Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bürgschaftszahlungen eines Kommanditisten zugunsten einer Vertriebs-GmbH, deren Anteile zum notwendigen Betriebsvermögen der KG gehören, sind dann keine Betriebsausgaben, wenn sie vorwiegend nicht auf betrieblichen, sondern auf privaten Erwägungen beruhen. EStG 1951/1953 § 4 Abs. 4, § 5, § 12 Ziff. 1, § 33.
Normenkette
EStG § 4/4, §§ 5, 12 Nr. 1, § 33
Tatbestand
Streitig ist, ob Bürgschaftszahlungen eines Kommanditisten zugunsten einer Vertriebs-GmbH der Kommanditgesellschaft einkommensmindernd berücksichtigt werden können.
Der beschwerdeführende Ehemann (Bf.) ist Rechtsanwalt. Am 29. Oktober 1948 übernahm er zugunsten einer GmbH, an deren Stammkapital er zur Zeit der Bürgschaftsübernahme mit 25 v. H. beteiligt war, eine selbstschuldnerische Bürgschaft gegenüber dem Bankverein B. für der GmbH gewährte Bankkredite. Der Bf. war gleichzeitig als Kommanditist mit 33 1/3 v. H. an einer KG beteiligt, zu deren Gunsten er am 13. August 1949 gleichfalls eine selbstschuldnerische Bürgschaft gegenüber der gleichen Bank übernommen hatte. Die KG betrieb eine Seidenweberei. Sie stellt ausschließlich Rohgewebe her und setzte ihre gesamte Produktion an die GmbH ab. Die GmbH betätigte sich im Großhandel und in gewissem Umfang auch mit der Herstellung von Textilien. Sie bezog neben der KG auch von anderen Firmen Textilien. Die KG ging am 6. Juni 1950 in Konkurs. über die GmbH wurde das Konkursverfahren am 22. April 1950 eröffnet. Das Einkommen der GmbH wurde für die Jahre 1950 bis 1955 mit 0 DM festgestellt. Bereits in den Veranlagungszeiträumen II/1948 und 1949 schloß sie mit Verlusten ab. Sie wurde wegen Vermögenslosigkeit am 15. September 1955 im Handelsregister gelöscht.
Eine im Jahre 1954 vorgenommene Betriebsprüfung stellte fest, daß der Bf. in 1951 22 523,78 DM, 1952 7 900 DM und 1953 20 296,80 DM, insgesamt 50 720 DM, an Bürgschaftszahlungen geleistet hatte. Hiervon entfielen 22 422 DM auf Zahlungen zugunsten der KG. In dieser Höhe erkannten Betriebsprüfer und Finanzamt die Zahlungen des Bf. als Mitunternehmer der KG als gewerbliche Verluste (Betriebsausgaben) an und verteilten sie mit seinem Einvernehmen mit je 1/3 = 7 474 DM auf die Streitjahre. Den restlichen Betrag von 28 298,58 DM, der auf die GmbH entfiel, ließ das Finanzamt weder als Betriebsausgaben noch als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) zum Abzug zu, weil der GmbH-Anteil nicht als notwendiges Betriebsvermögen in der Bilanz der KG ausgewiesen war.
Der Bf. ist der Ansicht, auch die Bürgschaftszahlungen zugunsten der GmbH seien als Betriebsausgaben abzugsfähig, weil die KG und die GmbH wirtschaftlich und organisatorisch eng verflochten gewesen seien. Geschäftsführer und Prokurist seien in beiden Gesellschaften dieselben Personen gewesen. Sie hätten dieselben Geschäftsräume gehabt. Zumindest müßte für die Zahlungen Steuerermäßigung nach § 33 EStG gewährt werden, weil die Aufwendungen zwangsläufig gewesen seien. Abgesehen von der engen wirtschaftlichen Verbundenheit, die schon ausreichend die Zwangsläufigkeit begründe, habe er die Bürgschaftsverpflichtungen im wesentlichen deshalb übernommen, um seinen Vater, der für beide Firmen (für die KG als beratender Webereifachmann, für die GmbH als Verkaufsleiter) tätig gewesen sei, den Arbeitsplatz zu erhalten.
Einspruch und Berufung hatten im Streitpunkt keinen Erfolg. Das Finanzgericht bestätigte den Abzug der Bürgschaftszahlungen zugunsten der KG. Eine Berücksichtigung der Bürgschaftszahlungen zugunsten der GmbH lehnte es mit der Begründung ab, der GmbH- Anteil sei nicht notwendiges Betriebsvermögen der KG gewesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die GmbH lediglich eine Vertriebsgesellschaft der KG gewesen sei. Eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG scheide aus, da die Aufwendungen nicht zwangsläufig und der Höhe nach weder notwendig noch angemessen seien.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. ist nicht begründet. Der Senat hat Bedenken, dem Finanzgericht in der Auffassung zu folgen, der GmbH-Anteil sei nicht notwendiges Betriebsvermögen der KG gewesen. Der Umstand, daß die GmbH nicht nur von der KG, sondern auch von anderen Firmen Ware bezog und in gewissem Umfang auch selbst herstellte, schließt nicht aus, daß sie eine Vertriebsgesellschaft der KG war. Nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung über die Behandlung von Beteiligungen im Rahmen der Betriebsspaltung aufstellte, muß davon ausgegangen werden, daß der GmbH-Anteil des Bf. zum notwendigen Betriebsvermögen der KG gehörte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 205/57 U vom 24. März 1959, BStBl 1959 III S. 289, Slg. Bd. 69 S. 72; I 217/58 U vom 3. November 1959, BStBl 1960 III S. 50, Slg. Bd. 70 S. 134; I 131/59 S vom 8. November 1960, BStBl 1960 III S. 513, Slg. Bd. 71 S. 706, und I 57/61 S vom 16. Januar 1962, BStBl 1962 III S. 104, Slg. Bd. 74 S. 275), wobei es ohne Bedeutung ist, ob die GmbH im Wege der Abspaltung aus einem ursprünglich einheitlichen Unternehmen entstanden war oder von vornherein getrennte Betriebe vorlagen. Aus der Eigenschaft des Anteils als notwendiges Betriebsvermögen ergibt sich nicht ohne weiteres, daß die Bürgschaftszahlungen sofort abzugsfähige Betriebsausgaben sind. Es liegt vielmehr nahe, sie als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu aktivieren und eine Gewinnminderung bei dem KG-Gewinnanteil des Bf. vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung abhängig zu machen (vgl. hierzu das vom Finanzgericht angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs VI 562/35 vom 28. Oktober 1936, RStBl 1937 S. 383). Weiterhin schließt die Annahme von notwendigem Betriebsvermögen und von Aufwendungen auf den GmbH-Anteil nicht aus, daß Zahlungen zugunsten der GmbH, die vorwiegend aus privaten Erwägungen geleistet wurden, keine aktivierungsfähigen Anschaffungskosten sind und private Vermögensverluste darstellen (§ 12 Ziff. 1 EStG), vgl. auch das Urteil des Senats IV 121/63 U vom 5. Dezember 1963 (BStBl 1964 III S. 132). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Bf. konnte keine überzeugenden Gründe dafür anführen, daß er die Bürgschaft aus betrieblichen überlegungen eingegangen war und nachträgliche Einlagen in die GmbH leisten wollte. Er betonte wiederholt auch in der Rb., daß er die finanzielle Hilfe im Interesse seiner Eltern, besonders seines Vaters, gegeben habe, um dem Vater den Arbeitsplatz zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist die Erklärung des Bf. von entscheidender Bedeutung, daß er durch den Kredit nicht in erster Linie die GmbH habe sanieren, sondern dem dringenden und verständlichen Wunsch des Vaters (einem früheren Seidenstoffabrikanten) habe entsprechen wollen, ihm durch Fortsetzung eines Fabrikationsbetriebes wieder eine Lebensaufgabe zu verschaffen. Hierzu kommt, daß der Bf. die Bürgschaft zu einem Zeitpunkt übernahm, als ihm die schlechte Finanzlage der beiden Gesellschaften, die bald darauf in Konkurs gingen, nicht unbekannt sein konnte. Da ein vorsichtig abwägender Kaufmann bei dieser Sachlage aus betrieblichen Erwägungen keine weiteren Mittel mehr zur Verfügung gestellt hätte, muß angenommen werden, daß für den Bf. die Interessen des Vaters entscheidend waren und daß damit ein privater Vorgang vorlag (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 85/59 vom 4. August 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 238).
Das Finanzgericht lehnte auch mit zutreffender Begründung eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung (§ 33 EStG) ab. Die Zahlungen, die der Bf. zur Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtungen leistete, erwuchsen ihm nicht zwangsläufig (§ 33 Abs. 1 EStG), weil er zur Eingehung der Bürgschaft (Schuldaufnahme) nicht durch Umstände gezwungen war, die von seinem Willen unabhängig waren (vgl. das vom Finanzgericht angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs IV 602/53 U vom 30. September 1954, BStBl 1954 III S. 357, Slg. Bd. 59 S. 381). Daran ändert auch nichts, daß der Bf. nach der Schuldaufnahme durch die Konkurse der KG und der GmbH erhebliche Teile seines Vermögens verlor (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 80/55 U vom 19. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 385, Slg. Bd. 65 S. 399). Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die übernahme der Bürgschaftsverpflichtung unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltsleistung an die Eltern über die notwendigen und angemessenen Aufwendungen in erheblichem Masse hinausging und daher auch aus diesem Grunde eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG nicht rechtfertigen kann. Im übrigen erhielt der Bf. für den Unterhalt seiner Eltern (mithin auch seines Vaters) in den Streitjahren Steuerermäßigung nach § 33 EStG.
Fundstellen
Haufe-Index 411069 |
BStBl III 1964, 299 |
BFHE 1964, 184 |
BFHE 79, 184 |
BB 1964, 632 |
DB 1964, 827 |
DStR 1964, 298 |