Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung eines Verspätungszuschlages gegenüber einer GmbH bei verspäteter Anmeldung von Kapitalertragsteuer
Leitsatz (NV)
1. Ein Steuerpflichtiger handelt i. S. von § 152 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 unentschuldbar, wenn er diejenige Sorgfalt nicht anwendet, die ihm auf Grund der individuellen Umstände des Einzelfalles und seiner persönlichen Verhältnisse zuzumuten ist.
2. Ein Verspätungszuschlag kann auch gegenüber einer Kapitalgesellschaft festgesetzt werden.
3. Der Verspätungszuschlag dient dem Zweck, den rechtzeitigen Eingang von Steuererklärungen (Steueranmeldungen) und damit auch die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuer sicherzustellen. Seine Festsetzung ist regelmäßig geboten, wenn der Steuerpflichtige seine Erklärung (Anmeldung) mit erheblicher Verspätung abgibt und ihm daraus ein erheblicher wirtschaftlicher Vorteil erwächst.
Normenkette
AO 1977 § 152
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin ist eine in 1980 gegründete GmbH, die gemäß Art. 12 § 1 Abs. 1 Satz 1 der GmbH-Novelle vom 4. Juli 1980 (BGBl I 1980, 836) zum 31. 12. 1985 als aufgelöst gilt, weil sie ihr Stammkapital nicht auf mindestens 50 000 DM erhöhte.
Mit Schreiben vom 5. Mai 1988 teilte die Klägerin dem FA mit, am 20. 7. 1986 die Ausschüttung eines Gewinnanteils von 30 000 DM beschlossen zu haben. Die entsprechende Anmeldung von Kapitalertragsteuer (25 v. H. von 30 000 DM = 7500 DM) ging erst am 7. 7. 1988 beim FA ein. Dieses setzte deshalb am 18. 8. 1988 gegenüber der Klägerin einen Verspätungszuschlag in Höhe von 750 DM fest.
Mit ihrer Beschwerde machte die Klägerin u. a. geltend, sie habe die Kapitalertragsteuer-Anmeldung deshalb nicht einreichen können, weil ihr das FA keine Formulare übersandt habe. Die Beschwerde blieb ohne Erfolg. Die zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) vertrat in der Beschwerdeentscheidung die Auffassung, die Klägerin habe die Steueranmeldung unentschuldbar verspätet eingereicht. Der Höhe nach sei der Verspätungszuschlag angesichts des Zins- und Liquiditätsvorteils angemessen festgesetzt. Die Klage blieb ohne Erfolg.
Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 152 der Abgabenordnung (AO 1977).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorentscheidung verletzt kein Bundesrecht.
1. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 und 2 AO 1977, unter denen ein Verspätungszuschlag zu einer in Höhe von 7500 DM angemeldeten Kapitalertragsteuer festgesetzt werden kann, sind im Streitfall dem Grunde nach erfüllt. Die Klägerin war gemäß §§ 45 a, 43 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Abgabe einer Kapitalertagsteuer-Anmeldung bis zum 10. August 1986 verpflichtet (§§ 45 a Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 4 EStG). Sie reichte jedoch die Anmeldung erst am 7. Juli 1988 beim FA ein.
Die verspätete Abgabe ist unentschuldigt. Dazu ist von dem Verschuldensbegriff des § 152 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 auszugehen, der dem des § 110 Abs. 1 AO 1977 entspricht (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 152 AO 1977 Rdnr. 5). Danach handelt der Steuerpflichtige (§ 33 Abs. 1 AO 1977) unentschuldbar, der diejenige Sorgfalt nicht anwendet, die ihm auf Grund der individuellen Umstände des Einzelfalles und seiner persönlichen Verhältnisse zuzumuten ist. Dazu hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die Klägerin sich über ihre steuerlichen Anmeldepflichten nicht informiert hatte. Sie unternahm auch dann noch nichts, als das FA sie mit Schreiben vom 8. Juli 1987 zur Abgabe einer Kapitalertragsteuer-Anmeldung aufforderte.
Soweit die Klägerin die verspätete Abgabe mit dem Unfalltod der Eltern ihres Geschäftsführers im Jahre 1986 sowie mit den Schwierigkeiten auf ihrer Gesellschafterebene zu entschuldigen versucht, handelt es sich um einen vom FG in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellten Sachverhalt, der im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann.
2. Die Entscheidung des FA, einen Verspätungszuschlag wegen der verspäteten Abgabe der Kapitalertragsteuer-Anmeldung zu erheben und diesen gegenüber der Klägerin festzusetzen, läßt weder eine Überschreitung der dem FA eingeräumten gesetzlichen Ermessensgrenzen noch einen dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Ermessensgebrauch erkennen (§ 102 FGO).
a) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 12. Dezember 1990 I R 92/88 (BFHE 163, 299, BStBl II 1991, 384 entschieden, daß ein Verspätungszuschlag auch gegenüber einer Kapitalgesellschaft festgesetzt werden darf. An dieser Auffassung hält er fest. Entsprechend ist die angefochtene Verfügung nicht schon deshalb rechtswidrig, weil der Verspätungszuschlag nur gegen den gesetzlichen Vertreter der Klägerin hätte festgesetzt werden dürfen.
b) Allerdings muß die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob sie den Verspätungszuschlag gegen die Kapitalgesellschaft oder gegen deren für die fristgemäße Abgabe der Steuererklärung verantwortlichen gesetzlichen Vertreter festsetzt. Dazu hat der erkennende Senat in BFHE 163, 299, BStBl II 1991, 384 entschieden, daß die Festsetzung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Entsprechend kann sich die Finanzbehörde bei ihrer Ermessensausübung an dem Regel-Ausnahme-Verhältnis orientieren und den Verspätungszuschlag jedenfalls dann gegenüber der Kapitalgesellschaft festsetzen, wenn Anhaltspunkte für die Annahme eines Ausnahmefalles nicht zu erkennen sind. Diese Voraussetzung war auch im Streitfall erfüllt, weil sich weder aus dem unstreitigen Sachverhalt noch aus dem Vorbringen der Klägerin Gründe für eine ausnahmsweise Festsetzung des Verspätungszuschlages gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin ergaben.
c) In den Grenzen des § 102 FGO ist schließlich auch die Entscheidung des FA nicht zu beanstanden, überhaupt einen Verspätungszuschlag zu erheben. Der Verspätungszuschlag dient dem Zweck, den rechtzeitigen Eingang von Steuererklärungen (Steueranmeldungen) und damit auch die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuer sicherzustellen. Er hat damit gleichzeitig repressiven und präventiven Charakter (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. August 1988 V R 19/83, BFHE 154, 23, BStBl II 1988, 929), weshalb auch seine Festsetzung noch nach Eingang der verspätet abgegebenen Erklärung (Anmeldung) zulässig ist. Bei der Ausübung des Entschließungsermessens können die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 niedergelegten Kriterien für die Ermessensausübung besonders berücksichtigt werden. Deshalb ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlages regelmäßig geboten, wenn der Steuerpflichtige seine Erklärung (Anmeldung) mit erheblicher Verspätung abgibt und ihm daraus ein erheblicher wirtschaftlicher Vorteil erwächst. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn - wie im Streitfall - eine Steueranmeldung um 23 Monate verspätet abgegeben und deshalb auch die abzuführende Steuer 23 Monate verspätet entrichtet wird.
3. Die Festsetzung des Verspätungszuschlages ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie hält sich in den Grenzen des § 152 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 und orientiert sich an den Kriterien des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977. Insbesondere die Tatsache, daß die Klägerin aus der verspäteten Abführung der Kapitalertragsteuer einen persönlichen wirtschaftlichen Nutzungsvorteil zog, der mit mindestens 11,5 v. H. von 7500 DM zu bewerten ist, rechtfertigt die Bemessung des Verspätungszuschlages mit 10 v. H. von 7500 DM (vgl. BFH-Urteil vom 9. April 1987 IV R 7/86, BFH/NV 1988, 750).
Die von der Klägerin demgegenüber geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch. Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht keine Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit der Klägerin festgestellt. Solche ergeben sich auch nicht aus der Auflösung der Klägerin gemäß Art. 12 § 1 Abs. 1 Satz 1 der GmbH-Novelle vom 4. Juli 1980. Dann aber ist von dem vom FG festgestellten Sachverhalt auszugehen (§ 118 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 418171 |
BFH/NV 1992, 577 |