Entscheidungsstichwort (Thema)
Einlageleistung erst bei Gutschrift auf Gesellschaftskonto
Leitsatz (NV)
Eine Einlage ist bei Zahlung durch Banküberweisung jedenfalls dann noch nicht geleistet, wenn der vom Leistenden zur Zahlung angewiesene Geldbetrag lediglich dem Geldinstitut der Empfängerin (der Gesellschaft) gutgeschrieben ist, diese aber seinerseits über den Betrag noch nicht zugunsten der Empfängerin disponiert hat. Denn bei Banküberweisungen ist der Wert des überwiesenen Betrages erst dann dem Empfänger zugeführt, wenn die Gutschrift auf dem Empfängerkonto erfolgt ist.
Nach dem Eingang der Überweisung bei der Empfängerbank hat die als Emfänger bezeichnete Person zwar grundsätzlich einen Rechtsanspruch gegenüber dieser Bank auf Vornahme der Gutschrift. Das Entstehen dieses Anspruchs ist indes nicht einem sofortigen Wertzufluß gleichzuachten.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 5, § 15a
Tatbestand
Streitig ist, ob der auf den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) entfallende Verlustanteil einer KG zu einem negativen Kapitalkonto des Klägers geführt hat oder ob noch am 30. Dezember (Freitag) des Streitjahres (1983) ein Teil der Einlage des Klägers in Höhe von 100 000 DM geleistet wurde mit der Folge, daß das Kapitalkonto durch den Verlust nicht negativ werden konnte.
Die KG, an der der Kläger beteiligt ist, erzielte einen Verlust in Höhe von . . . DM. Auf einen Teilbetrag des Verlustes in Höhe von . . . DM ist die Vorschrift des § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzuwenden.
Der Kläger ist an der KG mit einer Kommanditeinlage von 200 000 DM beteiligt. Mit dieser Einlage ist er zum 31. Dezember 1983 im Handelsregister eingetragen worden. Die KG hatte in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1983 rd. . . . DM ausstehender Einlagen bilanziert. Hiervon entfielen 200 000 DM auf den Kläger. Dieser hat seiner Bank (B) am 29. Dezember 1983 den Auftrag erteilt, einen Betrag von 100 000 DM telegrafisch auf das bei der Sparkasse A geführte Konto der KG zu überweisen. Der Betrag war mit Wertstellung 30. Dezember 1983 vom Konto des Klägers am 30. Dezember 1983 abgebucht worden. Noch am 30. Dezember 1983 ging der Betrag ausweislich einer Bescheinigung der Sparkasse A auf deren Verrechnungskonto bei der Landeszentralbank C ein. Die Gutschrift auf dem Konto der KG erfolgte bei der Sparkasse am 2. Januar 1984.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FG -) zog im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung für das Streitjahr vom Kommanditanteil des Klägers in Höhe von 200 000 DM eine noch ausstehende Einlage in Höhe von 200 000 DM ab. Den auf den Kläger entfallenden Anteil am nichtprivilegierten Verlust in Höhe von . . . DM stellte er als nicht ausgleichsfähigen Verlust gemäß § 15a EStG fest.
Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Feststellungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung auf. Zur Begründung des in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 293 veröffentlichten Urteils führte es im wesentlichen aus, es sei zwar richtig, daß Erfüllungswirkung bei einer Überweisung erst mit der Erteilung der Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers eintrete. Dies bedeute aber im Streitfall nicht, daß die KG vor dem 2. Januar 1984 vom Kläger noch nichts erhalten hätte. Zu berücksichtigen sei, daß auf dem Verrechungskonto, das die Bank der KG bei der Landeszentralbank C unterhalten habe, schon am 30. Dezember 1983 ein Betrag von 100 000 DM eingegangen gewesen sei. Hieraus ergebe sich für die KG aus deren Girovertrag mit der Sparkasse A ein Anspruch auf Erteilung der Gutschrift, und zwar schon am 30. Dezember 1983, weil an diesem Tage durch den Geldeingang die Überweisung des Klägers gedeckt gewesen sei. Dieser Anspruch auf Erteilung der Gutschrift habe durchaus Vermögenswert; dies folge schon daraus, daß er beispielsweise pfändbar sei. Daraus folge zugleich, daß es sich bei diesem Anspruch um ein Wirtschaftsgut handele, das zu aktivieren sei. Dieser Anspruch sei mit 100 000 DM zu bewerten. Denn im Zeitpunkt der Bilanzerstellung sei klar gewesen, daß der Anspruch auf Erteilung der Gutschrift ohne weiteres schon am 2. Januar 1984 erfüllt worden sei.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 4 Abs. 1 Satz 5, 15a EStG. Ausgehend vom Zweck des § 15a EStG könne nur die Gutschrift des Betrages auf dem Konto der KG bei der Sparkasse A als Leistung der Einlage angesehen werden. Denn der Auftraggeber könne einen Überweisungsauftrag bis zur Ausführung der Gutschrift auf dem Konto des Empfängers wirksam widerrufen. Erst mit der Ausführung der Gutschrift auf dem Konto der KG bei der Sparkasse A am 2. Januar 1984 sei das Risiko, den angewiesenen Betrag von 100 000 DM im Falle eines Konkurses der KG zu verlieren, endgültig auf den Kläger übergegangen. Der Kläger sei hinsichtlich der angewiesenen 100 000 DM erst am 2. Januar 1984 an dem Risiko der KG beteiligt gewesen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision. Er bestreitet, daß er berechtigt gewesen wäre, den Überweisungsauftrag noch am 30. Dezember 1983 zu widerrufen, und bezieht sich zum Beleg dieser Auffassung auf ein Urteil eines anderen Senats des Niedersächsischen FG vom 19. April 1983 VII 116/79 zu § 11 Abs. 2 EStG. Sowohl dieses Urteil als auch eine Auskunft der Landeszentralbank C besagten nach Auffassung des Klägers, daß er in den Überweisungsvorgang ab dem Zeitpunkt nicht mehr habe eingreifen können, zu dem der Betrag dem Konto der Landeszentralbank gutgeschrieben gewesen sei.
Der angefochtene Bescheid wurde durch Bescheid vom 11. August 1989 geändert. Der Kläger hat beantragt, diesen Bescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, und erklärt, daß sich durch diesen Bescheid der Verlustanteil, um dessen Ausgleichsfähigkeit gestritten werde, auf . . . DM erhöht habe. Dieser Betrag sei nunmehr Gegenstand des Verfahrens. Da die Erhöhung des Verlustanteils als solche nicht umstritten sei, könne der Bundesfinanzhof (BFH) auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG entscheiden. Auch das FA hat erklärt, daß die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes durch die Änderung des angefochtenen Bescheids nicht berührt worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Gegenstand des Verfahrens ist der Änderungsbescheid vom 11. August 1989 (§§ 68, 123 Satz 2 FGO).
2. Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht.
Diese Voraussetzungen lagen vor. Die Zuweisung des Verlustes führte zu einem negativen Kapitalkonto des Klägers. Denn der Kläger hatte seine Einlage vor Ablauf des Jahres 1983 noch nicht - auch nicht in Höhe der in Rede stehenden 100 000 DM - geleistet.
Eine Einlage ist erst dann geleistet, wenn dem Gesellschaftsvermögen von außen etwas zugeflossen ist, was das Vermögen und damit die Deckungsunterlage für die Gläubiger erhöht (Schilling in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, Auflage 1970, § 171 Anm. 16). Erforderlich ist eine tatsächliche Zuführung von Werten (Baumbach / Duden/ Hopt, Handelsgesetzbuch, 28. Aufl., § 171 Anm. 2; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 8. Juli 1985 II ZR 269/84, BGHZ 95, 188, 197), die zur Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten verwendet werden können. Dies ist bei der Zahlung der Einlage durch Banküberweisung jedenfalls dann noch nicht der Fall, wenn der vom Leistenden zur Zahlung angewiesene Geldbetrag lediglich dem Geldinstitut der Empfängerin (der Gesellschaft) gutgeschrieben ist, dieses aber seinerseits - wie vorliegend - über den Betrag noch nicht zugunsten der Empfängerin disponiert hat. Denn bei Banküberweisungen ist der Wert des überwiesenen Betrages erst dann dem Empfänger zugeführt, wenn die Gutschrift auf dem Empfängerkonto erfolgt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt entspricht nämlich nach allgemeinen Gepflogenheiten der Geschäftsbanken und Sparkassen die Empfängerbank (Sparkasse) einem evtl. Widerruf (sog. Überweisungsrückruf). Ein solcher Widerruf ist bis zur endgültigen Ausführung des Überweisungsauftrags, d. h. bis zur Gutschrift auf dem Empfängerkonto, möglich (BGH-Urteil vom 25. Januar 1988 II ZR 320/87, BGHZ 103, 143, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1988, 1320). Dies folgt daraus, daß es bei einer Banküberweisung zu dem Inhalt des Girovertrags gehört, daß der Auftrag durch Gutschrift durchgeführt wird (BGH-Urteil vom 12. Dezember 1957 II ZR 185/56, BGHZ 26, 167, 171, m. w. N., Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 19. März 1913 Rep I 403/12, RGZ 82, 95, sowie für die Frage des Erfüllungszeitpunkts BGH-Urteil vom 15. Mai 1952 IV ZR 157/51, BGHZ 6, 121), die Überweisung mithin bis zur Gutschrift beim Empfänger sich in einem Schwebezustand befindet, der einen jederzeitigen Rückruf erlaubt.
Nach dem Eingang der Überweisung bei der Empfängerbank hat die als Empfänger bezeichnete Person zwar grundsätzlich einen Rechtsanspruch gegenüber dieser Bank auf Vornahme der Gutschrift. Das Entstehen dieses Anspruchs ist indes nicht einem sofortigen Wertzufluß gleichzuachten. Denn die Vornahme der Gutschrift und damit die Beseitigung des Risikos eines evtl. Überweisungsrückrufs kann nicht innerhalb eines Tages erzwungen und technisch durchgeführt werden. Das Geldinstitut ist lediglich verpflichtet, die Gutschrift zum ,,frühest möglichen Zeitpunkt" (Canaris, Kommentar, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., Bd. III/3, Bankenvertragsrecht, 2. Bearbeitung Rdnr. 406), d. h. nach Maßgabe der Geschäftslage, insbesondere unter Berücksichtigung früher eingegangener Überweisungsvorgänge, vorzunehmen. Daß der Kläger seine Sparkasse noch am 30. Dezember 1983 hätte ersuchen können, die Gutschrift vorzunehmen, und daß die Sparkasse möglicherweise einem solchen Ersuchen nachgekommen wäre, ändert an der dargestellten Rechtslage nichts. Denn die Sparkasse A wäre nicht verpflichtet gewesen, unter Durchbrechung ihres normalen Betriebsablaufs innerhalb der wenigen Geschäftsstunden des letzten Arbeitstages des ablaufenden Jahres die Buchung wunschgemäß vorzunehmen.
Der dargestellten Rechtslage stehen die Urteile des BFH vom 26. September 1979 VI R 82/76 (BFHE 128, 539, 541), vom 14. Januar 1986 IX R 51/80 (BFHE 146, 48, BStBl II 1986, 453) und vom 22. Mai 1987 III R 47/82 (BFHE 150, 144, BStBl II 1987, 673) nicht entgegen. In jenen Fällen war darüber zu befinden, wann eine Zahlung beim Zahlenden abgeflossen i. S. § 11 Abs. 2 EStG bzw. wann eine Aufwendung i. S. des Berlinförderungsgesetzes getätigt worden war. Festzulegen war mithin der Zeitpunkt der Entrichtung des Leistenden, wogegen es im vorliegenden Falle auf den Zeitpunkt des Zuflusses beim Empfänger ankommt. Denn erst ab diesem Zeitpunkt ist die Deckungsunterlage für die Gläubiger der Gesellschaft als erhöht anzusehen.
Fundstellen
Haufe-Index 417507 |
BFH/NV 1991, 378 |
BFHE 1992, 27 |
BB 1991, 2050 |