Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Berechnung der Erbschaftsteuer bei Vorliegen einer Erbschaftsteuerversicherung, wenn die Versicherungssumme die zu tilgende Erbschaftsteuerschuld übersteigt.
Normenkette
ErbStG §§ 18a, 19
Tatbestand
Der Bg. ist Alleinerbe seiner am 26. November 1954 verstorbenen Ehefrau. Die Erblasserin hatte einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen und darin bestimmt, daß die Versicherungssumme bei ihrem Ableben zur Zahlung der Erbschaftsteuer an das Finanzamt abzuführen sei. Die Versicherungssumme betrug 304.846,20 DM. Sie wurde dem Finanzamt von der Versicherungsgesellschaft am 30. Dezember 1954 überwiesen. Streitig ist die Berechnung der nach § 18 a Abs. 1 und Abs. 5 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in der Fassung des Gesetzes zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes vom vom 23. Juli 1953 (BGBl 1953 I S. 687) steuerbegünstigten Versicherungssumme. Das Finanzamt hat die Steuer in dem vorläufigen Steuerbescheid vom 21. November 1955 wie folgt ermittelt:
Reinnachlaß ohne Berücksichtigung der Erbschaftsteuerversicherung ............ 297.965,00 DM Freibetrag .............................. 20.000,00 DM steuerpflichtig ........................ 277.965,00 DM Erbschaftsteuer hiervon ................. 33.355,20 DM (Steuersatz 12 %) Erbschaftsteuerversicherung ............ 304.846,20 DM hiervon auf Erbschaftsteuer anzurechnen - 33.355,20 DM ........................................ 271.491,00 DM. Demnach zu versteuernder Nachlaß ....... 277.965,00 DM ..................................... + 271.491,00 DM ........................................ 549.456,00 DM Erbschaftsteuer (Steuersatz 18 %) ....... 98.901,00 DM. Der Bg. ist der Ansicht, daß die vom Finanzamt vorgenommene Berechnung der Erbschaftsteuer gegen den Wortlaut des § 18 a Abs. 1 ErbStG verstoße. Danach sei die Versicherungssumme insoweit unberücksichtigt zu lassen, als sie zur Tilgung der Erbschaftsteuerschuld diene. Hier sei aus der Versicherungssumme ein weit höherer Betrag als die vom Finanzamt errechneten 33.355,20 DM zu tilgen. Es handle sich zwar um eine schwierige Berechnung, da ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen steuerfreier Versicherungssumme und Erbschaftsteuerbetrag bestehe. Hieran dürfe aber die richtige Steuerfestsetzung nicht scheitern.
Der Einspruch des Bg. hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt bezieht sich in der Einspruchsentscheidung auf das Schrifttum, insbesondere Henckel (Steuer und Wirtschaft 1951 Sp. 609), Megow, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 3. Aufl., Anm. XIII zu § 18 a ErbStG. Die Auffassung des Bg. erfordere umfangreiche Annäherungsrechnungen, die der Absicht des Gesetzgebers auf Vereinfachung der Berechnung widersprächen. In der Berufung hat der Bg. an seiner Auffassung festgehalten.
Das Finanzgericht hat sich der Auffassung des Bg. angeschlossen. Das angefochtene Urteil beruht im wesentlichen auf folgenden überlegungen:
Aus der Entstehungsgeschichte des § 18 a ErbStG in der Fassung des Gesetzes zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes vom 23. Juli 1953 lasse sich die vom Bg. erstrebte Berechnung der Erbschaftsteuer nicht herleiten. Jedoch spreche der jetzt gültige Wortlaut der Vorschrift gegenüber der früheren Fassung des § 18 a ErbStG in Art. IV Ziff. 5 des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 der Militärregierung (Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen 1948 S. 129, 140) für die Ansicht des Bg. Der Wortlaut entscheide (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1952, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1 S. 299, 312).
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Der § 18 a ErbStG (ß 19 ErbStG 1959) wurde durch das Gesetz Nr. 64 der Militärregierung betreffend vorläufige Neuordnung von Steuergesetzen eingeführt. Er hatte folgenden Wortlaut:
Wenn in einem Lebensversicherungsvertrage bestimmt ist, daß die Versicherungssumme zur Zahlung der Erbschaftsteuer dienen soll und nach dem Tode des Versicherungsnehmers an das Finanzamt abzuführen ist, so ist diese Versicherungssumme bei Feststellung des steuerpflichtigen Erwerbes von Todes wegen unberücksichtigt zu lassen.
Die Vergünstigung tritt nicht ein, wenn
die Versicherungssumme vor dem Tod des Versicherungsnehmers fällig wird oder
in dem Lebensversicherungsvertrag ein bestimmter Bezugsberechtigter genannt ist.
übersteigt die Versicherungssumme den hiernach berechneten Steuerbetrag, so ist der Unterschiedsbetrag dem dadurch Bereicherten zuzurechnen und die Steuerfestsetzung zu berichtigen.
Die Vergünstigung tritt nur ein, soweit der Erblasser sein Vermögen Angehörigen der Steuerklassen I oder II hinterläßt und die Versicherungssumme binnen eines Monats nach dem Tode des Versicherungsnehmers an eine Finanzkasse abgeführt ist. Das Versicherungsunternehmen ist verpflichtet, sobald es von dem Tode des Versicherungsnehmers Kenntnis erhalten hat, unverzüglich die Abführung der Versicherungssumme zu veranlassen.
Das Finanzgericht hat zugegeben, daß die Berechnung der Erbschaftsteuer nach dieser Bestimmung im Sinne des Finanzamts vorzunehmen gewesen sei. Die zur Erbschaftsteuerzahlung bestimmte Versicherungssumme sei bei Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs unberücksichtigt zu lassen. Der Unterschiedsbetrag zwischen Steuerbetrag und übersteigender Versicherungssumme sei dem Bereicherten zuzurechnen und die Steuerfestsetzung zu berichtigen gewesen (ß 18 a Abs. 3 a. a. O.). Es sei also nicht die Versicherungssumme, die zur Tilgung der gesamten Erbschaftsteuer benötigt worden sei, begünstigt worden, sondern nur der Teilbetrag, der sich als Steuerschuld der Personen der Steuerklasse I oder II ohne Berücksichtigung der Versicherungssumme ergeben habe. Technische Schwierigkeiten hätten dabei nicht auftreten können. § 18 a ErbStG in der ursprünglichen Fassung wurde durch das Gesetz zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes vom 30. Juni 1951 (BGBl 1951 I S. 764) geändert. Die Neufassung lautet:
Abs. 1: Wenn in einem Lebensversicherungsvertrag bestimmt ist, daß die Versicherungssumme zur Bezahlung der Erbschaftsteuer zu verwenden und nach dem Tode des Versicherungsnehmers an das Finanzamt abzuführen ist, so ist die Versicherungssumme bei Feststellung des steuerpflichtigen Erwerbes von Todes wegen insoweit unberücksichtigt zu lassen, als sie zur Tilgung der Steuer von Personen der Steuerklasse I oder II dient. Abs. 5: übersteigt die Versicherungssumme die aus ihr zu tilgenden Steuerbeträge, so findet die Steuervergünstigung des Absatzes 1 auf den Unterschiedsbetrag keine Anwendung. Der Unterschiedsbetrag ist dem Erwerb des nach Abs. 3 Berechtigten oder, wenn ein solcher nicht benannt ist, dem Erwerb der Erben hinzuzurechnen.
In der Fassung des ErbStG 1953 ist gegenüber dem ErbStG 1951 nur insofern eine änderung enthalten, als die Steuervergünstigung auch auf die Lastenausgleichsversicherung ausgedehnt wurde. In der allgemeinen Begründung zum Gesetz zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes vom 30. Juni 1951 (BStBl 1951 I S. 571) ist ausgeführt:
"Der durch Gesetz Nr. 64 eingeführte § 18 a, der eine steuerliche Vergünstigung der sogenannten Erbschaftsteuerversicherungen vorsieht, bedarf der änderung. Der bisherige § 18 a ordnet im Absatz 2 an, daß die Steuervergünstigung nicht eintritt, wenn die Versicherungssumme vor dem Tode des Versicherungsnehmers fällig wird oder in dem Lebensversicherungsvertrag ein bestimmter Bezugsberechtigter genannt ist. Diese Vorschrift hat sich in der Praxis nicht bewährt. Es erscheint geboten, die Vergünstigung des Absatzes 1 nicht auf reine Todesfallversicherungen zu beschränken, sondern auch auf sogenannte Erlebensfallversicherungen anzuwenden. Es muß dann aber gewährleistet sein, daß die Versicherungssumme bis zum Tode des Versicherungsnehmers beim Versicherungsunternehmen hinterlegt bleibt. Weiter hat sich gezeigt, daß es unzweckmäßig ist, die Vergünstigung für Lebensversicherungsverträge zu versagen, in denen ein bestimmter Bezugsberechtigter benannt ist. Es ist nicht erforderlich, daß die Versicherungssumme lediglich zur Bezahlung der Erbschaftsteuer bestimmt ist. Die Vergünstigung wird vielmehr unbedenklich auch in Fällen gewährt werden können, in denen festgelegt ist, daß für einen bestimmten Teil der Versicherungssumme ein Bezugsberechtigter benannt wird, und daß ein anderer bestimmter Teil an das Finanzamt abgeführt wird. Es erscheint erforderlich, diese beiden änderungen vorzunehmen."
In der Einzelbegründung des Gesetzes (BStBl 1951 I S. 574, 575) wird dargelegt:
"Das Gesetz Nr. 64 hat durch Einfügung eines § 18 a die steuerfreie Erbschaftsteuerversicherung eingeführt, um den Erblasser in die Lage zu versetzen, schon zu seinen Lebzeiten dafür zu sorgen, daß bei seinem Ableben der Nachlaß durch die hohe Erbschaftsteuer nicht zu sehr geschmälert wird, indem er zur Bezahlung der Erbschaftsteuer eine Versicherung eingeht.
Die neue Fassung des § 18 a dient der Klarstellung. Von Bedeutung ist die änderung des bisherigen Absatzes 2."
"Die Praxis hat gezeigt, daß es zweckmäßig ist, die Vergünstigung des Absatzes 1 auch auf Versicherungsverträge anzuwenden, die vorsehen, daß im Erlebensfall ein bestimmter Teil der Versicherungssumme, für den die Vergünstigung des § 18 a nicht in Betracht kommt, an den Versicherungsnehmer selbst oder auch an einen Bezugsberechtigten zu zahlen ist, und daß ein weiterer bestimmter Betrag zur Bezahlung der Erbschaftsteuer bei dem Versicherungsunternehmen zunächst stehen bleibt."
In den Verhandlungen des Deutschen Bundestages (Verhandlungen des Deutschen Bundestages I. Wahlperiode 1949, Stenographische Berichte Bd. V, 104. Sitzung, S. 3814/15) führte der Bundesminister der Finanzen aus:
"Der Entwurf eines Gesetzes zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes enthält keine grundlegenden änderungen der Erbschaftsteuer. Er will nur in mehreren Punkten den Bedürfnissen Rechnung tragen, die sich in der Praxis bei der Anwendung der bestehenden Vorschriften ergeben haben."
In der 118. Sitzung des Deutschen Bundestages erklärte der Berichterstatter des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen zu § 18 a des Entwurfs eines Gesetzes zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes (Verhandlungen des Deutschen Bundestages I. Wahlperiode 1949, Stenographische Berichte Bd. VI, 118. Sitzung, S. 4500):
"Die änderung in § 18 a betrifft die Lebensversicherungen, die nur zum Zweck der Bezahlung der Erbschaftsteuer abgeschlossen sind. Bislang blieben diese Lebensversicherungen im Erlebensfall nicht steuerfrei. Jetzt sollen sie steuerfrei gestellt werden, wenn der Betrag bei dem zuständigen Finanzamt zur Bezahlung der später fällig werdenden Erbschaftsteuer sichergestellt wird. Wenn also ein Erblasser so vorsorglich ist, daß er schon mit einer Lebensversicherung den Betrag sicherstellt, den seine Erben später zur Bezahlung der Erbschaftsteuer nötig haben, wollen wir hier eine Steuerfreiheit gewähren."
Bei der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes wurde ein Antrag des Abgeordneten Dr. Horlacher betreffend Steuerbefreiung bei geschlossener Hofübergabe behandelt (Verhandlungen des Deutschen Bundestags, I. Wahlperiode 1949, Stenographische Berichte Bd. VI, 118. Sitzung, S. 4625/4627 und Bd. VII, 138. Sitzung, S. 5469 bis 5475 sowie 5480 bis 5485). Die Erbschaftsteuerversicherung wurde nicht behandelt.
Aus der Entstehungsgeschichte des § 18 a ErbStG ergibt sich also nichts dafür, daß die Berechnung der Erbschaftsteuer in den Fällen des § 18 a in der Fassung des Gesetzes der Militärregierung Nr. 64 irgendwie geändert worden ist. Nach § 18 a in der Fassung des Gesetzes Nr. 64 wäre die vom Finanzamt hier vorgenommene Berechnung der Erbschaftsteuer unzweifelhaft richtig gewesen. Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß trotz der Entstehungsgeschichte der Wortlaut des § 18 a in der Fassung des Gesetzes zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes von 1951 zur der vom Bg. gewünschten Steuerberechnung führen müsse. Aus dieser Fassung müsse gegenüber der Fassung des Gesetzes Nr. 64 gefolgert werden, daß die Versicherungssumme, die zur Tilgung der gesamten Erbschaftsteuer erforderlich sei und bestimmungsgemäß hierzu verwendet werde, steuerbegünstigt sei, wenn im übrigen die Voraussetzungen des § 18 a Abs. 2 erfüllt seien. Mit anderen Worten: Unter die mit der Versicherungssumme zu tilgende Steuerschuld falle die Erbschaftsteuer, die vom Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit einem bestimmten Erwerb von Todes wegen zu entrichten sei. Hierzu gehöre der Mehrbetrag an Steuer, der sich aus der Hinzurechnung des nicht verbrauchten Teils der Versicherungssumme zum steuerpflichtigen Erwerb ergebe. Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen. Der Wortlaut der neuen Bestimmung läßt entgegen der Annahme des Finanzgerichts nicht eindeutig erkennen, daß der Mehrbetrag an Erbschaftsteuer, der sich aus der Hinzurechnung des nicht verbrauchten Teils der Versicherungssumme zum steuerpflichtigen Erwerb ergibt, unter die aus der Versicherungssumme zu tilgende Steuerschuld fallen solle. Hätte der Gesetzgeber des änderungsgesetzes eine derartig wichtige änderung des § 18 a Abs. 1 ErbStG treffen wollen, hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen. Das ist nicht geschehen. In der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs ist, wie oben dargelegt, ausdrücklich ausgeführt, daß nur eine änderung des § 18 a Abs. 2 ErbStG hinsichtlich der Versicherungen für den Erlebensfall vorgenommen worden ist. Damit erledigt sich die Ansicht des Finanzgerichts, daß trotz der Entstehungsgeschichte des § 18 a ErbStG aus dem neuen Wortlaut auf Einführung einer neuen Berechnungsmethode geschlossen werden müsse. Auch im Schrifttum wird die Berechnungsmethode des Finanzamts gebilligt. Außer auf die vom Finanzamt in der Einspruchsentscheidung angeführten Autoren ist auch noch hinzuweisen auf Troll, Erbschaftsteuergesetz, Beispiele zu § 19 Abs. 3 bis 7 (S. 328). Folgt man der vom Finanzgericht bestätigten Auffassung des Bg., wäre § 18 a Abs. 5 Satz 1 ErbStG entbehrlich. Die Vorinstanz legt § 18 a Abs. 1 a. a. O. so aus, daß die Versicherungssumme bei Feststellung des steuerpflichtigen Erwerbs insoweit unberücksichtigt bleibt, als sie zur Tilgung der Erbschaftsteuerschuld einschließlich des Mehrbetrags an Steuer dient, der sich aus der Hinzurechnung des nicht verbrauchten Teils der Versicherungssumme zum steuerpflichtigen Erwerb ergibt. Geht man davon aus, so wäre nicht verständlich, weshalb im § 18 a Abs. 5 Satz 1 a. a. O. noch bestimmt wird, daß, wenn die Versicherungssumme den aus ihr zu tilgenden Steuerbetrag übersteige, die Steuervergünstigung des § 18 a Abs. 1 auf den Unterschiedsbetrag keine Anwendung finde. Keinesfalls kann die Auffassung des Bg. als der in § 18 a Abs. 1 und Abs. 5 ErbStG zum Ausdruck gebrachte objektivierte Wille des Gesetzgebers angesehen werden. Dem steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1952 nicht entgegen. Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung war als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410051 |
BStBl III 1961, 255 |
BFHE 1961, 697 |
BFHE 72, 697 |