Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Freiwillig und ohne Gegenleistung gegebene Versorgungszusagen eines geschiedenen Ehegatten an den nach bürgerlichem Recht nicht unterhaltsberechtigten anderen Ehegatten bedürfen als Schenkungsversprechen nach § 518 Abs. 1 BGB der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
Ist die Versorgungszusage wegen Formmangels nichtig, so können die auf Grund der Zusage bewirkten Leistungen in der Regel nicht gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG als Sonderausgaben abgesetzt werden. Eine Ausnahme gilt nur, wenn infolge Rechtsirrtums von rechtsungewandten Personen oder bei bürgerlich-rechtlich undurchsichtigen Verhältnissen der Mangel der Form übersehen, aber nach Aufklärung alsbald für die Zukunft geheilt wird.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 12 Nr. 2, § 22/1/a; StAnpG § 5 Abs. 3
Tatbestand
Der Bf. ist Chefredakteur. Auf die Klage seiner Ehefrau war seine Ehe im Februar 1954 ohne Schuldausspruch geschieden worden. Im März 1954 verpflichtete er sich in einer notariellen Urkunde, seiner geschiedenen Ehefrau für die Zeit vom 1. Januar 1954 bis 31. Dezember 1958 eine Rente von monatlich 660 DM zu zahlen; er hatte das Recht, die Unterhaltszahlungen mit dem auf die Wiederverheiratung seiner Frau folgenden Monatsletzten einzustellen. Diesen notariellen Vertrag änderten die geschiedenen Eheleute in einer privatschriftlichen Urkunde vom 1. / 2. Januar 1955 dahin ab, daß die Rente von monatlich 660 DM auch bei Wiederverheiratung der Ehefrau bis zum 31. Dezember 1958 fortgezahlt werde. Die Ehefrau ging am 18. März 1955 eine neue Ehe ein.
Das Finanzamt behandelte die Rente in den früheren Jahren gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG als Sonderausgabe und hatte zunächst auch einen entsprechenden steuerfreien Betrag auf der Lohnsteuerkarte 1958 eingetragen. Es widerrief diese Eintragung im März 1958, nachdem es den dargestellten Sachverhalt im einzelnen erfahren hatte. Es nahm an, die Rente werde nach der Wiederverheiratung der Ehefrau ab März 1955 freiwillig gezahlt; das privatschriftliche Abkommen vom 1. / 2. Januar 1955 sei mangels notarieller Beurkundung nichtig. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht wies die Berufung im Streitpunkt als unbegründet zurück. Es führte aus, das Finanzamt und der Bf. hätten im Berufungsverfahren mit Recht übereinstimmend angenommen, daß auch die Beträge, die der Bf. auf Grund des privatschriftlichen Vertrags vom 1. / 2. Januar 1955 nach der Wiederverheiratung an seine geschiedene Ehefrau gezahlt habe, nicht "freiwillig" geleistet worden seien. Die Berufung sei trotzdem nicht begründet. Der Sachverhalt entspreche zwar in allen Punkten dem, der dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 154/57 U vom 17. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 345, Slg. Bd. 69 S. 218) zugrunde gelegen habe. Die Kammer folge aber der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs nicht; sie bleibe bei ihrer im Urteil des Bundesfinanzhofs VI 154/57 U a. a. O. abgelehnten Auslegung des § 12 Ziff. 2 EStG, wonach der Leistende eine Rente nicht als Sonderausgabe abziehen könne, wenn er die Rente zwar bürgerlich-rechtlich wirksam zugesagt, die Zusage aber freiwillig gegeben habe. Es bedürfe darum auch keiner abschließenden Prüfung, wieviel von der monatlichen Unterhaltsbeihilfe von 660 DM auf die geschiedene Ehefrau und den Sohn aus der geschiedenen Ehe, der bei der Mutter lebe, entfalle.
Mit der Rb. begehrt der Bf., wie bei der Schenkungsteuer-Veranlagung, 300 DM dem Kind und 360 DM der geschiedenen Ehefrau als Unterhaltsleistung zuzurechnen und die Unterhaltsleistung an die Ehefrau gemäß dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 154/57 U a. a. O. als Sonderausgabe zum Abzug zuzulassen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist im Ergebnis nicht begründet.
Mit Recht wendet sich der Bf. gegen die Ausführungen, mit denen das Finanzgericht bewußt von den Rechtsgrundsätzen der Entscheidung VI 154/57 U a. a. O. abgewichen ist. In der erwähnten Entscheidung hat der Senat sich eingehend mit der Rechtsauffassung des Finanzgerichts auseinandergesetzt und das Für und Wider gegeneinander abgewogen. Das angefochtene Urteil bringt keine Gesichtspunkte, die nicht schon bei der früheren Entscheidung gewürdigt worden sind. Der Senat sieht darum keine Veranlassung, nochmals auf die Ausführungen des Finanzgerichts näher einzugehen. Er hält an seiner früher begründeten Auslegung des § 12 Ziff. 2 EStG fest.
Trotzdem kann die Rb. im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Wie die Beteiligten unbestritten vortragen, sollte - wenngleich sich das aus der notariellen Urkunde nicht so ergibt - die für die Zeit vom 1. Januar 1954 bis 31. Dezember 1958 zugesagte Rente gleichzeitig ein Unterhaltsbeitrag für die geschiedene Ehefrau und den bei ihr lebenden Sohn aus der Ehe mit dem Bf. sein, für die Berechnung der Schenkungsteuer seien von der Rente 360 DM der Ehefrau und 300 DM dem Sohn zugerechnet worden.
Der Bf. erkennt an, daß der Sohn ihm gegenüber nach bürgerlichem Recht unterhaltsberechtigt ist und deshalb die für ihn an die Ehefrau gezahlten Beträge gemäß § 12 Ziff. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können.
Die Ehefrau hatte gegen den Bf. keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch, weil sie selbst die Scheidung der Ehe beantragt hatte und die Ehe dann ohne Schuldausspruch geschieden worden war (vgl. Urteile des Senats VI 60/55 U vom 31. Mai 1957, BStBl 1957 III S. 263, Slg. Bd. 65 S. 80, und VI 154/57 U a. a. O. letzter Absatz). Das Abzugsverbot des § 12 Ziff. 2 EStG greift deshalb - entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - nicht ein.
Die Entscheidung hängt davon ab, ob die Unterhaltsleistungen des Bf. an seine geschiedene Ehefrau als "auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten" Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG waren. Dafür fehlt es aber an zwei Voraussetzungen:
Wie der Senat in der Entscheidung VI 284/58 U vom 7. August 1959 (BStBl 1959 III S. 463, Slg. Bd. 69 S. 542) ausgeführt hat, betrachtet er zeitlich befristete wiederkehrende Versorgungsleistungen in der Regel nur dann als Renten im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 und des § 22 Ziff. 1 a EStG, wenn sie für einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren zugesagt werden. Da im Streitfall die Bezüge nur auf fünf Jahre versprochen waren und besondere Gründe für eine abweichende rechtliche Beurteilung nicht erkennbar sind, können die Unterhaltsleistungen nicht gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG als Sonderausgaben abgesetzt werden.
Der "besondere Verpflichtungsgrund" im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG zur Zahlung einer Rente kann auf Gesetz, letztwilliger Anordnung oder auf einer bürgerlich-rechtlichen Vereinbarung beruhen. Ob eine wirksame Verpflichtung vorliegt, muß bei Vereinbarungen nach bürgerlichem Recht beurteilt werden; insbesondere ist dabei auch zu prüfen, ob eine im bürgerlichen Recht für ein Rechtsgeschäft vorgeschriebene Form erfüllt ist. Wenn eine Vereinbarung nach bürgerlichem Recht nichtig ist, weil die Beteiligten die für das Rechtsgeschäft vorgeschriebene Form nicht gewahrt haben (ß 125 BGB), so kann grundsätzlich auch das ohne bürgerlich-rechtliche Verpflichtung Geleistete steuerlich nicht als auf "besonderem Verpflichtungsgrund" beruhend anerkannt werden. Davon ist schon die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ausgegangen; sie hat eine Ausnahme nur für die Fälle zugelassen, in denen die Beteiligten den Mangel der Rechtsform nicht kennen, ihn aber, sobald sie über den Mangel aufgeklärt worden sind, mit Wirkung für die Zukunft beseitigen (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 485/30 vom 10. September 1930, RStBl 1930 S. 811, und VI A 615/33 vom 10. Oktober 1935, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1935 Nr. 654 mit Besprechung von Becker in StuW 1935 Sp. 1431; Hartz-Over, Lohnsteuerrecht, Stichwort "Renten" unter II 2).
Im Streitfall war die Rechtsgrundlage für die Leistungen des Bf. an seine gesetzlich nicht unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau eine Schenkung. Das Schenkungsversprechen bedarf nach § 518 Abs. 1 BGB der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Diese Formvorschrift war für den Vertrag vom März 1954 gewahrt worden, während das privatschriftliche Abkommen vom 1. / 2. Januar 1955, durch das die Leistungsverpflichtung des Bf. auf die Zeit nach der Wiederverheiratung der geschiedenen Ehefrau erweitert wurde, dem § 518 Abs. 1 BGB nicht genügte. Es hing deshalb vom Willen des Bf. ab, ob er an seine frühere Ehefrau nach deren Wiederverheiratung noch Zahlungen leistete; er hätte jederzeit die Zahlungen für die Zukunft verweigern können, ohne daß die Frau die ihr nur privatschriftlich zugesagten Leistungen gerichtlich hätte erzwingen können.
Die Erwägungen des Finanzgerichts, daß der Bf. nach § 518 Abs. 2 BGB das ohne wirksamen Rechtsgrund Geleistete von der Ehefrau nicht habe zurückfordern können und daß darum jede Leistung des Bf. zur Zeit ihrer Gewährung nicht mehr "freiwillig" gewesen sei, ist nicht schlüssig. Nach bürgerlichem Recht war der Bf., als er die einzelnen Zahlungen leistete, eindeutig nicht dazu verpflichtet und konnte sie ablehnen. Wenn das bürgerliche Recht die Rückforderung des Geleisteten ausschließt, so ergibt sich daraus nicht, daß der Bf. etwa nachträglich zur Leistung "verpflichtet" worden wäre (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 485/30 a. a. O.). Das tritt bei Dauerverpflichtungen wie Rentenzusagen klar hervor. Hat ein Steuerpflichtiger nämlich längere Zeit hindurch auf Grund einer wegen Formmangels nichtigen Zusage gezahlt, so kann er zwar das Geleistete nicht zurückfordern; er kann aber auch nicht etwa auf künftige Leistungen mit der Begründung in Anspruch genommen werden, daß der Formmangel durch die Leistungen der Vergangenheit geheilt worden sei und darum auch für die Zukunft geleistet werden müsse.
Zu Unrecht beruft sich das Finanzgericht für seine Rechtsauffassung auf § 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes, wonach wegen Formmangels nichtige Geschäfte steuerlich maßgebend sind, solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen. Wie Littmann (Einkommensteuerrecht, 6. Aufl., Anm. 39 zu § 12 EStG) zutreffend bemerkt, kann diese Vorschrift nicht dazu führen, bei wegen Formmangels nichtigen Rentenzusagen allgemein über den bürgerlich-rechtlichen Formmangel hinwegzusehen. Die Auslegung des Finanzgerichts ist mit dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG, der einen "besonderen Verpflichtungsgrund" verlangt, unvereinbar und gäbe auch, wie Littmann ausführt, den Beteiligten die Möglichkeit, ohne eine bürgerlich-rechtliche Bindung einzugehen, ihr Einkommen beliebig zu variieren. Einer bürgerlich-rechtlich klaren Verpflichtung bedarf es schon deshalb, weil, wie oben erwähnt, als Renten nur Leistungen abgezogen werden, die auf mindestens zehn Jahre bindend zugesagt worden sind.
Das Finanzamt hat in der Einspruchsentscheidung den rechtlichen Gesichtspunkt der mangelnden bürgerlich-rechtlichen Bindung zutreffend betont. Wenn es ihn im Berufungsverfahren hat fallenlassen, so war das Finanzgericht dadurch nicht der Pflicht enthoben, die Rechtslage von sich aus selbständig zu prüfen.
Den, wie oben erwähnt, von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ausnahmsweise zugelassenen Abzug von Ausgaben, die die Beteiligten ohne Kenntnis des Formmangels einer Verpflichtung geleistet haben, kann der Bf. nicht geltend machen. Die Ausnahme muß auf rechtsungewandte Personen oder bürgerlich-rechtlich besonders undurchsichtige Verhältnisse beschränkt werden. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Dem Bf. muß, nachdem der erste Vertrag notariell beurkundet worden war, auch die Formbedürftigkeit der Vertragserweiterung bekanntgewesen sein; zum mindesten hätte er alle Veranlassung gehabt, sich entsprechend zu unterrichten.
Nach allem konnte die Rb. im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 409786 |
BStBl III 1960, 424 |
BFHE 1961, 466 |
BFHE 71, 466 |