Leitsatz (amtlich)
1. Die einem Unternehmer für die Bewirtung von Geschäftsfreunden anläßlich seines 65.Geburtstages in Rechnung gestellte Umsatzsteuer kann er als Vorsteuer gemäß § 15 Abs.1 UStG 1967 abziehen, wenn diese Bewirtung durch seine Geschäftsbeziehungen veranlaßt ist. Ein Aufteilungs- und Abzugsverbot, das dem des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG 1971 entspräche, enthält das Umsatzsteuergesetz 1967 nicht.
2. Erfolgt die Bewirtung für Zwecke des Unternehmens, so ist hinsichtlich des auf den Unternehmer entfallenden Anteils kein Eigenverbrauch nach § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.a UStG 1967 gegeben.
Orientierungssatz
Fehlen bei Bewirtung von Geschäftsfreunden für Zwecke des Unternehmens Anhaltspunkte schon in Anbetracht der Größe des Unternehmens (Umsatz über 7 Mio DM) und der Art der Tätigkeit (Baustoffgroßhandel und Industrievertretungen) dafür, daß die Aufwendungen nach allgemeiner Verkehrsauffassung unangemessen gewesen sein könnten, so sind die Voraussetzungen einer Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1967 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG 1971 nicht gegeben.
Normenkette
UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, c, § 15 Abs. 1 Nr. 1; EStG 1971 § 4 Abs. 5 S. 2, § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
I. Der Kläger erzielte im Jahr 1971 aus einem Baustoffgroßhandel und aus Industrievertretungen einen Umsatz von rund 7,3 Mio DM. Seinen in dieses Jahr fallenden 65.Geburtstag beging er mit zwei Veranstaltungen. In einer Feier am Vormittag bewirtete er in einem Lokal rund 200 geladene Geschäftsfreunde. Abends fand ein Zusammensein mit rund 35 Personen statt, die zu seinem Verwandten-, Bekannten- und Freundeskreis zählten.
Die Kosten der Vormittagsveranstaltung in Höhe von X DM behandelte der Kläger als Betriebsausgaben seines Gewerbebetriebes. Entsprechend machte er die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von Y DM in der Umsatzsteuererklärung 1971 als Vorsteuer geltend.
Das Finanzamt hat bei der Einkommensteuerveranlagung den Abzug als Betriebsausgaben versagt und durch Umsatzsteuerbescheid 1971 vom 8.Februar 1974 die abziehbaren Vorsteuern um den Betrag von Y DM gekürzt. Einspruch und Klage sind jeweils erfolglos geblieben.
Das Finanzgericht ließ die Aufwendungen für die Bewirtung der Geschäftsfreunde am Vormittag bei der Einkommensteuer wegen § 12 Nr.1 Satz 2 EStG 1971 nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zu. Die beiden Veranstaltungen hätten zwar unterschiedliche Zielrichtungen gehabt. Während die Einladung am Vormittag mehr der Repräsentation gegenüber den Geschäftspartnern gedient habe, habe am Abend der private und familiäre Charakter überwogen. In beiden Fällen sei der Anlaß jedoch in der privaten Sphäre des Klägers, nämlich in dessen 65.Geburtstag zu suchen.
In dem am gleichen Tag ergangenen Urteil zur Umsatzsteuer hat das Finanzgericht die Anfechtungsklage abgewiesen und wegen der rechtlichen Beurteilung auf die Entscheidung in der Einkommensteuersache Bezug genommen; ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 komme nicht in Betracht, soweit die streitigen Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden könnten.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der --vom Bundesfinanzhof zugelassenen-- Revision und beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer 1971 um Y DM herabzusetzen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist begründet.
1. Nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 kann der Unternehmer unter weiteren hier nicht zweifelhaften Voraussetzungen die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Eine Leistung ist für das Unternehmen ausgeführt, wenn sie der Unternehmer für Zwecke seines Unternehmens in Anspruch nimmt (Urteil vom 13.April 1972 V R 135/71, BFHE 105, 421, BStBl II 1972, 653). Das ist der Fall, wenn sie für die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers bezogen wird. Hierüber entscheidet der Unternehmer, er trifft die für die Umsatzsteuer maßgebende Zuordnung zum unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Tätigkeitsbereich (Urteile vom 19.April 1979 V R 11/72, BFHE 127, 447, BStBl II 1979, 420, vom 26.April 1979 V R 46/72, BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530 und vom 4.Juli 1985 V R 82/77, BFHE 144, 81, BStBl II 1985, 538). Der Leistungsbezug muß allerdings in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen. In Zweifelsfällen muß der Unternehmer darlegen können, daß die bezogene Leistung seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit hat fördern sollen (vgl. BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530, und BFHE 144, 81, BStBl II 1985, 538).
Demnach war der Kläger berechtigt, die ihm in Rechnung gestellte Steuer für die Bewirtung seiner Geschäftsfreunde als Vorsteuer abzuziehen. In der Geltungmachung des Vorsteuerabzuges äußert sich die Entscheidung des Klägers, daß er die Leistung des Gastwirtes für sein Unternehmen bezogen haben wollte. Die vom Finanzgericht getroffenen Feststellungen lassen auch einen hinreichenden Zusammenhang mit seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit erkennen. Die Bewirtung diente, wie das Finanzgericht ausführt, der Repräsentation gegenüber den Geschäftspartnern, also der Pflege der Geschäftsbeziehungen und damit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Klägers.
Eine dem § 12 Nr.1 Satz 2 EStG 1971 entsprechende, den Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausschließende Vorschrift enthält das Umsatzsteuergesetz nicht. Es entspricht demgemäß nicht dem Gesetz, daß das Finanzgericht für die umsatzsteuerrechtliche Würdigung des Sachverhalts auf die einkommensteuerrechtliche Beurteilung verwiesen hat (vgl. insoweit auch Urteil vom 13.April 1972 V R 135/71, BFHE 105, 421, BStBl II 1972, 653).
2. Eine Besteuerung als Eigenverbrauch kommt im Streitfall nicht in Betracht.
a) Zwar umfaßt der Eigenverbrauch nach § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.a UStG 1967 grundsätzlich auch die Beköstigung des Steuerpflichtigen und seiner Familienangehörigen. Das gilt aber nicht, wenn, wie im Streitfall, die Bewirtung, an der der Steuerpflichtige auch selbst teilnimmt, für Zwecke des Unternehmens erfolgt. Gegenüber diesem im Vordergrund stehenden betrieblichen Zweck tritt der private Verbrauch zurück. Daß die vom Kläger erbrachten Leistungen dem persönlichen Verbrauch der Gäste dienten, ist ohne Belang (BFHE 144, 81, BStBl II 1985, 538).
b) Die Voraussetzung einer Besteuerung nach § 1 Abs.1 Nr.2 Buchst.c UStG 1967 in Verbindung mit § 4 Abs.5 Satz 2 EStG 1971 ist nicht gegeben; Anhaltspunkte dafür, daß die Aufwendungen des Klägers nach der allgemeinen Verkehrsauffassung unangemessen gewesen seien, sind bei der Größe des Unternehmens und der Art der Tätigkeit des Klägers nicht erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 61032 |
BStBl II 1986, 216 |
BFHE 145, 255 |
BFHE 1986, 255 |
DStR 1986, 199-199 (ST) |
DStZ, Beihefter zu Nr 19/1986 (S) |
HFR 1986, 145-146 (ST) |