Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn die Beteiligung an einer GmbH nicht zum Betriebsvermögen, sondern zum Privatvermögen des Kaufmanns gehört, können Vermögenszuwendungen aus dem Betriebsvermögen an die GmbH, z. B. die Gewährung von Darlehen, Betriebsvorgänge sein, wenn die Vermögenszuwendungen im Interesse des Betriebes des Kaufmanns und nicht im Interesse der GmbH und der Werterhaltung oder der Wertsteigerung der Beteiligung gemacht werden. EStG § 4 Abs. 4, § 6 Abs. 1 Ziff. 2.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 6/1/2
Tatbestand
Streitig ist bei den einheitlichen Gewinnfeststellungen für 1952 und 1953 der beschwerdeführenden Gesellschaft (Bfin.), ob sie in ihren Bilanzen vom 31. Dezember 1952 und 1953 auf Darlehen an eine GmbH Teilwertabschreibungen vornehmen durfte.
Schwiegervater und Schwiegersohn betrieben eine OHG, an der sie zu gleichen Teilen beteiligt waren und die sich mit dem Großhandel in Textilien befaßte. Der Schwiegersohn hatte gleichzeitig auf Provisionsbasis als Handelsvertreter die Vermittlung und den Abschluß von Textillieferungsgeschäften zwischen inländischen und ausländischen Herstellern und Großhändlern übernommen und aus diesem Unternehmen durch Aufnahme seines Schwiegervaters als gleichberechtigtem Gesellschafter ab 1. Januar 1951 die Bfin. gegründet. Als sich herausstellte, daß die OHG oft größere, von Fabrikanten übernommene Posten von Textilwaren im Großhandel nicht mehr absetzen konnte, diese Posten sich aber voraussichtlich im Einzelhandel noch günstig verkaufen ließen, und daß außerdem die Bfin. gelegentlich solche im Einzelhandel günstig zu verwertende Restposten von ihren Geschäftsherren angeboten erhielt, gründeten die Gesellschafter der Bfin. neben der OHG im Juni 1950 noch eine GmbH mit einem Stammkapital von 20 000 DM, das die beiden Gesellschafter der Bfin. je zur Hälfte übernahmen und als ihr Privatvermögen behandelten.
Als die GmbH kurz nach ihrer Gründung in finanzielle Schwierigkeiten geriet, gewährten ihr die Gesellschafter der Bfin. ab Januar 1952 laufend erhebliche Darlehen, die im Dezember 1952 über das Privatkonto der Gesellschafter als Darlehnsforderungen der Bfin. gegen die GmbH eingebracht wurden, am 31. Dezember 1952 97 408,69 DM betrugen und durch weitere Darlehen am 31. Dezember 1953 auf 195 186,06 DM anstiegen. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der GmbH nahm die Bfin. auf diese Darlehnsforderungen in der Bilanz vom 31. Dezember 1952 eine Teilwertabschreibung (Delkredere-Rückstellung) von 32 500 DM und in der Bilanz vom 31. Dezember 1953 eine weitere Teilwertabschreibung von 37 350 DM vor.
Die Bfin. trug zur Rechtfertigung dieser Gewinnminderungen folgendes vor. Die drei Unternehmen seien wirtschaftlich als eine Einheit anzusehen, und es sei deshalb nicht von Bedeutung, bei welchem der Unternehmen die der GmbH gewährten Darlehen als Betriebsvorgänge behandelt würden. Aus der engen Verbindung der Unternehmen ergebe sich, daß die Beteiligungen an der GmbH zum notwendigen Betriebsvermögen der Bfin. oder der OHG gehörten und daß die Bilanzen insoweit richtiggestellt werden müßten. Selbst wenn man aber die Beteiligung zum Privatvermögen der Gesellschafter der Bfin. rechne, so seien doch die Darlehen ausschließlich aus betrieblichen Gründen gegeben worden. Die Fabrikanten und die Großhändler, die an die GmbH geliefert hätten, seien zum großen Teil Unternehmen, mit denen die Bfin. und die OHG in Geschäftsverbindung stünden, und die es als selbstverständlich angesehen hätten, daß die Bfin. oder die OHG für die Verbindlichkeiten der GmbH einstehen würde, wenn die GmbH nicht zur Zahlung in der Lage wäre. Nur unter diesen stillschweigenden Voraussetzungen hätten diese Geschäftsfreunde der GmbH geliefert. Die ertragreichen Geschäftsbeziehungen der Bfin. zu ihren Geschäftsherren wären in erheblichem Umfang beeinträchtigt worden, wenn diese Geschäftsherren als Gläubiger der GmbH Verluste erlitten hätten. Das hätten sich die Gesellschafter der Bfin. und der OHG als in der Textilwirtschaft angesehene Kaufleute nicht leisten können.
Das Finanzamt und der Steuerausschuss erkannten die Teilwertabschreibungen auf die Darlehen nicht an. Die GmbH-Anteile seien kein notwendiges Betriebsvermögen der Bfin. Daraus folge, daß die im Jahre 1952, zu einer Zeit, als die GmbH schon konkursreif gewesen sei, gegebenen Darlehen bei der Bfin. den Gewinn nicht berührende Entnahmen und bei der GmbH Einlagen seien.
Die Berufung der Bfin. hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Daraus, daß die Gesellschafter der Bfin. mit der Gründung der GmbH ihre auch durch die Bfin. vermittelten Möglichkeiten der Gewinnerzielung auf dem Textilsektor hätten ausnutzen wollen, könne nicht gefolgert werden, daß die Beteiligung an der GmbH zum notwendigen Betriebsvermögen der Bfin. gehöre. Die an sich bestehende Möglichkeit, die Beteiligung zum gewillkürten Betriebsvermögen der Bfin. zu machen, sei nicht mehr gegeben gewesen, als die GmbH notleidend geworden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die GmbH im Jahr 1952 bereits konkursreif gewesen sei; in jedem Fall habe sie sich schon in großen finanziellen Schwierigkeiten befunden. Wenn die Gesellschafter der Bfin. bei dieser ihnen bekannten Sachlage der GmbH Darlehen gegeben hätten, so habe das nicht im Interesse der Bfin., sondern nur im privaten Interesse der Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der GmbH gelegen. Die Darlehen könnten deshalb nicht als Betriebsvorgänge der Bfin. behandelt werden.
Mit ihrer Rb. rügt die Bfin. zunächst, daß das Finanzgericht die Steuerakten der GmbH beigezogen, ihr davon aber keine Kenntnis gegeben habe. Diese Akten seien offensichtlich für die Beurteilung der finanziellen Lage der GmbH in den Streitjahren von Bedeutung gewesen. Die Tatsache, daß sich die GmbH im Jahre 1952 in gewissen finanziellen Schwierigkeiten befunden habe, schließe nicht aus, daß ihr die Bfin. aus betrieblichen Erwägungen Darlehen gewährt habe, damit die GmbH über diese Schwierigkeiten hinwegkomme. Das Finanzgericht habe nicht zu der Behauptung Stellung genommen, daß die Bfin. durch die Hingabe der Darlehen vorwiegend im eigenen betrieblichen Interesse gehandelt habe, weil sie es sich nicht habe leisten können, daß die von ihr vertretenen Unternehmen als Gläubiger der GmbH Verluste erlitten hätten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die Verfahrensrüge ist nicht begründet. Die Vorentscheidung ließ es ausdrücklich dahingestellt, ob die GmbH im Jahr 1952 bereits konkursreif war, und beschränkte sich auf die Feststellung, daß sich die GmbH zur Zeit der Hingabe der Darlehen in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe. Diese Feststellung entspricht dem eigenen Vortrag der Bfin. und ist nicht streitig. Es ist also nicht ersichtlich, inwiefern das Finanzgericht aus den beigezogenen Steuerakten der GmbH Schlüsse gezogen haben sollte. Der Bfin. kann zugegeben werden, daß das Finanzgericht sie von der Beiziehung der Steuerakten hätte in Kenntnis setzen sollen. Ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 288 Ziff. 2 AO liegt jedoch nicht vor.
Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß die Beteiligung an der GmbH weder bei ihrer Gründung noch in den Streitjahren zum notwendigen Betriebsvermögen der Bfin. gehörte. Denn die GmbH war weder dazu bestimmt, dem Betrieb der Bfin., die sich mit der Vermittlung von Handelsgeschäften befaßte, in erheblichem Umfang zu dienen, noch bildete sie eine sachlich verselbständigte Abteilung der Bfin. Daß die Bfin. im Rahmen ihrer geschäftlichen Betätigung der GmbH günstige Geschäfte vermitteln konnte und ihr bei dem Aufbau eines Einzelunternehmens auf finanziellem und organisatorischem Gebiet behilflich war, genügte nicht, um die Gesellschafter der Bfin. zu zwingen, ihre Beteiligung an der GmbH in das Betriebsvermögen der Bfin. oder der OHG einzubringen. Die Beteiligung gehörte also in den Streitjahren zum Privatvermögen der Gesellschafter der Bfin.
In der Regel ist davon auszugehen, daß Aufwendungen, die Gesellschafter im Interesse der zu ihrem privaten Vermögen gehörenden Beteiligung und der betrieblichen Interessen der GmbH machen, ihre Privatsphäre betreffen. Entnehmen die Gesellschafter die Mittel für solche Aufwendungen aus ihrem gewerblichen Betrieb und führen sie auf diese Weise Vermögensverschiebungen zwischen diesem Betrieb und der GmbH herbei, so liegen in der Regel den Gewinn des Gewerbebetriebs nicht berührende Entnahmen und Einlagen oder private Darlehnsforderungen an die GmbH vor, weil die Gesellschafter nicht im betrieblichen Interesse des Unternehmens, sondern in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der GmbH handeln (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 44/35 vom 6. Februar 1935, RStBl 1935 S. 941). Anders liegen in der Regel die Verhältnisse dann, wenn die GmbH-Anteile zum notwendigen Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs der Gesellschafter gehören. Dann sind grundsätzlich alle Leistungen im Interesse der GmbH, mögen sie sich als Darlehen, als Bürgschaften oder als andere der GmbH Vermögen zuwendende Rechtsgeschäfte darstellen, Aufwendungen im Interesse der zum Betriebsvermögen gehörenden Beteiligung, die auf dem Beteiligungskonto oder als Ansprüche gegen die GmbH zu aktivieren sind, und die dann zu Verlusten des Gewerbebetriebs führen, wenn der Teilwert der Beteiligung oder der Forderungen niedriger als der sich aus den Anschaffungskosten ergebende Buchwert ist (z. B. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 562/35 vom 28. Oktober 1936, RStBl 1936 S. 383, und VI 290/38 vom 14. September 1938, RStBl 1939 S. 229).
Diese Grundsätze schließen nicht aus, daß entweder Aufwendungen im Interesse einer GmbH, deren Anteile zum Betriebsvermögen der Gesellschafter gehören, ausschließlich den privaten Bereich der Gesellschafter betreffen und deshalb nicht als den Buchwert erhöhende zusätzliche Anschaffungskosten oder als Betriebsforderungen behandelt werden dürfen, z. B. um einem Angehörigen als Geschäftsführer der GmbH die Lebensstellung zu erhalten, oder daß umgekehrt trotz der Zugehörigkeit der Beteiligung zum Privatvermögen der Gesellschafter Aufwendungen der Gesellschafter für die GmbH ausschließlich oder überwiegend aus betrieblichen Gründen gemacht werden. Dann wird zwar die zum Privatvermögen gehörende Beteiligung durch solche betriebliche Aufwendungen weder zum notwendigen noch zum gewillkürten Betriebsvermögen. Handelt es sich um zusätzliche Aufwendungen für die Beteiligung, so erhöhen sie die Anschaffungskosten der Beteiligung und müssen in der Bilanz des Unternehmens, in dessen Interesse sie gemacht werden, als aktives Wirtschaftsgut ausgewiesen werden. Dieses Wirtschaftsgut kann dann den Charakter einer Beteiligung mit der Maßgabe haben, daß die ursprüngliche Beteiligung in Höhe des Nennkapitals im Privatvermögen verbleibt und die zusätzlichen Aufwendungen als weitere Beteiligung im Betriebsvermögen ausgewiesen werden. Die Zuwendungen an die GmbH können auch in der Form von Darlehen gemacht werden. Dann gehören die Darlehnsforderungen zum Betriebsvermögen, während die Beteiligung im Privatvermögen verbleibt. Das gilt auch dann, wenn die Darlehen Einlagecharakter haben und bei der GmbH verdecktes Kapital darstellen.
Geht man von diesen Grundsätzen im vorliegenden Fall aus, so schließt die Zugehörigkeit der Beteiligung an GmbH, soweit es sich um den Nennbetrag des Stammkapitals handelt, zum Privatvermögen der Gesellschafter der Bfin. nicht aus, daß die Gewährung der Darlehen an die GmbH betriebliche Vorgänge der Bfin. waren, wenn die Gesellschafter diese Aufwendungen überwiegend nicht in ihrem privaten Interesse als Gesellschafter der GmbH, sondern in ihrer Eigenschaft als Mitunternehmer der Bfin. und der OHG in deren betrieblichem Interesse machten. Das Finanzgericht mußte sich deshalb mit der Behauptung der Bfin. auseinandersetzen, daß es sich die Gesellschafter als Textilkaufleute im Interesse ihres guten kaufmännischen Rufes und Namens nicht hätten leisten können, die Geschäftsfreunde der Bfin. und der OHG als Gläubiger der GmbH Verluste erleiden zu lassen, und daß die Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Mitunternehmer der Bfin. und der OHG zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen dieser Betriebe für die Schulden der GmbH einzutreten gezwungen gewesen seien. Wenn es richtig ist, daß die Bfin. und die OHG in einem nicht unbedeutenden Umfange ihre geschäftlichen Beziehungen für den Betrieb der GmbH zur Verfügung stellten und die Gläubiger der GmbH auch jahrelange Geschäftsfreunde der Bfin. und der OHG waren, so liegt es nicht fern, die Hingabe der Darlehen als durch die Betriebe der Bfin. und der OHG veranlaßt anzusehen. Hier handelt es sich um auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellungen, die das Finanzgericht am zweckmäßigsten auf Grund einer mündlichen Verhandlung treffen muß. Dazu wird es einer Untersuchung bedürfen, inwieweit die Lieferanten der GmbH bedeutsame Geschäftsfreunde der Bfin. und der OHG waren, ob, auch soweit sich in dieser Hinsicht keine Feststellungen treffen lassen, der gute Ruf der Gesellschafter auf dem Spiele stand und ob eine Beeinträchtigung dieses Rufes zu einer entsprechenden Schädigung der Gewinnaussichten der Bfin. und der OHG geführt hätte. Da in dieser Hinsicht die Interessen der Bfin. und der OHG in etwa gleichliegen und an beiden Unternehmen die Gesellschafter in demselben Umfang beteiligt sind, ist es, wenn die betriebliche Veranlassung bejaht werden kann, nicht von entscheidender Bedeutung, in welchem der beiden Unternehmen die Darlehen als zusätzlicher Aufwand für die Beteiligung behandelt werden.
Kommt das Finanzgericht zu dem Ergebnis, daß der betriebliche Anlaß für die Hingabe der Darlehen anerkannt werden kann, so muß es weiter prüfen, ob schon in den Bilanzen vom 31. Dezember 1952 und 1953 ein Anlaß zu einer Teilwertabschreibung vorlag.
Fundstellen
Haufe-Index 411181 |
BStBl III 1964, 424 |
BFHE 1964, 524 |
BFHE 79, 524 |
BB 1964, 913 |
DB 1964, 1247 |
DStR 1964, 462 |