Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Bindung der Höhe von Renten und Unterhaltsleistungen an das Gehalt eines Staatsbeamten nimmt den einzelnen Leistungen nicht die Gleichmäßigkeit.
Der Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO kann unter Umständen die Gleichmäßigkeit der Leistungen in Frage stellen.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 22/1
Tatbestand
Der Bf. war durch das Urteil des Landgerichts vom 23. März 1937 von seiner Ehefrau, die für alleinschuldig erklärt worden war, geschieden worden. Im Jahre 1937 hatte er seiner geschiedenen Ehefrau einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 600 RM versprochen. Am 25. Januar 1954 schlossen die geschiedenen Eheleute "in Abänderung aller bestehenden Vereinbarungen" einen Vertrag, in dem im wesentlichen bestimmt war:
Mit Wirkung vom 1. Juli 1953 zahlt der Bf. an seine geschiedene Ehefrau eine monatliche Bruttorente, die sich nach dem Gehalt eines ledigen Regierungsrats mit 20 Dienstjahren einschließlich Wohnungsgeld und Teuerungszulage bemißt.
Erhöhungen und Ermäßigungen dieses Regierungsratsgehalts gehen zugunsten bzw. zu Lasten der geschiedenen Ehefrau.
Der Wegfall oder die Ermäßigung von Steuern, z. B. aus Anlaß der erwarteten großen Steuerreform, gehen zugunsten, eine Erhöhung oder das Hinzukommen von neuen Steuern gehen zu Lasten der geschiedenen Ehefrau.
Die geschiedene Ehefrau übernimmt die Abführung der von ihr zu zahlenden Steuern selbst.
Die Vertragschließenden behalten sich die Geltendmachung der Bestimmung des § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vor.
Die Verpflichtungen des Bf. gehen auf seine Erben über.
Auf Grund dieses Vertrages zahlte der Bf. im Streitjahr 1955 an seine geschiedene Ehefrau 13.242 DM und machte diesen Betrag in voller Höhe als Sonderausgaben geltend.
Das Finanzamt erblickte in den Leistungen des Bf. eine Leibrente und ließ deshalb bei der Veranlagung gemäß §§ 25 und 28 EStDV 1955 nur 90 v. H. des gezahlten Betrages, nämlich 11.918 DM, zum Abzug als Sonderausgabe zu.
Der Einspruch und die Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht kam in dem angefochtenen Zwischenurteil zu dem Ergebnis, daß eine Leibrente gegeben sei. Die Abhängigkeit der Bezüge von dem Gehalt eines Regierungsrats solle die Anpassung der Rentenzahlungen an die jeweiligen Lebenshaltungskosten bewirken. Dadurch gehe aber die Bestimmtheit der Rentenleistungen und ihre Gleichmäßigkeit nicht verloren. Die Geldleistungen, die in beschränktem und von vornherein festgelegtem Umfange einer änderung der Kaufkraft angeglichen würden, seien noch als Früchte eines einheitlichen Rentenstammrechts anzusehen. Auch der Vorbehalt der Geltendmachung des § 323 ZPO stehe der Annahme einer Leibrente nicht entgegen, wenn schon die Beteiligten damit auch anderen Umständen als einer Geldentwertung Einfluß auf die Höhe der Rentenleistungen hätten einräumen wollen. Umstände, deren Eintritt nach den Erfahrungen des Lebens aber in ungewisser Zukunft liegen, müßten außer Betracht bleiben.
Mit der Rb. wird wie bisher der Standpunkt verfochten, daß die Leistungen des Bf. keine Leibrente seien. Die Bindung an das Gehalt eines Regierungsrats bringe ein Schwanken in die Höhe der Leistungen mit sich. Außerdem sei die Möglichkeit der Geltendmachung der Rechte aus § 323 ZPO ausdrücklich ausbedungen worden. Das bringe eine weitere Unbestimmtheit der Leistungen mit sich.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Das Finanzgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß eine Leibrente nach bürgerlichem Recht gegeben sei, wenn der Berechtigte auf Lebenszeit ein einheitlich nutzbares Recht erworben habe, dessen Erträgnisse aus regelmäßig wiederkehrenden gleichmäßigen Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen. Wie der Senat im Urteil VI 105/61 U vom 29. März 1962 (BStBl 1962 III S. 304, Slg. Bd. 75 S. 96) entschieden hat, muß daß Steuerrecht auf dieser bürgerlich-rechtlichen Abgrenzung aufbauen, weil es lediglich die steuerlichen Folgerungen aus der bürgerlich-rechtlichen Vertragsgestaltung zu ziehen hat.
Der Bf. schließt - entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - aus der Kopplung der ausgesetzten Leistungen an das jeweilige Gehalt eines Regierungsrats, daß es an der für die Annahme einer Leibrente unumgänglichen Gleichmäßigkeit der Leistungen fehle. Dem ist nicht zu folgen. Die Anknüpfung an das Gehalt eines Staatsbeamten sollte gerade die Gleichmäßigkeit des inneren Wertes der ausbedungenen Leistungen gewährleisten. Ohne Rechtsverstoß konnte das Finanzgericht annehmen, daß die durch die Koppelung bewirkte Ungleichmäßigkeit in der Höhe der Jahresleistungen nicht so erheblich sei, daß es von vornherein an der Bestimmbarkeit der einzelnen Jahresleistungen fehle.
Unklar ist jedoch bisher, welche rechtliche Bedeutung der Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO hat. Sofern damit nur das allgemeine Recht der Geschäftsgrundlage (clausula rebus sic stantibus) vertraglich erwähnt werden sollte, würde der Vorbehalt die Bestimmbarkeit der Leistungen nicht beeinträchtigen und die Annahme eine Leibrente nicht ausschließen. Wollten die Vertragsparteien damit aber festlegen, daß bei verminderter Leistungsfähigkeit des Bf. oder bei verminderter Bedürftigkeit seiner geschiedenen Ehefrau die Leistungen herabgesetzt oder gar eingestellt werden könnten, so ist der Vertrag kein Leibrentenvertrag, sondern ein Unterhaltsvertrag, wie ihn der Senat in der Entscheidung VI 53/61 U vom 11. Oktober 1963 (BStBl 1963 III S. 594) behandelt hat. Solche Verträge können, wenn sie formgerecht und auf längere Zeit geschlossen sind, für die Verpflichteten eine dauernde Last im Sinne von § 10 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes begründen und damit zur Absetzung der vollen geleisteten Beträge führen.
Die angefochtene Entscheidung mußte wegen unzureichender Sachaufklärung aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen werden, damit dieses durch Anhörung beider Vertragsparteien klärt, welche rechtliche Bedeutung dem Vorbehalt nach § 323 ZPO zukommen soll.
Fundstellen
Haufe-Index 410977 |
BStBl III 1963, 594 |
BFHE 1964, 747 |
BFHE 77, 747 |