beurteilung der Frage, ob ein Leistungsaustausch gegeben ist, darauf abgestellt, ob in den Verleihverträgen die Formulierung gebraucht ist: Die Vorkosten sind vom "Verleiher zu tragen" oder "vorzustrecken". Aus solchen Formulierungen kann sich aber nur die Verpflichtung zur Finanzierung ergeben, ein Beweis für einen Leistungsaustausch ist darin nicht zu erblicken.
Die Steuerpflichtige vereinnahmt außer den Bruttoverleiheinnahmen kein Entgelt. Die Abrechnung über die Vorkosten ist keine Entgeltszahlung, sondern Entgeltsverteilung. Die Vorkosten sind Unkosten, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Filmwerks anfallen. Sie sind in den Verleiheinnahmen enthalten und werden aus diesen gedeckt. Sie unterliegen damit bereits als Bruttoverleiheinnahmen beim Verleiher der Umsatzsteuer. Sofern die Vorkosten von den Bruttoverleiheinnahmen abgezogen werden, liegt eine Aufrechnung mit einer Forderung der Beschwerdegegnerin gegen eine Forderung des Produzenten nicht vor, weil ein für den Produzenten ausgeschiedener Entgeltsanteil nicht einmal rechnerisch gegeben ist und damit eine Aufrechnungslage, bei der sich Forderung und Gegenforderung gegenüberstehen, nicht erkennbar ist. Die Vorkosten werden vielmehr als Unkosten aus den Bruttoverleiheinnahmen des Verleihers gedeckt. Aber auch in den Fällen, in denen die Vorkosten rechnerisch aus dem sog. Produzentenanteil gedeckt werden, handelt es sich nur um eine Erlösabrechnung, nicht um eine Entgeltszahlung im Wege der Aufrechnung. Werden die Vorkosten aus dem Produzentenanteil bezahlt, so bedeutet dies lediglich, daß der Produzent aus den Verleiheinnahmen keinerlei Mittel erhält, solange nicht die im Zusammenhang mit der Nutzung des Films anfallenden Kosten abgedeckt sind, während der Verleiher aus dem Verleiheranteil die allgemeinen Verleihkosten (Büro, Löhne usw.) begleichen kann. Der Verleiher bekommt auch nicht zusätzlich ein Entgelt vom Produzenten, denn je nach Abrechnungsart ändert sich lediglich der prozentuale Anteil des Produzenten an den Nettoverleiheinnahmen. Deshalb erhält der Produzent auch in den Fällen, in denen die Vorkosten aus den Bruttoeinspielergebnissen beglichen werden, keinen höheren Anteil an den Verleiheinnahmen.
Hiernach ist in allen zur Entscheidung stehenden Fällen ein Leistungsaustausch hinsichtlich der Vorkosten nicht gegeben.
Die Rb. verweist auf das nichtveröffentlichte Urteil des Senats V 249/53 vom 20. Januar 1955. In dieser Entscheidung ist zur Höhe des Umsatzes einer Produktionsfirma Stellung genommen worden. Soweit in dem Urteil auf das Eigentum an den Kopien und darauf abgestellt wird, zu wessen Lasten die Vorkosten gehen, hält der Senat daran nicht fest. Bei der zu entscheidenden Frage handelt es sich in erster Linie um eine Frage des Leistungsaustausches.
Die Steuerpflichtige stützt ihre Ansicht auch auf den Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 15. August 1955 IV A/2 - S 4200 - 78/55 (Umsatzsteuer-Kartei S 4200 Karte 57). Auf den Erlaß braucht jedoch nicht eingegangen zu werden, weil der Senat die Steuerpflicht der Vorkosten schon aus anderen Gründen verneint hat.
Fundstellen
Haufe-Index 411361 |
BStBl III 1964, 597 |
BFHE 1965, 346 |
BFHE 80, 346 |