Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohneigentumsförderung: Umbauaufwendungen vor Übereignung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, teilentgeltlicher Erwerb, Anschaffung i.S. des § 10e EStG - Anschaffungskosten bei Übereignungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge - Aufwendungsersatzanspruch nach § 951 BGB
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für Umbaumaßnahmen an einem fremden bebauten Grundstück im Hinblick auf dessen künftigen (unentgeltlichen) Eigentumserwerb sind keine Anschaffungskosten i.S. des § 10e Abs.1 Satz 4 EStG.
Orientierungssatz
1. Eine Wohnung ist --nach der auch im Steuerrecht zu beachtenden Legaldefinition der Anschaffungskosten in § 255 HGB-- angeschafft i.S. des § 10e Abs.1 EStG, wenn sie im Austausch mit einer Gegenleistung erworben worden ist. Nach neuerer Rechtsprechung werden Vermögensübertragungen im Wege vorweggenommener Erbfolge nicht mehr als Schenkungen unter Auflage , sondern je nach Art der Leistung als voll unentgeltliche oder teilentgeltliche Rechtsgeschäfte beurteilt. Auch teilentgeltliche Erwerbe sind nach § 10e Abs.1 EStG begünstigt.
2. Wird ein Gebäude im Wege vorweggenommener Erbfolge unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts oder mit der Verpflichtung zur Einräumung eines Nutzungsrechts übertragen, ist von vorneherein das übertragene Vermögen gemindert. Die Einräumung des Nutzungsrechts ist keine Gegenleistung. Dagegen entstehen dem Übernehmer Anschaffungskosten, wenn er Gleichstellungsgelder oder Abstandszahlungen zu erbringen hat oder wenn er Verbindlichkeiten übernimmt.
3. Wer im Hinblick auf eine in der Zukunft vorgesehene (und später tatsächlich erfolgte) unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf eigene Rechnung Umbauaufwendungen am Gebäude vornimmt, hat keinen Aufwendungsersatzanspruch wegen einer ungerechtfertigten Bereicherung gegen den bisherigen Grundstückseigentümer nach § 951 Abs.1 BGB.
Normenkette
BGB § 951 i.V.m. § 812; EStG § 10e Abs. 1 S. 4, Abs. 2; HGB § 255
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Mutter des Klägers war Eigentümerin eines Zweifamilienhauses. Im Erdgeschoß wohnte sie selbst, das Obergeschoß bewohnten die Kläger mit ihren drei Kindern.
In den Jahren 1990 und 1991 ließ der Kläger das Gebäude für 53 517 DM umbauen. Die Erdgeschoßwohnung wurde verkleinert und ein Badezimmer eingebaut. Die Wohnung der Kläger wurde um ein Zimmer im Erdgeschoß erweitert. Für den Umbau zahlte die Kreisverwaltung einen Modernisierungszuschuß von 4 949,66 DM.
Im November 1991 übertrug die Mutter das Grundstück im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich auf den Kläger. An der Erdgeschoßwohnung behielt sie sich ein unentgeltliches Wohnrecht auf Lebenszeit vor.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 machten die Kläger die Grundförderung nach § 10e Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Steuerermäßigung nach § 34f Abs.2 EStG für ihre drei Kinder geltend. Sie gaben an, der Kläger habe die Baumaßnahmen auf eigene Rechnung durchgeführt. Als Bemessungsgrundlage (Anschaffungskosten) für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG setzten sie die Umbaukosten abzüglich des Modernisierungszuschusses an. Sie waren der Auffassung, der Kläger habe aufgrund der Umbauten gegen die Mutter einen Aufwendungsersatzanspruch gehabt, auf den er gegen Übertragung des Eigentums am Grundstück verzichtet habe. In Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs --vermindert um den Modernisierungszuschuß-- seien ihm Anschaffungskosten für das Grundstück entstanden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 1991 die begehrte Grundförderung nach § 10e Abs.1 EStG und die Steuerermäßigung nach § 34f Abs.2 EStG nicht.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus: Die Gewährung eines Abzugsbetrags nach §10e Abs.1 und Abs.2 EStG setze die Schaffung von Wohnraum voraus. Weder im Erdgeschoß noch im Obergeschoß habe der Kläger jedoch neuen Wohnraum geschaffen. Abgesehen davon seien dem Kläger bei der Übertragung des Grundstücks im Wege vorweggenommener Erbfolge auch keine Anschaffungskosten entstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führe nur die Übernahme von Verbindlichkeiten des Übergebers gegenüber Fremden zu Anschaffungskosten. Der Anspruch des Klägers gegen seine Mutter auf Aufwendungsersatz sei keine solche Verbindlichkeit.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 10e EStG. Sie führen aus: Nach § 10e Abs.1 Satz 4 EStG werde ein Abzugsbetrag auch für die Anschaffung einer Wohnung gewährt. Der Schaffung neuen Wohnraums bedürfe es nicht. Durch den Verzicht auf den Aufwendungsersatzanspruch gegen die Mutter seien dem Kläger Anschaffungskosten in Höhe von 48 569 DM entstanden. Auf seine eigene Wohnung entfielen hiervon 37 767 DM. Von dem höchstmöglichen Sonderausgabenabzug (37 767 DM x 6 % = 2 266 DM) werde nur der Betrag beansprucht, der zusammen mit der Steuerermäßigung nach § 34f Abs.2 EStG notwendig sei, um eine Einkommensteuer von 0 DM zu erreichen; das seien 1 603 DM.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für 1991 die Einkommensteuer auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Die vom Kläger durchgeführten Baumaßnahmen sind nicht nach § 10e Abs.1 EStG begünstigt. Damit steht ihm auch die Steuerermäßigung nach § 34f Abs.2 EStG nicht zu.
1. Der Steuerpflichtige kann die Grundförderung nach § 10e Abs.1 EStG in Anspruch nehmen, wenn er eine eigengenutzte Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus anschafft (§ 10e Abs.1 Satz 4 EStG). Bemessungsgrundlage für die Grundförderung sind die Anschaffungskosten.
Anschaffungskosten sind nach der --auch im Steuerrecht zu beachtenden-- Legaldefinition des § 255 Abs.1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Eine Wohnung ist daher i.S. des § 10e Abs.1 EStG angeschafft, wenn sie im Austausch mit einer Gegenleistung --also entgeltlich-- erworben worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1993 X R 53/91, BFHE 170, 186, BStBl II 1993, 346).
Ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft ist anzunehmen, wenn Leistung und Gegenleistung wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen werden. Bei Vermögensübertragungen im Wege vorweggenommener Erbfolge soll der Übernehmer nach dem Willen der Beteiligten wenigstens teilweise eine unentgeltliche Zuwendung erhalten (BFH-Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Nach neuerer Rechtsprechung werden Vermögensübertragungen im Wege vorweggenommener Erbfolge nicht mehr als Schenkungen unter Auflage, sondern je nach Art der Leistung als voll unentgeltliche oder teilentgeltliche Rechtsgeschäfte beurteilt (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Auch teilentgeltliche Erwerbe sind nach § 10e Abs.1 EStG begünstigt (BFH-Urteil vom 9. November 1994 X R 97/91, BFH/NV 1995, 506).
Wird ein Gebäude im Wege vorweggenommener Erbfolge unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts oder mit der Verpflichtung zur Einräumung eines Nutzungsrechts übertragen, ist von vornherein das übertragene Vermögen gemindert. Die Einräumung des Nutzungsrechts ist keine Gegenleistung (BFH-Urteil vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791). Dagegen entstehen dem Übernehmer Anschaffungskosten, wenn er Gleichstellungsgelder oder Abstandszahlungen zu erbringen hat oder wenn er Verbindlichkeiten übernimmt (so z.B. BFH in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, und in BFH/NV 1995, 506; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - -BMF-- vom 13. Januar 1993, BStBl I 1993, 80, Rz.7 bis 9).
2. Im Streitfall hat der Kläger das Zweifamilienhaus von seiner Mutter unentgeltlich erworben. Laut Übergabevertrag hat die Mutter ihrem Sohn das Grundstück im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts an der Wohnung im Erdgeschoß übertragen. Der Kläger hatte weder Verbindlichkeiten zu übernehmen noch war er zu Abstandszahlungen, Gleichstellungsgeldern oder einer sonstigen Geldleistung verpflichtet. Für das übertragene Vermögen hat er somit keine eigenen Aufwendungen erbracht und seine Mutter keinen Gegenwert erlangt.
3. Durch den Verzicht auf einen Aufwendungsersatzanspruch können dem Kläger schon deshalb keine Anschaffungskosten entstanden sein, weil ihm ein solcher Anspruch, auf den er hätte verzichten können, nicht zugestanden hat.
Wer aufgrund der §§ 946 bis 950 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen Rechtsverlust erleidet, kann nach § 951 Abs.1 Satz 1 BGB von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Bei Baumaßnahmen auf einem fremden Grundstück ist der Eigentümer des Grundstücks nur dann ungerechtfertigt bereichert, wenn die Rechtsänderung ohne rechtlichen Grund eingetreten, der rechtliche Grund später entfallen oder der mit der Leistung (den Baumaßnahmen) bezweckte Erfolg weggefallen ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Wie die Kläger in ihrem Einspruchsschreiben vom 10. Juni 1992 selbst vorgetragen haben, war die Mutter des Klägers mit den Umbaumaßnahmen einverstanden, weil dem Kläger das Eigentum an dem Grundstück ohnehin übertragen werden sollte. Der Kläger hat die Umbaumaßnahmen somit im Hinblick auf den künftigen Eigentumserwerb vorgenommen. In einem solchen Fall entsteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ein Aufwendungsersatzanspruch erst dann, wenn feststeht, daß der bezweckte Erfolg (die Eigentumsübertragung) nicht eintritt bzw. in dem Zeitpunkt, in dem feststeht, daß die Bereicherung (mangels Eigentumsübertragung) ungerechtfertigt ist (BGH-Urteil vom 12. Juli 1989 VIII ZR 286/88, BGHZ 108, 256, 261, m.w.N.). Da die Mutter das Eigentum erwartungsgemäß übertragen hat, stand dem Kläger ein Aufwendungsersatzanspruch somit nicht zu. Im übrigen war die Mutter mit der Übertragung des Eigentums auf den Kläger durch die Baumaßnahmen an dem Grundstück auch nicht mehr bereichert.
Auf Tz.17, 42 des BMF-Schreibens vom 31. Dezember 1994 (BStBl I 1994, 887) kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil darin nur der Fall geregelt wird, daß der Steuerpflichtige eine Wohnung auf fremdem Grund und Boden herstellt. Soweit die Oberfinanzdirektion Münster (Verfügung vom 19. Januar 1993, Finanz-Rundschau 1993, 311, 312, linke Spalte) in diese Regelung Erweiterungen und Ausbauten i.S. des § 10e Abs.2 EStG an einem fremden Gebäude einbezieht, fallen darunter jedoch nicht Baumaßnahmen an einem fremden Gebäude, die bei Durchführung auf dem eigenen Grundstück nicht nach § 10e Abs.1 oder Abs.2 EStG begünstigt wären.
Für nachträgliche Herstellungsmaßnahmen an einem unentgeltlich erworbenen bebauten Grundstück steht dem Eigentümer keine Grundförderung nach § 10e Abs.1 oder Abs.2 EStG zu (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 1995 X R 59/95, BFHE 179, 286, BStBl II 1996, 356). Es wäre nicht gerechtfertigt, die Förderung (über § 10e Abs.1 Satz 4 EStG) für Umbaumaßnahmen wie im Streitfall zu gewähren, nur weil sie der Steuerpflichtige im Einverständnis mit dem Eigentümer vor der unentgeltlichen Übertragung durchgeführt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 65892 |
BFH/NV 1997, 170 |
BStBl II 1998, 100 |
BFHE 182, 149 |
BFHE 1997, 149 |
BB 1997, 671 (Leitsatz) |
DB 1997, 709-710 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 531-533 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 318 (Leitsatz) |
HFR 1997, 389 (Leitsatz) |
StE 1997, 186 (Kurzwiedergabe) |