Leitsatz (amtlich)
Die an einer nur aus natürlichen Personen bestehenden Kommanditgesellschaft beteiligten Kommanditisten erwerben in dem Zeitpunkt als Ersterwerber Gesellschaftsrechte an einer Kapitalgesellschaft im Sinne der §§ 2 Nr. 1, 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG, in dem eine Kapitalgesellschaft Komplementär der Kommanditgesellschaft wird.
Normenkette
KVStG § 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Die Klägerin - eine GmbH - trat am 1. April 1960 als persönlich haftender Gesellschafter in eine bereits bestehende Kommanditgesellschaft ein. Die bisherigen beiden Komplementäre wurden Kommanditisten.
Der Beklagte zog die Klägerin - gestützt auf § 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG zur Gesellschaftsteuer heran. Als Wert der erstmals erworbenen Gesellschaftsrechte setzte der Beklagte den Betrag von 2 426 000 DM an. Diesen Wert hatte er aus einem Vermögenswert von 426 000 DM und einem Geschäftswert von 2 Mill. DM errechnet.
Das FG hat auf die Klage den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben und die Klägerin von der Steuer freigestellt. Hiergegen richtet sich die als Revision aufzufassende Rechtsbeschwerde des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Auf die Revision wird das angefochtene Urteil aufgehoben; die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
I.
Die Entscheidung des FG beruht auf der Ansicht, § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 sei mit dem GG unvereinbar; sie kann mit dieser Begründung nicht aufrechterhalten werden. Das BVerfG hat mit Beschluß 1 BvF 3/65 vom 2. Oktober 1968 (BVerfGE 24, 174) entschieden, daß § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 (BGBl I 1959, 530) mit dem GG vereinbar ist. Der im BGBl I 1968, 1102 bekanntgemachte Entscheidungssatz dieses Beschlusses hat gemäß Art. 94 Abs. 2 Satz 1 GG, § 31 Abs. 2 Satz 1, § 13 Nr. 6 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht Gesetzeskraft.
II.
In dem angefochtenen Urteil ist ausgeführt, der Tatbestand des § 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG sei erfüllt. Die tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) rechtfertigen diese Schlußfolgerung.
1. Dies ist insoweit nicht zweifelhaft, als die bisherigen beiden persönlich haftenden Gesellschafter im Zusammenhang mit dem Eintritt der Klägerin in die bereits bestehende KG Kommanditisten geworden sind. Sie haben damit als erste Erwerber Kommanditanteile an einer KG erworben, deren persönlich haftender Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 KVStG) ist. Anteile dieser Art gelten nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften.
2. Da die GmbH in eine bereits bestehende KG als persönlich haftender Gesellschafter eingetreten ist, muß im Zeitpunkt ihres Eintritts wenigstens ein Kommanditist vorhanden gewesen sein. Auch insoweit ist der Tatbestand des § 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG erfüllt. An einer nur aus natürlichen Personen bestehenden KG beteiligte Kommanditisten erwerben in dem Zeitpunkt als erste Erwerber Gesellschaftsrechte an einer Kapitalgesellschaft (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG), in dem eine Kapitalgesellschaft Komplementär der KG wird. Diese Auslegung ergibt sich aus dem möglichen und angesichts des oben erwähnten Beschlusses des BVerfG in Beziehung auf die Fälle des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG notwendigen Wortsinn; sie wird durch den Zweck der Vorschrift gedeckt.
Gemäß § 2 Nr. 1 KVStG unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften gelten u. a. Anteile der Kommanditisten an einer KG, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der KG eine Kapitalgesellschaft gehört (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG).
a) Durch das Wort "Erwerb" wird in der Gesetzessprache allgemein die erstmalige Zuordnung oder eine Änderung in der Zuordnung eines Gegenstandes zu einem Rechtsträger zum Ausdruck gebracht. Für den Bereich des Privatrechts beweisen dies z. B. die §§ 854, 873, 925, 929 ff., 937, 946 ff., 954 ff., 958, 973, 976, 984, 1117, 1163 und 1164 BGB. Aus dem Bereich des öffentlichen Rechts sei für den Erwerb einer Rechtsstellung nur beispielhaft auf § 5 des Deutschen Richtergesetzes und auf § 3 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 (Sammlung des Bundesrechts, BGBl III 102-1) verwiesen.
b) § 2 Nr. 1 KVStG betrifft nur die erstmalige Zuordnung, den Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen (§ 5 Abs. 3 KVStG) Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG löst im Falle des § 2 Nr. 1 KVStG die Rechtsfolge aus, daß die Begründung des in § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG als Kommanditanteil umschriebenen Mitgliedschaftsrechts als Kommanditist an einer KG, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört, als erster Erwerb eines Gesellschaftsrechts an einer Kapitalgesellschaft anzusehen ist. Diese Vorschrift bewirkt aber auch, daß das als Kommanditanteil bezeichnete Mitgliedschaftsrecht an einer Personengesellschaft für den Bereich des Rechts der Gesellschaftsteuer in dem Augenblick als Gesellschaftsrecht an einer Kapitalgesellschaft in der Hand des Kommanditisten zu qualifizieren ist, in dem eine Kapitalgesellschaft (§ 5 KVStG) als persönlich haftender Gesellschafter in eine bereits bestehende KG eintritt, deren bisherige Komplementäre natürliche Personen waren. In die handelsrechtliche Einordnung als Mitgliedschaftsrecht an einer Personengesellschaft greift das KVStG für Zwecke der Besteuerung in der Weise ein, daß es den Kommanditanteil dem Kommanditisten als Gesellschaftsrecht an einer Kapitalgesellschaft zuordnet; der Kommanditist erwirbt im Zeitpunkt des Eintritts der Kapitalgesellschaft in die bereits bestehende KG als erster Erwerber ein Gesellschaftsrecht an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des Gesellschaftsteuerrechts.
c) Die Wortauslegung wird durch den Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG bestätig. Der Zweck dieser Vorschrift ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut. Anteile der Kommanditisten an einer KG, zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine Kapitalgesellschaft gehört, sollen für den Bereich des Gesellschaftsteuerrechts wie Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften behandelt werden; an das Tatbestandsmerkmal "Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften" geknüpfte steuerrechtliche Rechtsfolgen sollen auch dann eintreten, wenn es sich um einen Anteil der in § 6 Ab. 1 Nr. 4 KVStG genannten Art handelt. Der damit verfolgte Zweck würde jedoch nur unvollkommen erreicht, wenn im Falle des § 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG zwar die Begründung (nach den Regeln des HGB) eines Mitgliedschaftsrechts der in § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG bezeichneten Art die Gesellschaftsteuer auslösen, diese Rechtsfolge aber insoweit nicht eintreten würde, als schon vor dem Eintritt der Kapitalgesellschaft als Komplementär bestehende Kommanditanteile gesellschaftsteuerrechtlich die Eigenschaft von Gesellschaftsrechten an einer Kapitalgesellschaft erlangen. Eine derartig unterschiedliche Behandlung, die überdies den Weg zur Vermeidung der Steuerpflicht weisen würde, wäre mit Rücksicht auf den Beschluß des BVerfG 1 BvF 3/65, durch den § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG für vereinbar mit dem GG erklärt worden ist, sachlich nicht zu rechtfertigen.
III.
Die Sache ist im übrigen nicht spruchreif und muß zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden. Da das FG, dem Urteil des BFH II 12/58 S vom 3. Dezember 1964 (BFH 81 S. 55, BStBl III 1965, 19) folgend, § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG für unvereinbar mit dem GG gehalten hat, hatte es keinen Anlaß zu prüfen, ob § 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG - wie das FA angenommen hat - oder Buchst. b dieser Vorschrift als Rechtsgrundlage für den Steuermaßstab in Betracht kommt; aus dem gleichen Grunde enthält das angefochtene Urteil auch keine für die Steuerbemessung relevanten tatsächlichen Feststellungen.
Der Senat sieht keine Möglichkeit, der Anregung des Beklagten zu folgen, zu den von ihm aufgeworfenen Grundsatzfragen Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme wäre für das FG nicht verbindlich. Es ist nicht Sache des Revisionsgerichts, zu Sachverhalten in rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen, die im bisherigen gerichtlichen Verfahren nicht angesprochen waren. Der Revisionsrichter hat das angefochtene Urteil auf Rechtsverletzung zu prüfen (§ 118 Abs. 1 FGO); er ist nicht dazu berufen, dem Instanzgericht, das - von der Bindung nach § 126 Abs. 5 FGO abgesehen - in richterlicher Unabhängigkeit über den Rechtsstreit zu entscheiden hat, Belehrungen zu erteilen. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei bemerkt, daß ein aus Gründen der Prozeßökonomie möglicher Hinweis angesichts der Problematik der vom FA aufgeworfenen "Grundsatzfragen" nicht in Betracht kommt.
Fundstellen
Haufe-Index 68934 |
BStBl II 1970, 335 |
BFHE 1970, 369 |