Leitsatz (amtlich)
Die Steuerbegünstigung nach § 5 der Verordnung über die steuerliche Begünstigung von Wasserkraftwerken vom 26. Oktober 1944 (RStBl 1944, 657) in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juli 1957 (BGBl I 1957, 807) erstreckt sich auch auf das Betriebskapital, das für die Errichtung und den Betrieb der Wasserkraftwerke erforderlich ist, deren Bau am Bewertungsstichtag bereits begonnen ist.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine AG, deren Geschäftszweig der Bau und Betrieb von Wasserkraftwerken ist. Bei der Wertfortschreibung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1961 stellte das FA den Einheitswert auf ... DM fest.
Mit dem Einspruch begehrte die Klägerin, die ausstehenden Einlagen auf das Grundkapital sowie die im Umlaufvermögen enthaltenen Bankguthaben nach § 2 der Verordnung über die steuerliche Begünstigung von Wasserkraftwerken vom 26. Oktober 1944 (RStBl 1944, 657) nicht zu bewerten. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auch die Berufung, die vom FG nach dem Inkrafttreten der FGO als Klage behandelt wurde, blieb erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus: Eine Steuerbegünstigung für die ausstehenden Einlagen auf das Grundkapital und für die im Umlaufvermögen enthaltenen Bankguthaben komme nicht in Betracht. Der Begriff "Anlagen" in § 2 der Verordnung vom 26. Oktober 1944 (a. a. O.) sei zwar nicht eng auszulegen. Ob dazu auch Geldmittel gehörten, lasse sich nicht generell sagen. Sicher gehörten dazu diejenigen Mittel, die zum ordnungsmäßigen Betrieb des Kraftwerks laufend erforderlich seien, z. B. für Lohn- und Gehaltszahlungen, für Unkosten usw. Bei einem Betrag von über 15 000 000 DM, um den es hier gehe, lasse schon die Höhe erkennen, daß es sich nicht um laufende Betriebsmittel handeln könne. Es sei unstreitig, daß es sich um Kapital handele, das zum Bau weiterer Kraftwerke bereitgestellt und später dazu auch verwandt worden sei. Was über die erforderliche normale Ausstattung mit Betriebsmitteln hinausgehe, gehöre nicht mehr zu den Anlagen. Außerdem fehle am Bewertungsstichtag der Zusammenhang mit bestimmten Anlagen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben könne nicht darin erblickt werden, daß das FA früher den Nichtansatz zugelassen habe.
Mit der Revision wird beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die ausstehenden Einlagen auf das Grundkapital sowie die Bankguthaben der Klägerin nach der Verordnung vom 26. Oktober 1944 (a. a. O.) nicht zu bewerten. Die Klägerin rügt unrichtige Rechtsanwendung. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Unter dem Begriff "Anlagen" in § 2 der Verordnung sei das Vermögen zu verstehen, das für den ordnungsgemäßen Betrieb eines Wasserkraftwerks notwendig sei. Entsprechend gehöre während des Baues eines Wasserkraftwerks zu den begünstigten Anlagen das Vermögen, das zur Herstellung dieses Kraftwerks diene. Demzufolge seien auch Vermögenswerte wie Forderungen und Bankguthaben (Geldmittel) begünstigt, wenn am Bewertungsstichtag eindeutig feststehe, daß sie der Herstellung oder Anschaffung der für ein begünstigtes Wasserkraftwerk benötigten Wirtschaftsgüter dienten. Die im Streit stehenden Vermögenswerte seien ausschließlich zur Finanzierung der am Bewertungsstichtag in Bau befindlichen Wasserkraftwerke bestimmt gewesen und in der Folgezeit auch nachweislich dazu verwendet worden. Sie gehörten demnach zu den steuerbegünstigten Anlagen, die während der Bauzeit nicht zu bewerten seien. Würden sie nicht einbezogen, so entstünde nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich ein sinnwidriges Ergebnis, da das Unternehmen dann entgegen der ausgesprochenen Zielsetzung der Verordnung während der ertraglosen Bauzeit stärker belastet wäre als in der nach dem Ziel des Verordnungsgebers in geringerem Maße begünstigten Betriebszeit. Die Finanzverwaltung habe seit Einführung der Steuerbegünstigung auch immer diesen Standpunkt eingenommen. Ernstmals im Jahre 1963 habe sie einen gegenteiligen Standpunkt vertreten. Deshalb verstoße die nunmehrige Ablehnung der Begünstigung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält die Vorentscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, daß die ausstehenden Einlagen auf das Grundkapital und die Bankguthaben überhaupt nicht in die Steuerbegünstigung nach der Verordnung über die steuerliche Begünstigung von Wasserkraftwerken vom 26. Oktober 1944 (a. a. O.) in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juli 1957 (BGBl I 1957, 807) einbezogen werden können. Die steuerliche Begünstigung erstreckt sich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung auf "die Anlagen zur Erzeugung elektrischer Arbeit durch Wasserkräfte (Wasserkraftwerke)". Zu den Wasserkraftwerken gehören nach Satz 2 dieser Vorschrift auch die Anlagen zur Fortleitung der erzielten elektrischen Arbeit bis zu den Abspannketten der Fernleitungen. Der Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß der Begriff "Anlagen" nicht zu eng ausgelegt werden darf. Er tritt der Auffassung von Melchinger (Die Verordnung über die steuerliche Begünstigung von Wasserkraftwerken S. 29) bei, daß man darunter auch das notwendige Betriebskapital zu verstehen hat, soweit es zum Bau und zum Betrieb der steuerbegünstigten Anlagen erforderlich ist. Eine wörtliche Anwendung der Vorschrift würde nach Meinung des Senats zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen.
Es muß jedoch berücksichtigt werden, daß der Gesetzgeber die Steuerbegünstigung nach § 3 der Verordnung u. a. an die Voraussetzung geknüpft hat, daß der "Baubeginn" in einen bestimmten Zeitraum fällt. Die Steuerbegünstigung kann also überhaupt erst praktisch werden, wenn mit den Bauarbeiten begonnen worden ist. Von diesem Augenblick an ist dann auch das zur Vollendung der in Bau befindlichen Anlagen zu ihrem späteren Betrieb erforderliche Betriebskapital in die Steuerbegünstigung einzubeziehen. In den meisten Fällen bedeutet das allerdings die Steuerbefreiung für das ganze Betriebsvermögen, weil es sich nur um den Bau eines Wasserkraftwerks handeln wird. Daraus erklärt sich auch, daß in den von der Klägerin angegebenen Beispielen im Erlaß des RdF S 2506-105 III vom 26. Oktober 1944 (RStBl 1944, 658) offensichtlich davon ausgegangen wird, daß ein Einheitswert des Betriebsvermögens erstmals auf den dem Betriebsbeginn folgenden 1. Januar festzustellen ist. Die Sache ist aber anders zu beurteilen, wenn ein Unternehmen nicht nur ein, sondern mehrere Wasserkraftwerke bauen will. Der Senat ist der Auffassung, daß in diesen Fällen die Steuerbegünstigung für jedes einzelne Wasserkraftwerk erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem mit dem Bau der dafür erforderlichen Anlagen begonnen wird, d. h. mit dem ersten Spatenstich. Diese Auffassung entspricht auch der in dem Erlaß des RdF vom 26. Oktober 1944 (a. a. O.) zu § 2 der Verordnung enthaltenen Anweisung, daß die Laufzeit für die Steuerermäßigung für den Fall, daß mehrere Wasserkraftwerke in zeitlicher Aufeinanderfolge errichtet werden, für jedes einzelne Wasserkraftwerk besonders beginnt. Das für dieses Wasserkraftwerk erforderliche Betriebskapital wird also auch erst in diesem Zeitpunkt in die Steuerbegünstigung einbezogen. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war sie aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG wird noch festzustellen haben, ob überhaupt und in welcher Höhe die ausstehenden Einlagen auf das Grundkapital und die Bankguthaben auf die Wasserkraftanlagen entfallen, mit deren Bau am Stichtag vom 1. Januar 1961 bereits begonnen worden war. In dieser Höhe wird das FG diese Posten in die Steuerbegünstigung nach der Verordnung vom 26. Oktober 1944 einzubeziehen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 69432 |
BStBl II 1971, 389 |
BFHE 1971, 547 |