Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
An einem Grundstück haftende Bauberechtigungen sind selbständige, bewertungsfähige Wirtschaftsgüter im Sinne des Bewertungsgesetzes.
Normenkette
BewG §§ 2, 56, 97, 66, 109-110, 67
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung von 13 Brauberechtigungen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Beschwerdeführerin (Bfin.) auf den 1. Januar 1946. Die Bfin. hatte diese Berechtigungen in ihrer Vermögensaufstellung auf den 30. September 1945 mit 26.000 RM angesetzt. Das Finanzamt hat sie mit 39.000 RM, das Finanzgericht wiederum mit 26.000 RM bewertet. Die Bfin. vertritt im Rechtsmittelverfahren die Auffassung, daß die Brauberechtigungen überhaupt keine selbständigen, bewertungsfähigen Wirtschaftsgüter seien. Die Brauberechtigungen sind im Mittelalter entstanden. Die Eigentümer gewisser Häuser (Braubürger) hatten das ausschließliche Recht Bier zu brauen. Das Braurecht war mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden. Die Häuser sind im Grundbuch als Brauhäuser eingetragen. Es gibt in X 424 derartige Häuser, somit 424 Brauberechtigungen, zu denen die hier in Betracht kommenden 13 Braurechte der Bfin. gehören. Ursprünglich wurde das Bier von den einzelnen Braubürgern in ihren Häusern gebraut. Später stellte die Stadt zwei besonders eingerichtete Gebäude für die Brauzwecke zur Verfügung, in denen unter der Bezeichnung Administrationsbrauerei das Bier für gemeinsame Rechnung der Braubürger gebraut wurde. Die Einführung der Gewerbefreiheit beendete die ausschließliche Braubefugnis der Braubürger. Gemäß § 7 der Gewerbeordnung wurde an die Gesamtheit der Braubürger eine Entschädigung von 165.000 Mark für den Wegfall des ausschließlichen Braurechts gezahlt. Von diesem Gelde wurde eine eigene Brauereianlage erbaut. Als Firmenbezeichnung wurde nunmehr die Bezeichnung Städtische Brauerei zu X gewählt. Sie ist im Handelsregister eingetragen. An Stelle des Statuts von 1849 erhielt die Brauerei ein neues Statut, das sich in der Fassung vom 16./19. Dezember 1929 bei den Akten befindet. Ferner besteht noch das Ortsstatut betreffend die Erhebung von Braurechtsgewinngeldern in der Stadt X vom 21. Februar / 5.März/22. März 1930. Nach § 1 des Statuts wird die städtische Brauerei aus den jeweiligen Eigentümern der 424 Häuser gebildet, mit welchem eine Braugerechtigkeit verbunden ist. Es bestehen demnach 424 mit dem Grundstückseigentum verbundene Brauanteile. Die Brauberechtigungen können gemäß dem Ortsstatut auf andere Wohnstellen übertragen werden. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 3 der Betrieb der Bierbrauerei für gemeinsame Rechnung der Brauberechtigten. Gemäß § 4 haben die Brauberechtigten für jede nach § 1 berechtigte Wohnstelle gleiches Anrecht an dem Vermögen der städtischen Brauerei. Die Brauberechtigten haften für die Verbindlichkeiten der Brauerei nicht persönlich, es haftet nur das Brauereivermögen. Nach § 5 werden die Interessen der Brauberechtigten durch den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Generalversammlung wahrgenommen. Jeder Brauberechtigte ist in der Generalversammlung stimmberechtigt und kann so viel Stimmen abgeben, als er nach § 1 berechtigte Brauanteile besitzt. Dem Magistrat der Stadt X steht neben seinen eigenen Brauberechtigungen ein Sonderstimmrecht zu, für das er jedoch keinen Braugeld- und Vermögensanspruch hat. Nach § 19 Abs. 4 wird, sobald die Jahresrechnung als richtig befunden ist, der Reingewinn nach Vornahme von Abschreibungen und Rücklagen in Form eines vom Vorstand und Aufsichtsrat festzustellenden und vom Magistrat zu genehmigenden Braugeldes unter die Brauberechtigten gleichmäßig verteilt. Gemäß § 38 bleiben die mit den Brauhäusern verbundenen Holzberechtigungen am X Walde unverändert bestehen. Eine Auflösung der Brauerei erfolgt nach § 39 durch Beschluß der Generalversammlung, falls 3/4 aller Brauberechtigten anwesend sind und zustimmen und der Magistrat seine Genehmigung erteilt. Bei der Auflösung wird das vorhandene Vermögen unter die 424 Brauberechtigten gleichmäßig verteilt. Dem Ortsstatut (ß 1) ist zu entnehmen, daß die Brauberechtigungen auf andere Hausstellen in der Stadt X übertragen werden können, jedoch mit der Einschränkung, daß auf keine Hausstelle mehr als eine Berechtigung gelegt werden darf. Sollte eine Hausstelle, mit der eine Berechtigung verbunden ist, eingehen, z. B. durch Anlegung einer öffentlichen Straße, so muß die Berechtigung auf eine andere Hausstelle übertragen werden. Für den Erwerb einer Brauberechtigung ist ein Braurechtsgewinngeld in Höhe von 150 RM als Gemeindeabgabe zu entrichten.
Die Rechtsform der Bfin. ist zweifelhaft. Im Handelsregister Abt. B ist in Spalte 6 eingetragen. "Realgemeinde der 424 Eigentümer derjenigen Hausstellen in der Stadt X auf welchen die Brauberechtigten haften." Jedoch ist dem Akteninhalt zu entnehmen, daß der Registerrichter beabsichtigte, die Bfin. als Körperschaft des öffentlichen Rechts in das Handelsregister Abt. A umzutragen. Nach einem Gutachten der Rechtsanwälte B und C ist die Bfin. bürgerlich-rechtlich als ein einer Realgemeinde ähnlicher Verband, steuerlich als nicht rechtsfähiger Verein anzusehen. Ein weiteres Gutachten erwähnt, daß die Bfin. in einem Antrag der Stadt X an den Bezirksausschuß in X betont habe, daß es sich bei der Bfin. um eine Realgemeinde oder Genossenschaft handele. Der Bezirksausschuß habe sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, daß die Vereinigung der Brauberechtigten eine rein privatrechtliche societas sei. Der Gutachter selbst ist der Meinung, daß die Bfin. eine juristische Person des öffentlichen Rechts darstelle, und zwar einen einer Realgemeinde ähnlichen Verband. Das Finanzamt ist in der Einspruchsentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Bfin. als Realgemeinde eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei. Später hat das Finanzamt diesen Standpunkt aufgegeben und sieht die Bfin. nunmehr als juristische Person des privaten Rechts an. Es vertritt jedoch die Auffassung, daß es für die hier zu treffende Entscheidung nicht darauf ankomme, ob die Bfin. eine rechtsfähige oder nicht rechtsfähige Personenvereinigung sei. In jedem Fall seien ihr die Brauberechtigungen als selbständige Wirtschaftsgüter zuzurechnen. Die Bfin. ist der Ansicht, daß sie steuerlich ein nicht rechtsfähiger Verein sei. Das Recht des einzelnen Braubürgers auf selbständige Ausübung des Braugewerbes auf seinem Grundstück sei untergegangen und habe sich in ein Gesamtrecht verwandelt, das von der Brauerei als Zusammenschluß der Braubürger ausgeübt werde, während der einzelne Brauberechtigte auf seine Mitgliedschaftsrechte an der Bfin. beschränkt sei. Anteilsrechte am Vermögen einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung gehörten nicht zu den Gegenständen des sonstigen Vermögens im Sinne von § 67 des Bewertungsgesetzes (BewG). Das Finanzgericht geht davon aus, daß die Bfin. unstreitig subjektiv körperschaftsteuerpflichtig und vermögensteuerpflichtig sei, und daß sie als Gewerbetreibende gemäß § 56 BewG nur Betriebsvermögen habe. Eine nähere Bestimmung der Rechtsform sei entbehrlich. Es könne dahingestellt bleiben, ob sie als nicht rechtsfähiger Verein oder juristische Person anzusehen sei. Die Brauberechtigungen seien nach ihrer tatsächlichen und rechtlichen Bedeutung jedenfalls selbständige Wirtschaftsgüter. Ein der Gemeinschaft aller Braubürger zustehendes Gesamtrecht sei zu verneinen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt Rechtsirrtümer, einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und Verfahrensmängel.
Sie ist unbegründet. I. Ein Verstoß gegen den Akteninhalt ist dem Finanzgericht nicht zur Last zu legen. Das Finanzgericht hat nicht verkannt, daß Gegenstand des Verfahrens die Bewertung der 13 Brauberechtigungen der Bfin. ist. Wenn das Finanzgericht die Frage, ob die Brauberechtigungen bewertungsfähige Wirtschaftsgüter seien, für alle Brauberechtigungen untersucht hat, ist dies nicht zu beanstanden. Es konnte nicht anders verfahren werden. Die in Händen der Bfin. befindlichen Brauberechtigungen sind gleicher Rechtsnatur wie die anderen Brauberechtigungen. Es blieb, wenn die Eigenschaft bewertungsfähiger Wirtschaftsgüter für die Brauberechtigungen zu bejahen war, höchstens noch zu prüfen, ob für die Bewertung der in Händen der Bfin. befindlichen Brauberechtigungen Besonderheiten in Frage kämen. Es ist daher unzutreffend, wenn die Bfin. gegenüber der Feststellung des Finanzgerichts, daß Brauberechtigungen veräußert worden seien, einwenden zu können glaubt, daß von ihren 13 Brauberechtigungen keine einzige veräußert worden sei. Auch Verfahrensmängel sind nicht erkennbar. Es ist von der Bfin. auch nicht näher dargelegt, worin sie bestehen sollen.
II. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat sich wiederholt mit der Frage befaßt, wie ähnliche Brauereiunternehmungen zu behandeln sind. In dem Urteil I 52/42 vom 12. Mai 1942 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1943 S. 50) ist ausgesprochen, daß fraglich sei, ob eine Braubürgschaft juristische Person im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sei, daß sie aber jedenfalls ein Rechtsgebilde im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 5 KStG (nicht rechtsfähiger Verein) darstelle. Sie komme einer Kapitalgesellschaft nahe und müsse bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Vermögens- und Einkommensträger angesehen werden. Die Gesellschafter seien nur kapitalistisch beteiligt, demgemäß keine Mitunternehmer. Das Urteil I 153/42 vom 10. November 1942 (RStBl. 1943 S. 51), das einen Verband der Braubürgerschaft behandelt, ist gleicher Auffassung. In dem zur Bewertung eines Braugrundstücks ergangenen Urteil III A 225/33 vom 7. September 1933 (RStBl. 1933 S. 1352) ist entschieden, daß eine an einem Grundstück haftende Brauberechtigung wirtschaftlich nicht zum Grundstück gehöre, selbst wenn sie bürgerlich-rechtlich als dessen Bestandteil aufzufassen sei. Ob das Braurecht als bewertungsfähiger bzw. bewertungspflichtiger Gegenstand des Betriebsvermögens anzusehen sei, und gegebenenfalls, bei wem es zu bewerten sei, oder ob die Möglichkeit gegeben sei, es dem sonstigen Vermögen der einzelnen Berechtigten zuzurechnen, könne in diesem, das Grundstück betreffenden, Verfahren jedoch nicht untersucht werden.
Der Senat ist mit den zur Körperschaftsteuer ergangenen Urteilen des Reichsfinanzhofs der Auffassung, daß die Bfin. als nicht rechtsfähiger Verein (ß 56 Abs. 1 Ziff. 5 BewG und § 1 Abs. 1 Ziff. 2e des Vermögensteuergesetzes - VStG -) anzusehen ist. Gemäß § 56 Abs. 1 BewG bilden alle ihr gehörigen Wirtschaftsgüter einen gewerblichen Betrieb. Es ist also zu prüfen, ob die Brauberechtigungen selbständige bewertungsfähige Wirtschaftsgüter sind. Diese Frage ist vom Finanzgericht mit zutreffenden Gründen bejaht worden. Mit Recht hat das Finanzgericht darauf hingewiesen, daß den Brauberechtigungen sowohl nach dem Statut wie nach der Verkehrsauffassung ein selbständiger Wert zukommt, worauf auch das vom Finanzamt zu den Akten überreichte Inserat in der X Presse vom 19. März 1951 hinweist, in dem Brauereigerechtsame sofort gegen Kasse zu kaufen gesucht werden, und daß die Berechtigungen im Grundbuch eingetragen und im Rahmen des § 1 des Ortsstatuts übertragbar sind. Es trifft danach nicht zu, daß die Brauberechtigungen der einzelnen Braubürger inhaltslos geworden sind und an ihre Stelle lediglich ein der Gemeinschaft der Braubürger zustehendes Gesamtrecht getreten ist. Allerdings besteht nach Beseitigung der ausschließlichen Gewerbeberechtigung die praktische Bedeutung der Brauereiberechtigung im wesentlichen darin, daß sie dem Berechtigten die Möglichkeit gibt, Mitglied des Brauunternehmens der Bfin. zu werden. Daraus folgt aber nicht, daß ihr Eigenwert verloren gegangen ist. Es ist vielmehr nach der tatsächlichen und rechtlichen Gestaltung ein wirtschaftlicher Wert der einzelnen Brauberechtigung für den einzelnen Braubürger verblieben, der auch von der Verkehrsauffassung (vgl. das erwähnte Kaufgesuch) anerkannt wird. Danach sind Brauberechtigungen und Anteile der einzelnen Braubürger am Vermögen der Brauerei (Brauanteile) nicht identisch. Soweit die Bewertung der Brauberechtigungen zu einer Doppelbesteuerung führt, ist sie jedenfalls vom Gesetz gewollt.
Da die Brauerei selbst Eigentümer von Brauhäusern ist, sind ihr die mit ihnen verbundenen 13 Brauberechtigungen wie jedem anderen Brauberechtigten zuzurechnen. Allerdings rechnen sie bei ihr gemäß § 56 Abs. 1 BewG in jedem Fall zum Betriebsvermögen. Für die selbständige Bewertung der Brauberechtigungen spricht außer den angeführten Gründen noch weiter der Umstand, daß nach § 38 des Statuts die mit den Brauhäusern verbundenen Holzberechtigungen unverändert bestehen geblieben sind. Mag dem möglicherweise auch keine allzu große Bedeutung zukommen, so spricht doch auch dieser Gesichtspunkt für die Notwendigkeit gesonderter Bewertung der Brauberechtigungen und gegen die Auffassung, daß sie nur (nicht besonders zu bewertende) Mitgliedschaftsrechte an einem nicht rechtsfähigen Verein darstellten. Gegen die Bewertung der Brauberechtigungen als selbständige Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens der Bfin. bestehen hiernach keine Bedenken. Wie die Brauberechtigungen der einzelnen Braubürger bei diesen zu bewerten sind, als Betriebsvermögen oder sonstiges Vermögen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung. Es ist lediglich darauf hinzuweisen, daß, soweit Bewertung als sonstiges Vermögen in Frage kommt, die Aufzählung in § 67 BewG nicht erschöpfend ist, sondern daß unter § 67 a. a. O. Wirtschaftsgüter aller Art fallen.
Fundstellen
Haufe-Index 407588 |
BStBl III 1953, 90 |
BFHE 1954, 225 |
BFHE 57, 225 |