Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält § 34 c Abs. 3 EStG 1957 insoweit, als er zuläßt, die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer ganz oder zum Teil zu erlassen oder in einem Pauschbetrag festzusetzen, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist, mit dem GG nicht für vereinbar. Der Senat kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht einholen, weil es auf die Gültigkeit dieser Vorschrift bei der Entscheidung nicht ankommt.
Die Festsetzung der Einkommensteuer in einem Pauschbetrag ist ein verselbständigter Teil des Veranlagungsverfahrens, das auch vor der Entscheidung über die Pauschalierung durchgeführt werden kann.
Normenkette
EStG § 34c/3; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 2-3
Tatbestand
Streitig ist, ob die Finanzbehörde H. (Finanzbehörde) einen Ermessensfehlgebrauch beging, weil sie den Antrag des Revisionsklägers - Steuerpflichtigen (Stpfl.) - auf Erlaß der in einem Pauschbetrag festgesetzten Einkommensteuer auf im Veranlagungszeitraum 1957 erzielte ausländische Einkünfte ablehnte.
Der Stpfl. war persönlich haftender Gesellschafter der KG W. J. (im folgenden KG). Die KG betrieb den Export und Import. Sie hat Niederlassungen in (L), die die Herstellung und Lieferung von Waren im Ausland betrieben. Für diese Niederlassungen bestand eine besondere Buchführung.
Die einheitliche Gewinnfeststellung der KG für 1955 wurde unter Anwendung des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 25. Oktober 1939 (RStBl 1939 S. 1070) zunächst vorläufig vorgenommen. Dabei wurde die Bestimmung dieses Erlasses, die ausländische Zweigniederlassung müsse ihre Gewinne laufend in angemessenem Umfang an das Mutterhaus ausschütten, auf Grund einer Verfügung der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 29. Oktober 1954 in der Weise angewendet, daß als angemessene Gewinnausschüttung 5 v. H. des am Bilanzstichtag in der ausländischen Zweigniederlassung insgesamt angelegten Kapitals angesetzt wurde. Die einheitliche Gewinnfeststellung für 1956 wurde endgültig durchgeführt.
Am 28. August 1959 beantragte der Stpfl., die Einkommensteuer 1957 für die Einkünfte aus den Niederlassungen in L. auf Grund des Erlasses der Finanzbehörde Hamburg vom 8. Juli 1959 (BStBl 1959 II S. 109) mit 25 v. H. zu pauschalieren. Das Finanzamt setzte im Einkommensteuerbescheid 1957 vom 15. September 1959 die Einkommensteuer auf die bezeichneten ausländischen Einkünfte dem Antrag entsprechend in einem Pauschbetrag fest. Am 12. Oktober 1959 beantragte der Stpfl., diese Einkommensteuer im Billigkeitswege zu erlassen. Zur Begründung trug er vor, die Betriebstätten in L. ständen in starker Konkurrenz zu anderen ausländischen Firmen, die nach dem Steuerrecht ihres Heimatstaates keiner Doppelbesteuerung unterlägen, sondern nur mit der niedrigen income tax belastet seien. Andere Firmen hätten zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ihre Niederlassungen in L. in die Form selbständiger juristischer Personen gekleidet. Davon habe er abgesehen, weil die bisherige Besteuerung nach dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 25. Oktober 1939 für ihn tragbar gewesen sei. Er habe nicht damit rechnen können, daß durch den mit Wirkung ab 1957 in das EStG eingefügten § 34 c die bisherige Besteuerung verschärft würde, zumal der Absatz 3 dieser Vorschrift sogar einen Erlaß der Steuer vorsehe. Diese Vorschrift sei von den beteiligten Wirtschaftskreisen dahin verstanden worden, daß die ausländischen Einkünfte weiterhin ähnlich begünstigt würden wie nach der bisherigen Rechtslage.
Der Antrag wurde vom Finanzamt über die Oberfinanzdirektion der Finanzbehörde vorgelegt und am 29. Februar 1960 von der Finanzbehörde mit Vertretern der KG besprochen. Nach einem Vermerk über diese Besprechung wurden die Vertreter der KG darauf hingewiesen, daß ein Erlaß über die gewährte Pauschalierung hinaus nicht möglich sei. Der Steuersatz von 25 v. H. sei nur nach langwierigen Verhandlungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium zustande gekommen, weil dieses gegen eine so weitgehende Pauschalierung Bedenken erhoben habe. Mit Schreiben vom 5. April 1960 teilte das Finanzamt dem Stpfl. mit, die Finanzbehörde und der Bundesminister der Finanzen hätten der Festsetzung der Einkommensteuer 1957, soweit sie auf Gewinne aus den Zweigniederlassungen in L. entfalle, auf 25 v. H. gemäß § 34 c Abs. 3 EStG zugestimmt. Dem weitergehenden Antrag auf Erlaß der auf die ausländischen Einkünfte entfallenden Einkommensteuer werde nicht entsprochen.
Der Stpfl. legte gegen die Ablehnung seines Erlaßantrags Berufung ein. Zur Begründung führte er an, der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 25. Oktober 1939 sei erst durch gleichlautende Ländererlasse, die im BStBl 1958 II S. 71 vom 9. Mai 1958 bekanntgegeben worden seien, rückwirkend ab 1. Januar 1957 aufgehoben worden. Dies stelle eine unbillige Härte dar. Der Erlaß des Reichsministers der Finanzen sei nicht durch die ab 1. Januar 1957 geltende neue Regelung gegenstandslos geworden; er habe vielmehr angewandt werden müssen, bis er ausdrücklich aufgehoben worden sei. Erstmalig durch den angeführten Erlaß der Finanzbehörde Hamburg vom 8. Juli 1959 sei bekanntgegeben worden, in welcher Weise die in § 34 c Abs. 3 EStG vorgesehene Festsetzung der Einkommensteuer in einem Pauschbetrag vorgenommen werden sollte. Entsprechende Regelungen für den ebenfalls in § 34 c Abs. 3 EStG vorgesehenen vollen oder teilweisen Erlaß der auf ausländische Einkünfte entfallenden Einkommensteuer fehlten. Wenn sich die Finanzbehörden hinsichtlich der Besteuerung der ausländischen Einkünfte nicht dem Vorwurf der Willkür aussetzen wollten, sei es erforderlich, den Stpfl. mindestens für eine übergangszeit unter weiterer Anwendung der Grundsätze der früheren Erlasse des Reichsministers der Finanzen zur Vermeidung unbilliger Härten durch Erlaß oder Teilerlaß zu helfen. Der Stpfl. beschränkte deshalb seinen Antrag darauf, die Pauschbesteuerung der ausländischen Einkünfte mit 25 v. H. aufzuheben und die Besteuerung wie in den Vorjahren nach den früheren Erlassen des Reichsministers der Finanzen vorzunehmen.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht folgte den Darlegungen der Finanzbehörde. Von einer rückwirkenden Aufhebung des Erlasses des Reichsministers der Finanzen könne keine Rede sein. Der Erlaß des Reichsministers der Finanzen sei mit den Inkrafttreten des § 34 c EStG gegenstandslos geworden. Von da an habe die Wirtschaft damit rechnen müssen, daß die Auslandseinkünfte künftig anders besteuert würden. Ein Ermessensfehlgebrauch liege nicht vor, wenn die Finanzbehörde einen über die Pauschbesteuerung hinausgehenden Erlaß abgelehnt habe. Durch das nach Ansicht des Stpfl. zu späte Ergehen der Erlasse vom 9. Mai 1958 und vom 8. Juli 1959 sei auch der Vertrauensschutz des Stpfl. nicht verletzt worden. Der Stpfl. habe schon deshalb nicht mit einer weiteren Anwendung der früheren Regelung rechnen können, weil schon die Veranlagung 1955 vorläufig vorgenommen worden sei.
Mit der nunmehr als Revision zu behandelnden Rb. rügt der Stpfl. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und wesentliche Verfahrensmängel. Die Auffassung des Finanzgerichts, durch den § 34 c Abs. 3 EStG sei eine veränderte Rechtslage eingetreten, sei unrichtig. Diese Vorschrift sehe u. a. einen vollen oder teilweisen Erlaß der auf die ausländischen Einkünfte entfallenden Einkommensteuer vor. Einen solchen Erlaß habe aber auch schon der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 25. Oktober 1939 ausgesprochen. Nach der Einfügung des § 34 c Abs. 3 EStG habe bis zum Ergehen des Pauschalierungserlasses vom 8. Juli 1959 hinsichtlich der Besteuerung der ausländischen Einkünfte ein gesetzloser Zustand und damit Unklarheit bei den beteiligten Wirtschaftskreisen bestanden. Jedenfalls sei die weitere Anwendung des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 25. Oktober 1939 auch nach dem Inkrafttreten des § 34 c Abs. 3 EStG rechtlich zulässig gewesen. Durch das lange Schweigen der Verwaltung sei den betroffenen Steuerpflichtigen jede Dispositionsmöglichkeit genommen worden, etwa die rechtzeitige Umwandlung der unselbständigen ausländischen Betriebstätten in selbständige, nur im Ausland steuerpflichtige Kapitalgesellschaften. Mangelnde Sachaufklärung und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel sieht der Stpfl. darin, daß in dem Verfahren vor dem Finanzgericht nicht ausreichend geklärt worden sei, welche volkswirtschaftlichen Gründe für einen vollen oder teilweisen Erlaß der Einkommensteuer gegeben sein müßten.
Auf Ersuchen des damals zuständigen I. Senats des Bundesfinanzhofs trat der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren bei und führte u. a. folgendes aus. Der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 25. Oktober 1939 sei seit dem Inkrafttreten des § 34 c EStG, also seit dem 1. Januar 1957, gegenstandslos und nicht mehr anwendbar. Er beruhe auf der Voraussetzung, daß der Abzug der ausländischen Steuer nur vom Gesamtbetrag der Einkünfte zulässig sei (vgl. zuletzt § 51 EStDV 1955). Eine ausdrückliche Aufhebung des Erlasses des Reichsministers der Finanzen sei zunächst für entbehrlich gehalten worden. Erst als sich herausgestellt habe, daß er in einigen Fällen irrtümlich noch für weiter anwendbar gehalten worden sei, sei der Erlaß vom 9. Mai 1958 ergangen; dieser habe nur deklaratorische Bedeutung. § 34 c Abs. 3 EStG trete gegenüber § 34 c Abs. 1 EStG an die Stelle, die der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 25. Oktober 1939 gegenüber der früheren Regelung in der EStDV eingenommen habe. Der Inhalt des § 34 c Abs. 3 EStG unterscheide sich grundlegend von der früheren Erlaßregelung. § 34 c Abs. 3 EStG stelle keine Ermächtigung für die Verwaltung dar, eine Milderungsregelung zu schaffen, sondern enthalte bereits die Milderungsregelung. Der Erlaß vom 8. Juli 1959 gebe Richtlinien für die Pauschalierung und nenne auch die wichtigsten Voraussetzungen für einen Steuererlaß aus volkswirtschaftlichen Zweckmäßigkeitsgründen. Er behandele aber nur die Regelfälle der Pauschalierung und sei nicht erschöpfend, wenn auch außerhalb seines Bereichs nur verhältnismäßig wenige Fälle ausländischer Einkünfte aus Gewerbebetrieb denkbar sein dürften, in denen in weiterem Rahmen zu erlassen oder zu pauschalieren sei. Es sei nicht Sinn und Zweck der Pauschalierung, alle Wettbewerbsnachteile deutscher Unternehmen im Ausland schlechthin zu beseitigen. Ein Erlaß sei neben einer Pauschalierung zulässig, aber nur wenn eine Abweichung von der Normalregelung des Pauschalierungserlasses vom 8. Juli 1959 aus Gründen zweckmäßig sei, die sich aus der allgemeinen Volkswirtschaft, nicht aber auch der besonderen Lage oder den persönlichen Verhältnissen des einzelnen Steuerpflichtigen ergäben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 34 c Abs. 3 EStG 1957 können die obersten Finanzbehörden der Länder mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer ganz oder teilweise erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig oder die Anwendung des Absatzes 1 besonders schwierig ist. Zuständig für eine auf Grund dieser Vorschrift zu treffende Entscheidung ist also die oberste Finanzbehörde des Landes, die ihrerseits der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen bedarf. Bei einer Entscheidung nach § 34 c Abs. 3 EStG handelt es sich, soweit eine Pauschalierung der Steuer vorgenommen wird, um einen verselbständigten Teil des Veranlagungsverfahrens, der das Finanzamt nicht hindert, die Veranlagung im übrigen durchzuführen, bevor über die Anwendung des § 34 c Abs. 3 EStG entschieden ist.
Dadurch, daß das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid vom 15. September 1959 die auf die ausländischen Einkünfte des Stpfl. entfallende Einkommensteuer in einem Pauschbetrag festsetzte, verstieß es gegen die angeführte gesetzliche Vorschrift, die eine Entscheidung der obersten Finanzbehörde vorbehält. Ob dieser Verwaltungsakt deshalb nichtig oder nur schwebend unwirksam ist, kann dahingestellt bleiben.
Die nach Einholung der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen ergangene Entscheidung der Finanzbehörde über die Pauschalierung dieser Steuer und die Ablehnung des Antrags auf Erlaß dieser Steuer, die dem Stpfl. mit Schreiben vom 5. April 1960 mitgeteilt wurde, ist jedenfalls eine wirksame Entscheidung über die Anträge des Stpfl. zur Besteuerung seiner ausländischen Einkünfte. Die hiergegen am 4. Mai 1960 eingelegte Berufung ist rechtzeitig.
Bei der Anwendung des § 34 c Abs. 3 EStG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Das Rechtsmittelverfahren richtete sich seinerzeit nach § 237 AO in Verbindung mit § 304 AO und (nach dem für das Streitjahr geltenden Rechtszustand) Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG). Da für Entscheidungen nach § 34 c Abs. 3 EStG in erster Instanz die obersten Finanzbehörden der Länder zuständig sind, fehlt es an einer nächsthöheren Behörde, die über die Beschwerde entscheiden könnte. Bei sinngemäßer Anwendung des § 237 AO in der für 1957 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ist deshalb eine nach § 34 c Abs. 3 EStG ergangene Entscheidung der obersten Finanzbehörde eines Landes unmittelbar mit der Berufung anfechtbar, wie dies in dem später eingefügten § 237 Abs. 3 Ziff. 1 AO (jetzt § 230 Abs. 3 Ziff. 1 AO in der Fassung der FGO vom 6. Oktober 1965 - BGBl I S. 1477 -) ausdrücklich vorgeschrieben ist.
Die gerichtliche Nachprüfung der Ermessensentscheidung einer Verwaltungsbehörde hat sich in erster Linie auf die Rechtsgrundlagen der Entscheidung, d. h. besonders darauf zu erstrecken, ob die Entscheidung auf Grund einer gültigen gesetzlichen Vorschrift ergangen ist.
Die angefochtene Entscheidung der Finanzbehörde beruhte auf § 34 c Abs. 3 EStG. Diese Vorschrift ist mit dem GG nicht vereinbar. Es handelt sich nicht um eine Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsvorschriften, so daß eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Art. 80 Abs. 1 GG ausscheidet. Der Gesetzgeber ermächtigte vielmehr unmittelbar die Exekutive zur Vornahme von Verwaltungsakten, nämlich zu einer Festsetzung der auf ausländische Einkünfte entfallenden Einkommensteuer in Abweichung von den allgemein geltenden Vorschriften oder zu einem völligen oder teilweisen Erlaß dieser Einkommensteuer. Die Grundsätze des Rechtsstaats fordern, daß auch Ermächtigungen an der Exekutive zur Vornahme belastender oder gegenüber anderen Steuerpflichtigen entlastender Verwaltungsakte durch das ermächtigende Gesetz nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sind, so daß die Eingriffe meßbar und in gewissem Umfang für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar werden. Das folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dem Prinzip der Gewaltenteilung und aus der rechtsstaatlichen Forderung nach möglichst lückenlosem gerichtlichem Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Hand. Das Gesetz muß die Tätigkeit der Verwaltung inhaltlich normieren und darf sich nicht darauf beschränken, allgemein gehaltene Grundsätze aufzustellen. Eine lediglich formelle rechtssatzmäßige Bindung der Eingriffsverwaltung genügt nicht. Eine "vage Generalklausel", die es dem Ermessen der Exekutive überläßt, die Grenzen der Freiheit im einzelnen zu bestimmen, ist mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vereinbar. Das ergibt sich auch aus dem Prinzip der Gewaltenteilung. Sind die Vollmachten der Exekutive nicht hinreichend bestimmt, so führt sie nicht mehr das Gesetz aus und handelt nicht mehr nach den Richtlinien des Gesetzgebers, sondern entscheidet an dessen Stelle (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 1958 2 BvL 4, 26, 40/56, 7/57, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 8 S. 274 (276), und vom 10. Oktober 1961 2 BvL 1/59, BVerfGE Bd. 13 S. 153, BStBl 1961 I S. 716). Diese Grundsätze müssen auch für eine gesetzliche Vorschrift, in der die Verwaltung ermächtigt wird, eine Steuer im Einzelfall niedriger festzusetzen als es den für alle Steuerpflichtigen geltenden Vorschriften entspricht oder auf eine festgesetzte Steuer ganz oder teilweise zu verzichten, gelten.
Diese Grundsätze verwehren es allerdings, wie das Bundesverfassungsgericht in den angeführten Beschlüssen ausführt, dem Gesetzgeber nicht, in gewissem Umfang Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe, wie den Begriff der "Ordnungsmäßigkeit der Buchführung" oder den Begriff "unbillige Härte" zu verwenden. Denn gerade im Bereich des Wirtschafts- und Steuerrechts kommt der Gesetzgeber nicht ohne sie aus. In diesem Bereich wird sich der Gesetzgeber u. U. abstrakter und unbestimmter Formulierungen bedienen müssen, um die Verwaltungsbehörden in die Lage zu versetzen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, die besonderen Umstände des einzelnen Falles und die schnell wechselnden Situationen des wirtschaftlichen Lebens zu berücksichtigen.
Die Ermächtigung in § 34 c Abs. 3 EStG, die Steuer ganz oder teilweise zu erlassen oder in einem Pauschbetrag festzusetzen, wenn die Anwendung des Absatzes 1, nämlich die Errechnung der auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnenden ausländischen Steuer, im Einzelfall besonders schwierig ist, dürfte den dargestellten Grundsätzen entsprechen, weil sie den Verwaltungsbehörden die Handhabung einer Vorschrift u. U. erst ermöglicht, deren Anwendung bei der Vielzahl der sich bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte ergebenden Probleme (vgl. §§ 68 a bis 68 g EStDV) und bei der Vielfalt der anzuwendenden ausländischen Steuersysteme erhebliche Schwierigkeiten und unangemessenen Verwaltungsaufwand verursachen kann. Zulässig ist aber eine Pauschalierung nur, wenn sie das Ziel hat, mit der Pauschsteuer der nach den allgemeinen Vorschriften festzusetzenden Steuer möglichst nahe zu kommen (vgl. hierzu auch das Urteil des BFH I 2/58 S vom 7. April 1959, BStBl 1959 III S. 233, Slg. Bd. 68 S. 611).
Nach diesen Grundsätzen entspricht die Ermächtigung, die bezeichneten Maßnahmen auch vorzunehmen, wenn dies "aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist", nicht den dargestellten Grundsätzen. Der Gesetzgeber verwendete damit nicht in zulässiger Weise einen "unbestimmten Rechtsbegriff", sondern arbeitete in unzulässiger Weise mit einer "vagen Generalklausel". Volkswirtschaft ist "die Gesamtheit aller mittelbar oder unmittelbar auf die Wirtschaft einwirkenden Kräfte, sämtliche Beziehungen und Verflechtungen der Einzelwirtschaften innerhalb eines durch Grenzen deutlich von anderen Gebieten abgegrenzten Gebietes mit einheitlicher Währung" (Dr. Gablers, Wirtschaftslexikon, 6. Auflage). "Volkswirtschaftliche Gründe" können danach aus so vielfältigen Quellen herrühren, daß es unmöglich ist, sie zu übersehen. Die Bedenken werden dadurch verstärkt, daß die Ermächtigung an die Verwaltung nicht einmal auf das Vorliegen solcher Gründe begrenzt ist, die aus der Außenwirtschaft herrühren, obwohl es nahegelegen hätte, die Möglichkeiten auf diesen Zweig der Volkswirtschaft zu begrenzen, und daß Pauschalierung und Erlaß nicht nur dann zulässig sein sollen, wenn volkswirtschaftliche Gründe es erfordern oder gebieten, sondern schon dann, wenn die Verwaltung es für zweckmäßig hält. Die fehlende Beschränkung auf eine Antragstellung durch den Steuerpflichtigen erweitert die Befugnisse der Verwaltung zudem in bedenklicher Weise.
Die Notwendigkeit, die Verwaltungsbehörden in die Lage zu versetzen, ihre Aufgabe, den besonderen Umständen des Einzelfalles und den schnell wechselnden Situationen des wirtschaftlichen Lebens gerecht zu werden, erforderte keine so unbestimmte Ermächtigung an die Verwaltung. Die koordinierten Ländererlasse aus dem Jahre 1959 (vgl. Erlaß der Finanzbehörde Hamburg vom 8. Juli 1959) bringen eine weitgehende Typisierung der Anwendung des § 34 c Abs. 3 EStG. Diese Erlasse sind - soweit ersichtlich - bis jetzt nicht geändert worden. Sowohl der Bundesminister der Finanzen wie die Finanzbehörde haben darauf hingewiesen, eine Anwendung dieser Vorschrift in Abweichung von den im Erlaß vom 8. Juli 1959 aufgestellten Grundsätzen werde nur in verhältnismäßig seltenen Fällen in Betracht kommen. Sie haben ferner betont, für die Anwendung des § 34 c Abs. 3 EStG komme es auf die Verhältnisse des einzelnen Betriebes nicht an. Für die Auffassung, daß die Verwendung "vager Generalklauseln" auf dem Gebiet der Besteuerung ausländischer Einkünfte entbehrlich ist, spricht auch der Umstand, daß die Vorschrift des § 34 c Abs. 4 EStG, gegen deren bisherige Fassung die dargelegten Bedenken ebenso gelten würden, durch Art. 1 Ziff. 16 des Steueränderungsgesetzes (StändG) 1965 vom 14. Mai 1965 (BStBl 1965 I S. 217) in einer Weise geändert worden ist, die die Bedenken ausräumt.
Aus allen diesen Gründen ist der Senat der Ansicht, daß § 34 c Abs. 3 EStG, soweit er Pauschalierung oder Erlaß der Steuer aus volkswirtschaftlichen Gründen gestattet, mit dem GG nicht vereinbar ist. Er muß aber von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG absehen, weil es für die Entscheidung des Streitfalls auf die Gültigkeit der bezeichneten Vorschrift nicht ankommt. Ist die Vorschrift gültig, so ist die Pauschalierung der Einkommensteuer von der Finanzbehörde ordnungsgemäß vorgenommen und der Antrag des Stpfl. auf eine weitergehende Vergünstigung aus den im folgenden darzulegenden Gründen unbegründet. Ist die Vorschrift verfassungswidrig, so hätte die Pauschalierung nicht vorgenommen werden dürfen. Eine Aufhebung der Pauschalierung im Rechtsmittelverfahren und eine andere Festsetzung der Steuer könnte aber nur zu einer Verböserung führen, die nicht zulässig wäre, wie aus § 96 FGO zu entnehmen ist.
Bis einschließlich 1956 wurde die nachweislich gezahlte ausländische Steuer vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (vgl. zuletzt § 51 EStDV 1955). Diese Regelung wurde durch Abschn. 2 des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 25. Oktober 1939 ergänzt. Darin waren im Verhältnis zu Staaten, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen nicht abgeschlossen war, "zur Erhaltung und gesunden Entwicklung des deutschen Außenhandels" steuerliche Erleichterungen vorgesehen. Beim Vorliegen der Voraussetzungen des Erlasses wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die durch die Tätigkeit einer in einem solchen Staat befindlichen Zweigniederlassung erzielt wurden, nicht zur Einkommensteuer herangezogen. Voraussetzung war u. a., daß die ausländische Zweigniederlassung ihren Gewinn laufend in angemessenem Umfang an das Mutterhaus ausschüttete oder abführte. Dieser Erlaß wurde auch nach 1945 zunächst angewandt. Durch eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 29. Oktober 1954 - S 1302 - 41 - St 21 - wurde ergänzend angeordnet, daß als angemessene Gewinnausschüttung stets ein Satz von 5 v. H. des am Bilanzstichtag in der ausländischen Zweigniederlassung angelegten Kapitals anzunehmen sei.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1957 trat mit Einfügung des § 34 c in das EStG durch das StändG vom 5. Oktober 1956 (BGBl I S. 781, BStBl 1956 I S. 433) eine grundlegende Neuregelung der Besteuerung ausländischer Einkünfte ein. Nach § 34 c Abs. 1 EStG ist bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ihren aus einem ausländischen Staat stammenden Einkünften in diesem Staat zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, die festgesetzte und gezahlte Einkommensteuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen. Diese grundsätzliche Regelung wird ergänzt durch § 34 c Abs. 3 EStG (vgl. unter 1) und durch eine Sonderregelung für die Seeschiffahrt in § 34 c Abs. 4 EStG. In dem Erlaß der Finanzbehörde Hamburg vom 8. Juli 1959 wurde die Höhe der Pauschsteuer mit 25 v. H. der Einkünfte der ausländischen Betriebstätte bestimmt und festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Einkommensteuer nach § 34 c Abs. 3 EStG pauschal ermittelt werden darf. Vorher waren koordinierte Ländererlasse ergangen, in denen erklärt wurde, für die Zeit nach dem Inkrafttreten des § 34 c EStG bestehe keine Veranlassung, den Erlaß des Reichsministers der Finanzen weiter anzuwenden. Zugleich wurde bestimmt, daß, soweit in Einzelfällen die steuerlichen Erleichterungen nach dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen für den Veranlagungszeitraum 1957 noch gewährt worden seien, es dabei sein Bewenden haben könne.
Da es sich bei der angefochtenen Entscheidung um einen Ermessensakt einer Verwaltungsbehörde handelt, beschränkt sich die gerichtliche überprüfung - außer auf die Grundlagen für den Verwaltungsakt in rechtlicher Hinsicht - darauf, ob das Ermessen nach Recht und Billigkeit ausgeübt wurde (Gutachten des Großen Senats des BFH Gr. S. D 1/51 S vom 17. April 1951, BStBl 1951 III S. 107, Slg. Bd. 55 S. 277, zuletzt bestätigt durch Urteil des BFH VII 22/62 S vom 19. Januar 1965, BStBl 1965 III S. 206. Slg. Bd. 81 S. 572).
Die gerichtliche Nachprüfung der Ermessensentscheidung einer Verwaltungsbehörde setzt voraus, daß die Verwaltungsbehörde eine Entscheidung getroffen hat, die klar erkennen läßt, daß und in welcher Weise sie das besondere Vorbringen des Antragstellers würdigte. Grundsätzlich muß eine ablehnende Entscheidung begründet werden (Urteil des BFH VII 93/61 U vom 10. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 491, Slg. Bd. 75 S. 615). Das Schreiben des Finanzamts vom 5. April 1960, durch das dem Stpfl. die ablehnende Entscheidung der Finanzbehörde mitgeteilt wurde, enthält keine Gründe für die Ablehnung. Das war hier entbehrlich, weil eine mündliche Erörterung bei der Finanzbehörde vorangegangen war, in deren Verlauf dem Stpfl. dargelegt wurde, aus welchen Gründen die Finanzbehörde glaubte, seinem Antrag nicht entsprechen zu können. Neue Gesichtspunkte für seinen Antrag hat der Stpfl. in der Zeit zwischen der Erörterung bei der Finanzbehörde und der Mitteilung der Ablehnung des Antrags nicht vorgebracht.
Es ist nicht erkennbar, daß die Finanzbehörde bei der Ablehnung des Antrags des Stpfl. einen Ermessensfehlgebrauch begangen hätte. Sie war entgegen der Ansicht des Stpfl. nicht verpflichtet, die Besteuerung der ausländischen Einkünfte des Stpfl. auch noch für 1957 ohne nähere Prüfung nach dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 25. Oktober 1939 vorzunehmen. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine weitere Anwendung dieses Erlasses auch nach Inkrafttreten des § 34 c Abs. 3 EStG rechtlich möglich gewesen wäre. Jedenfalls war die Verwaltung hierzu nicht verpflichtet. Es war für die beteiligten Wirtschaftskreise klar erkennbar, daß mit der Schaffung des § 34 c EStG die Besteuerung der ausländischen Einkünfte auf eine neue Grundlage gestellt wurde. Die Finanzbehörde sah es auch mit Recht als bedeutsam an, daß die im März 1957 durchgeführte Veranlagung des Stpfl. für 1955 zunächst vorläufig vorgenommen wurde, wobei im Bescheid ausdrücklich darauf hingewiesen ist, daß sich die Vorläufigkeit besonders auf die Behandlung der Einkünfte aus L. bezog. Es war somit auch für den Stpfl. erkennbar, daß mit einer Neuregelung der Besteuerung ausländischer Einkünfte gerechnet werden mußte.
Dem Bundesminister der Finanzen ist darin zuzustimmen, daß § 34 c Abs. 3 EStG keine Ermächtigung für die Verwaltung darstellt, eine Milderungsregelung erst zu schaffen, sondern die Milderungsregelung im Grundsatz bereits enthält. Mit dem Ergehen des § 34 c Abs. 3 EStG lagen die zu erlassenden Rechtsvorschriften also abschließend vor. Der Verwaltung oblag die Aufgabe, diese Milderungsregelung, deren Rahmen vom Gesetzgeber abgesteckt ist, auf die in Betracht kommenden Fälle anzuwenden. Aus Wortlaut und Sinn des § 34 c Abs. 3 EStG kann nicht eine Verpflichtung der Verwaltung hergeleitet werden, allgemeine Richtlinien für die Anwendung der Milderungsregelung zu erlassen. Die Verwaltung verstieß somit nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze, wenn sie allgemeine Richtlinien erst geraume Zeit nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung erließ. Der einzelne Steuerpflichtige hat nur einen Anspruch darauf, daß die Milderungsregelung unter Beachtung von Recht und Billigkeit auf seine Besteuerung angewendet wird. Aus diesem Grunde bedeutete es auch nicht von vornherein einen Verstoß gegen die gesetzliche Regelung und erst recht keinen Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze, daß die Verwaltung allgemeine Richtlinien mit Wirkung für bereits abgelaufene Veranlagungszeiträume erließ, wie dies mit den im Jahre 1959 ergangenen Erlassen geschehen ist, die die erstmalig für 1957 geltenden Grundsätze für die Pauschalierung der Einkommensteuer gemäß § 34 c Abs. 3 EStG für die Regelfälle enthalten.
Die Ausführungen des Stpfl. lassen den Schluß zu, daß er ein Recht auf eine über die vorgenommene Pauschalierung der Einkommensteuer hinausgehende Maßnahme auch aus § 131 AO herleiten will. Er betont mehrfach die Unbilligkeit der Entscheidung der Finanzbehörde. Eine Entscheidung über einen solchen Antrag ist nicht Gegenstand des gegenwärtigen Verfahrens. Es steht dem Stpfl. frei, einen entsprechenden Antrag bei dem zuständigen Finanzamt zu stellen.
Fundstellen
Haufe-Index 411932 |
BStBl III 1966, 556 |
BFHE 85, 399 |