Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Schuldzinsen für Kredite, die zum Bau oder zum Erwerb eines vom Eigentümer selbst bewohnten Einfamilienhauses aufgenommen wurden, sind nicht als Sonderausgaben abzugsfähig, soweit sie den Grundbetrag nach § 2 Abs. 1 der Einfamilienhaus-VO übersteigen und deshalb nach § 2 Abs. 2 nicht als Werbungskosten abgezogen werden können.
Normenkette
EStG § 9 Ziff. 1, § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 21 Abs. 2; EinfHausVO 2/2
Tatbestand
Das Finanzamt (FA) hat bei der Einkommensteuerveranlagung für 1964 die Einkünfte der Steuerpflichtigen (Stpfl.) aus ihrem selbst bewohnten Einfamilienhaus nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 - Einfamilienhaus-VO - (RGBl I 1937, 99; RStBl 1937, 161) ermittelt und dabei die Hypothekenzinsen von 2.038 DM nur bis zur Höhe des Grundbetrags mit (3,5 v. H. von 20.000 DM =) 700 DM abgezogen. Die Stpfl. veranlagten, den überschießenden Teil der Schuldzinsen mit 1.338 DM als Sonderausgaben abzuziehen.
Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ist der Auffassung, daß Zinsen, die wirtschaftlich mit dem Bau eines Wohnhauses zusammenhängen, begrifflich Werbungskosten seien, und daß sie diesen Charakter durch die Beschränkung ihrer Abzugsfähigkeit nach der Einfamilienhaus-VO nicht verlören. Schuldzinsen seien aber als Sonderausgaben nur abzugsfähig, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten seien. Die Zulässigkeit einer Aufspaltung der Schuldzinsen in Werbungskosten und Sonderausgaben könne auch nicht aus dem Urteil des BFH VI 26/62 S vom 27. November 1964 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 81 S. 452 - BFH 81, 452 -, BStBl III 1965, 164) hergeleitet werden.
Die Stpfl. rügen mit ihrer Revision Verletzung des geltenden Rechts. Sie sind der Auffassung, § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus- VO schließe den Abzug der danach nicht berücksichtigungsfähigen Schuldzinsen als Sonderausgaben nicht aus. Die steuerliche Behandlung der den Grundbetrag übersteigenden Schuldzinsen sei in der Einfamilienhaus-VO nicht geregelt. Ihre Abzugsfähigkeit sei nach § 10 EStG zu beurteilen. Daß ein Teil der Schuldzinsen als Werbungskosten und der Rest als Sonderausgaben abzugsfähig sein könne, bestätige das Urteil des BFH VI 26/62 S (a. a. O.), das bei mit Kreditmitteln erworbenen Wertpapieren den Abzug der Schuldzinsen teils als Werbungskosten und teils als Sonderausgaben zugelassen habe.
Die Stpfl. beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehört nach § 21 Abs. 2 EStG auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus. Diese Vorschrift will eine Gleichstellung der Steuerpflichtigen, die im eigenen Haus wohnen, mit den Steuerpflichtigen herbeiführen, die zur Miete wohnen und die ihre Miete bei der Ermittlung des Einkommens nach § 12 Ziff. 1 EStG als Aufwendung der privaten Lebenshaltung nicht abziehen können. Um zu verhindern, daß die Steuerpflichtigen, die im eigenen Haus wohnen und die deshalb keine Mietaufwendungen für ihre Wohnung haben, steuerlich besser gestellt sind, müssen diese bei der Einkommensteuer den Nutzungswert ihrer Wohnung im eigenen Haus als (fiktive) Mieteinnahme ansetzen. Die auf diese Wohnung entfallenden Schuldzinsen stehen also mit den Einkünften der Steuerpflichtigen aus Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang und sind demgemäß nach § 9 Ziff. 1 EStG Werbungskosten.
Da die Ermittlung des Nutzungswerts einer Wohnung im eigenen Einfamilienhaus wegen der Verschiedenartigkeit der Häuser besondere Schwierigkeiten bereitet, wurde im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in der Einfamilienhaus-VO eine Besteuerung nach Durchschnittsätzen eingeführt. Dabei wurde der Abzug der Schuldzinsen jedoch in der Weise begrenzt, daß durch den Abzug kein Verlust entstehen darf. In der amtlichen Begründung zur Einfamilienhaus-VO (RStBl 1937, 161) wird dies damit begründet, daß ein zu einem Verlust führender Abzug der Schuldzinsen zu einer gegenüber den in Mieträumen wohnenden Steuerpflichtigen nicht vertretbaren Begünstigung führen würde. Der Senat hat im Grundsatzurteil VI 23/55 S vom 25. Januar 1957 (BFH 64, 345, BStBl III 1957, 131) entschieden, daß die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nach § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus-VO rechtsgültig ist und die nach dieser Vorschrift nicht abzugsfähigen Schuldzinsen auch nicht nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG als Sonderausgaben abgesetzt werden können. Diese Rechtsprechung wurde im Grundsatzurteil VI 251/65 vom 4. März 1966 (BStBl III 1966, 350) nochmals bestätigt. Die Einfamilienhaus-VO enthält für die Ermittlung des Nutzungswerts der eigenbewohnten Einfamilienhäuser eine in sich geschlossene und mit den Interessen der zur Miete wohnenden Steuerpflichtigen abgewogene Regelung, die ihren Sinn verlöre, wenn die nach § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus- VO nicht abzugsfähigen Schuldzinsen als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen würden.
Der Hinweis der Stpfl. auf das Urteil des Senats VI 26/62 S (a. a. O.) vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. In diesem Urteil wurde zwar zugelassen, daß Schuldzinsen, die für einen zum Erwerb von Wertpapieren aufgenommenen Kredit gezahlt werden, bis zur Höhe des Wertpapierertrags als Werbungskosten abzugsfähig sind, und daß der darüber hinausgehende Betrag als Sonderausgabe zu berücksichtigen ist. Die Erwägungen, die zu dieser Beurteilung geführt haben, treffen jedoch nicht für den Schuldzinsenabzug bei eigengenutzten Einfamilienhäusern zu. Bei dem Erwerb von Wertpapieren mit Fremdmitteln rechnet der Erwerber in der Regel mit Kurssteigerungen; Kursgewinne will er im allgemeinen in absehbarer Zeit durch Verkauf der Wertpapiere realisieren. Die bis dahin aufgewendeten Schuldzinsen stehen deshalb in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang nicht nur mit den in der Zwischenzeit erzielten Kapitalerträgen, sondern auch und regelmäßig sogar überwiegend mit den durch die Kurssteigerung erzielten Gewinn, der bei zum Privatvermögen gehörenden Wertpapieren nicht einkommensteuerpflichtig ist, sofern es sich nicht um Spekulationsgewinne im Sinne von § 23 EStG handelt. Ein vom Eigentümer selbst bewohntes Einfamilienhaus dient dagegen dem eigenen Wohnbedürfnis und nicht der Erzielung eines Gewinns bei einer etwaigen späteren Veräußerung. Anders als bei Wertpapieren können daher Zinsen, die für die zum Bau oder zum Erwerb des Hauses aufgenommenen Schulden gezahlt werden, auch nicht teilweise von der Zweckbestimmung des Hauses als Wohnung für den Eigentümer gelöst werden. Daß Schuldzinsen, die bei einem eigengenutzten Einfamilienhaus den nach § 2 Abs. 1 der Einfamilienhaus-VO ermittelten Nutzungswert übersteigen, nicht als Sonderausgaben abzugsfähig sein können, ergibt sich auch daraus, daß die Schuldzinsen wirtschaftlich einem Mietaufwand des Hauseigentümers gleichstehen. Die Wohnungsmiete gehört aber zu den bei der Einkommensteuer nicht berücksichtigungsfähigen Kosten der privaten Lebenshaltung. Soweit die Einfamilienhaus-VO einen Abzug dieser Zinsen nicht ausdrücklich zuläßt, können die danach nicht abzugsfähigen Zinsen nicht anders behandelt werden als die Kosten der privaten Lebenshaltung. Daß der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, der eine Wohnung in diesem Haus selbst bewohnt, seine Schuldzinsen voll als Werbungskosten abziehen kann, ergibt sich daraus, daß - anders als bei der Anwendung der Einfamilienhaus-VO - der Nutzungswert dieser Wohnung mit dem ortsüblichen Mietwert (§ 8 Abs. 2 EStG) und nicht nur mit einem Abgeltungsbetrag wie bei der Einfamilienhaus-VO angesetzt wird. Zur Ermittlung des Nutzungswerts nach § 8 Abs. 2 EStG siehe die Urteile des Senats VI 21/63 U vom 3. Mai 1963 (BFH 77, 45, BStBl III 1963, 334) und VI 140/61 U vom 3. Mai 1963 (BFH 77, 127, BStBl III 1963, 364).
Als Sonderausgaben können daher, wie das FG zutreffend entschieden hat, die streitigen Schuldzinsen nicht abgesetzt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 412242 |
BStBl III 1966, 586 |
BFHE 86, 622 |