Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer und zur Kassation von Verwaltungsentscheidungen aufgrund einer Verpflichtungsklage

 

Leitsatz (NV)

1. Wer viele Jahre lang Einkünfte - hier Kapitalerträge - als eigene bezieht, kann den verwirklichten Steuertatbestand nicht im Wege einer sich Rückwirkung beilegenden Abtretung rückgängig machen.

2. Die Kassation der Verwaltungsentscheidung durch das FG gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO ist auch bei Verpflichtungsklagen - in Gestalt der Vornahmeklage - möglich. Die Kassation kommt nicht in Betracht, wenn das FG nach den vom Steuerpflichtigen vorgelegten Nachweisen den Sachverhalt selbst feststellen kann und der Steuerpflichtige nach längerer Prozeßdauer ein Interesse an einer sachlichen Gerichtsentscheidung hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 46; FGO § 100 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

I. Die Sachen I R 200/80 und I R 201/80 sind zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden worden (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

II. Streitig ist die Erstattung einbehaltener Steuerabzugsbeträge.

Der 1963 verstorbene Textdichter A war zu seinen Lebzeiten Inhaber schriftstellerischer Urheberrechte, für deren Nutzung er von der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) Honorare erhielt. Nach dessen Tod schrieb die GEMA die laufenden Honorare der Ehefrau - der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) - und der Schwester des Verstorbenen (Frau V) als Erbinnen je zur Hälfte gut.

Die Klägerin und Frau V sind italienische Staatsangehörige. Die Klägerin hatte in den ersten beiden Streitjahren 1968 und 1969 eine Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland und eine Wohnung in Italien. Wo sie in den folgenden Streitjahren (bis 1975) eine Wohnung hatte, ist streitig. Für die Streitjahre 1968 und 1969 wurde sie von ihrem Wohnsitz-Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt. Frau V hatte ihren Wohnsitz in Rom.Die GEMA hatte von den Honoraren keine Steuerabzugsbeträge einbehalten und abgeführt. 1972 beantragten die Klägerin und Frau V bei dem Beklagten und Revisionskläger (Bundesamt für Finanzen - BfF -) formlos die Erteilung von Freistellungsbescheinigungen nach § 73 h der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Sie seien italienische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Italien; die Honorare seien nach dem Abkommen zwischen dem Deutschen Reiche und dem Königreich Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung anderer Fragen auf dem Gebiete der direkten Steuern vom 31. Oktober 1925 - DBA-Italien - (RGBl II, 1146) in der Bundesrepublik Deutschland nicht steuerpflichtig. Das BfF lehnte - für jede der Antragstellerinnen durch besonderen Bescheid - die Erteilung der Freistellungsbescheinigungen ab, weil sie sich geweigert hätten, ihre Anträge auf den amtlichen Vordrucken mit dem darin geforderten Bestätigungsvermerk der für sie zuständigen italienischen Steuerbehörde zu stellen, und weil sie den beglaubigten Nachweis über ihre Staatsangehörigkeit nicht vorgelegt hätten. Die Einsprüche gegen die Ablehnungsbescheide wurden wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig verworfen. Nach Ergehen der ablehnenden Bescheide behielt die GEMA von den dann fälligen Honoraren Steuerabzugsbeträge ein und führte sie an ein Finanzamt in Berlin ab.

Wegen der Steuerabzugsbeträge für die in der Zeit vom 1. Januar 1968 bis 20. April 1975 gezahlten Honorare erließ das genannte Berliner Finanzamt gegen die GEMA einen Haftungsbescheid über . . . DM Einkommensteuer, . . . DM Ergänzungsabgabe und . . . DM Stabilitätszuschlag. Der Haftungsbescheid wurde bestandskräftig. Die gesamten mit Haftungsbescheid angeforderten Steuern wurden von der GEMA von den ab April 1975 ausgezahlten Honoraren (zusätzlich zu den laufenden Steuerabzugsbeträgen) einbehalten und abgeführt.

1976 beantragten die Klägerin und Frau V beim BfF, alle aufgrund des Haftungsbescheids von der GEMA abgeführten Steuerbeträge zu erstatten. Mit Bescheiden vom 11. Juni 1976 lehnte das BfF die von jeder der Antragstellerinnen begehrte Erstattung von je . . . DM ab. Die Erstattung von Steuerabzugsbeträgen aufgrund eines DBA setze voraus, daß das BfF dem Schuldner der Vergütungen eine Freistellungsbescheinigung nach § 73 h EStDV erteilt habe, die ihm erlaube, den Steuerabzug zu unterlassen. Da die Freistellung bestandskräftig abgelehnt worden sei, komme eine Erstattung nicht in Betracht.

Gegen die Ablehnung ihrer Erstattungsanträge haben die Klägerin und Frau V Einsprüche eingelegt und - da über diese in den folgenden sechs Monaten nicht entschieden worden war - Klage beim Finanzgericht (FG) erhoben. Während des Verfahrens vor dem FG hat das BfF eine Einspruchsentscheidung erlassen, mit der der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen worden ist.

Nach Erhebung der Klage fand im Jahre 1977 - unter Berufung auf eine aufgefundene letztwillige Verfügung des A - eine Erbauseinandersetzung zwischen der Klägerin und Frau V statt, wobei Frau V zugunsten der Klägerin auf die Honorare der GEMA ,,auch retrospektiv" verzichtete. Frau V hat daraufhin ihre Klage zurückgenommen. Das FG hat ihr Verfahren abgetrennt und eingestellt. Die Klägerin hat daraufhin ihren Klageantrag dahin erweitert, unter Aufhebung der gegen sie und gegen Frau V ergangenen ablehnenden Bescheide sämtliche auf ihre und auf Rechnung der Frau V von der GEMA einbehaltenen Steuerabzugsbeträge an sie - die Klägerin - zu erstatten. Sie begehrte ferner, das BfF zu verurteilen, auch die von der GEMA seit April 1975 bis zum Abschluß des Prozesses laufend abgeführten Steuern zu erstatten und festzustellen, daß die Klägerin mit ihren aus der freien Berufstätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes herrührenden Einnahmen, die die GEMA aufgrund der ,,Urheberschutzrechte" einziehe und verwalte, in der Bundesrepublik nicht steuerpflichtig sei, sondern daß das Besteuerungsrecht aufgrund des DBA-Italien der Republik Italien zustehe. Zur näheren Begründung trug die Klägerin vor, sie habe ihren Wohnsitz im Inland Anfang 1970 und ihren Wohnsitz in Italien im Juni 1970 aufgegeben. Von Juli 1970 bis April 1973 habe sie keinen Wohnsitz gehabt, sondern sich abwechselnd bei namentlich genannten Verwandten, Freunden und Bekannten in Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgehalten. Ab Mai 1973 habe sie eine Wohnung in Italien bezogen. Diese Wohnung habe sie 1976 aufgegeben. Anschließend habe sie sich bis Dezember 1978 wieder bei Verwandten, Freunden und Bekannten aufgehalten. Ab Januar 1979 habe sie ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik.

Das FG hat das Verfahren wegen des Steuerabzugs ab dem Jahre 1970 abgetrennt.

Mit dem - allein gegen die Klägerin ergangenen - Urteil hat das FG hinsichtlich des Steuerabzugs für die Jahre 1968 und 1969 entschieden, daß der gegen die Klägerin gerichtete und eine Steuererstattung ablehnende Bescheid des BfF und die Einspruchsentscheidung - soweit sie die Steuerabzugsbeträge der Jahre 1968 und 1969 betreffen - wegen sachlicher Unzuständigkeit der beklagten Behörde aufgehoben werden, daß ferner der gegen Frau V ergangene, eine Erstattung ablehnende Bescheid des BfF dahin geändert wird, daß der Erstattungsbetrag für die Jahre 1968 und 1969 auf . . . DM Einkommensteuer und . . . DM Ergänzungsabgabe festgesetzt wird.

Mit einem weiteren ebenfalls allein gegen die Klägerin ergangenen Urteil hat das FG die gegen die Klägerin ergangenen und eine Steuererstattung ablehnenden Bescheide wegen der Erstattungen für die Jahre 1970 ff. aufgehoben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Der gegen Frau V ergangene, eine Erstattung ablehnende Bescheid - soweit er die Jahre 1970 f. betraf - ist dahin geändert worden, daß der Erstattungsbetrag für den Zeitraum vom 1. Januar 1970 bis 20. April 1975 auf . . . DM Einkommensteuer, . . . DM Ergänzungsabgabe und . . . DM Stabilitätszuschlag festgesetzt wurde. Die Klage wurde im übrigen abgewiesen.

Gegen beide Entscheidungen des FG hat das BfF Revision eingelegt. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

III. Beide Revisionen des BfF sind begründet.

1. Das FG hätte in den Urteilen den gegen Frau V ergangenen Bescheid nicht ändern und Erstattungsbeträge, die der Klägerin auszuzahlen sind, nicht festsetzen dürfen. Das FG hat mit beiden Urteilen einen Bescheid geändert, dessen Adressat nicht die Klägerin, sondern eine Person war, die im Zeitpunkt des Ergehens der finanzgerichtlichen Urteile nicht mehr Verfahrensbeteiligte war. Die Klägerin war nicht berechtigt, das Verfahren wegen behaupteter Erstattungsansprüche der Frau V im eigenen Namen vor dem FG zu betreiben und die Erstattung der auf deren Rechnung einbehaltenen Abzugsbeträge zu verlangen.

a) Das FG ist ohne nähere Begründung davon ausgegangen, der Erstattungsanspruch der Frau V sei im Wege der Abtretung auf die Klägerin übergegangen. Es ist zweifelhaft, ob das zutrifft. Jedenfalls hat das FG nicht festgestellt, daß die Voraussetzungen des § 46 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Wirksamkeit der Abtretung eines Steuererstattungsanspruchs erfüllt sind. Die Abtretung eines Steuererstattungsanspruchs der Frau V an die Klägerin hat außerdem nicht zur Folge, daß die prozessuale Rechtsstellung der Frau V auf die Klägerin übergeht (§ 155 FGO i.V.m. § 265 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

b) Die in Rede stehenden Erstattungsansprüche sind auch nicht dadurch auf die Klägerin übergegangen, daß Frau V - nach Auffinden einer letztwilligen Verfügung ihres Bruders - im Wege einer Erbauseinandersetzung rückwirkend - ,,retrospektiv" - auf ihren Anteil an den Einnahmen des in der Person ihres verstorbenen Bruders entstandenen Urheberrechts zugunsten der Klägerin verzichtet hat. A - der Ehemann der Klägerin und Bruder der Frau V - ist 1963 verstorben. Die Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und ihrer Schwägerin (Frau V) hat frühestens im Jahre 1977 stattgefunden. Ganz gleich, ob es sich bei der letztwilligen Verfügung - sollte diese wirksam sein - um eine Erbeinsetzung oder um ein Vermächtnis handelt, so haben die Klägerin und Frau V etwa 14 Jahre lang jede für sich und aus behauptetem eigenem Recht - als Miterbinnen - aus der Überlassung der Nutzungsrechte je die Hälfte der Honorare von der GEMA vereinnahmt. So auch noch in dem streitigen Zeitraum vom 1. Januar 1968 bis 20. April 1975. Damit haben die Klägerin und Frau V für diesen Zeitraum eigene Einkünfte bezogen und somit den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht. Das ergibt sich aus § 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Abs. 1 dieser Vorschrift in den für die Streitjahre geltenden Fassungen besagt, daß die Einkünfte der Einkommensteuer unterliegen, die der Steuerpflichtige ,,erzielt" oder ,,bezogen" hat. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, daß er die Einkünfte nur demjenigen zurechnen will, der das Erzielen oder Beziehen dieser Einkünfte verwirklicht hat. Erzielt werden die Einkünfte von demjenigen, der einen der in § 2 EStG genannten Einkunftstatbestände erfüllt (BFH-Urteile vom 13. Mai 1980 VIII R 63/79, BFHE 131, 212, BStBl II 1981, 295; vom 9. Dezember 1981 I R 215/78, BFHE 136, 455, BStBl II 1983, 27). Der einmal verwirklichte Steuertatbestand kann mit steuerrechtlicher Wirkung nicht rückgängig gemacht werden (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., § 2 EStG Anm. 127, und die dort angeführte Rechtsprechung).

2. Das FG hat zwar zu Recht die Auffassung des BfF zurückgewiesen, die Erstattung der einbehaltenen Steuerabzugsbeträge sei zu versagen, weil zuvor die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung abgelehnt worden sei. Für die Zeit vor Inkrafttreten der AO 1977 war der Erlaß eines Steuerbescheids oder eines Freistellungsbescheids noch nicht Voraussetzung für die Erstattung zu Unrecht gezahlter oder einbehaltener Steuerbeträge. Das FG hätte aber den gegen die Klägerin ergangenen Bescheid - soweit er die Jahre 1970 ff. betrifft - und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung nicht gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufheben dürfen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Vorschrift gibt dem FG nur dann die Möglichkeit der Kassation ohne eigene Entscheidung, wenn es wesentliche Verfahrensmängel festgestellt hat und eine weitere, einen erheblichen Aufwand an Kosten und Zeit erfordernde Aufklärung für nötig hält. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine im Revisionsverfahren nachprüfbare Rechtsentscheidung (Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr. 9563).

Der erkennende Senat braucht im Streitfall ebenso wie der BFH in dem Urteil vom 9. November 1983 II R 71/82 (BFHE 140, 13, BStBl II 1984, 446) nicht darüber zu befinden, ob die Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO deshalb nicht in Betracht kommt, weil die von der Klägerin erhobene Klage mit dem Ziel einer Erstattung in erster Linie auf die Verpflichtung des BfF zur Erstattung einbehaltener und abgeführter Abzugsbeträge gerichtet ist (§ 101 FGO). Der weiterhin gestellte Antrag auf Aufhebung der eine Erstattung ablehnenden Verfügung und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung tritt demgegenüber zurück. Da im Streitfall die Erstattung der Steuer von der Verwaltung außerdem nicht aus sachlichen, sondern aus formalen Gründen - Voraussetzung für die Erstattung sei das Vorliegen einer positiven Freistellungsbescheinigung nach § 73 h EStDV - abgelehnt worden ist, kann der die Erstattung ablehnende Bescheid nur mit der Verpflichtungsklage - in der Gestalt der Vornahmeklage - angefochten werden. Die Klage ist auf den Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts gerichtet. Jedenfalls kann das begehrte Verpflichtungsurteil nicht ohne Aufhebung des die Erstattung ablehnenden Verwaltungsaktes ergehen.

Bei Bejahung der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO auch bei Vornahmeklagen (BFHE 140, 13, BStBl II 1984, 446) kann die Entscheidung des FG, soweit in ihr die Kassation ohne eigene Entscheidung angeordnet worden ist, keinen Bestand haben. Ob das FG von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist in sein - vom Revisionsgericht nachprüfbares - Ermessen gestellt. Das FG muß bei seinen Erwägungen in Betracht ziehen, welcher Aufwand an Kosten und Zeit bei den noch anzustellenden Ermittlungen voraussichtlich anfällt, ob der Kläger etwa ein Interesse an der erstmaligen gründlichen Sachaufklärung im Verwaltungsverfahren hat oder ob sein Interesse dahin geht, daß der Sachverhalt gerade durch das Gericht aufgeklärt wird. Bevor das Gericht im Rahmen seines Ermessens diese Überlegungen anstellt, muß es einen wesentlichen Verfahrensmangel der Behörde bei Findung ihrer Entscheidung feststellen.

Im Streitfall ist die Verwaltungsentscheidung nicht unter Verletzung einer Verfahrensvorschrift - hier insbesondere der Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 204 der Reichsabgabenordnung - AO -) - zustande gekommen. Das BfF ist vielmehr rechtsirrtümlich davon ausgegangen, ein vorhergehender Freistellungsbescheid sei die unabdingbare Voraussetzung für die Erstattung der einbehaltenen Steuer; liege ein solcher nicht vor oder sei die Freistellung unanfechtbar abgelehnt worden, müsse ein Erstattungsantrag negativ beschieden werden. Derartige Rechtsfehler beim Zustandekommen einer Verwaltungsentscheidung können, wenn die Sache im Wege der Klage an das FG gelangt, ebenfalls zu einer kosten- und zeitaufwendigen Aufklärung des Sachverhalts i. S. des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO führen, so daß eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift berechtigt erscheint (vgl. Ziemer / Haarmann / Lohse / Beermann, a.a.O., Rdnr. 9549). Der erkennende Senat braucht auch hierzu nicht abschließend Stellung zu nehmen.

Es sind jedenfalls die weiteren Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht gegeben. Die Klägerin hat behördliche Bescheinigungen aus dem Ausland und Äußerungen von Privatpersonen beschafft und dem Gericht vorgelegt. Auf dieser Grundlage hätte sich das FG - ggf. nach weiteren Ermittlungen - ein zutreffendes Bild vom Sachverhalt verschaffen können, um zu beurteilen, ob und inwieweit die für eine Steuererstattung maßgebenden Voraussetzungen der Art. 10, 13 DBA-Italien gegeben sind. Erst dadurch hätte sich auch klären lassen, ob überhaupt ein Verständigungsverfahren i. S. des Art. 16 DBA-Italien i.V.m. Nrn. 15 f. des Schlußprotokolls, - worauf das FG verweist - in Betracht kommt. Die Klägerin hat offensichtlich nach längerer Prozeßdauer ein Interesse daran, eine sachliche Gerichtsentscheidung zu erlangen, was nach der erwähnten Entscheidung in BFHE 140, 13, BStBl II 1984, 446 letztlich den Ausschlag gibt, von der Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO abzusehen.

IV. Nach alledem sind die Urteile des FG auf die Revision des BfF insoweit aufzuheben, als diese den gegen Frau V ergangenen Bescheid des BfF abgeändert und Steuererstattungsbeträge festgesetzt haben. Die Klage ist in beiden Sachen insoweit abzuweisen. Das eine Urteil des FG ist ferner auf die Revision des BfF insoweit aufzuheben, als es hinsichtlich der Jahre 1970 ff. die Kassation des gegen die Klägerin ergangenen Bescheids ausgesprochen hat. Die Sache geht insoweit an das FG zurück.

Das FG wird sich mit der Frage, wo die Klägerin in den Jahren 1970 ff. ihren Wohnsitz i. S. des Art. 13 Abs. 1 DBA-Italien hatte, befassen müssen. Der erkennende Senat stimmt dem FG zu, daß der Wohnsitz i. S. des DBA-Italien nicht ausschließlich durch eine Bescheinigung der zuständigen Steuerbehörde des Wohnsitzstaates nachgewiesen zu werden braucht. Etwas Derartiges schreibt das Abkommen nicht vor und ergibt sich auch nicht aus dem Sinnzusammenhang der Abkommensvorschriften. Die inländische Steuerbehörde hat sich daher der nach der AO 1977 zulässigen Beweismittel zu bedienen, von denen die wichtigsten in § 92 aufgezählt sind. Die Bestätigung der Steuerbehörde des Wohnsitzstaates, daß der Steuerpflichtige dort seinen Wohnsitz hat, kann aber in begründeten Fällen aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse angebracht sein. Nicht hingegen ist auch der Nachweis zu verlangen, daß die Einkünfte der ausländischen Steuerbehörde zum Zwecke der Besteuerung erklärt worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413858

BFH/NV 1986, 4

BFH/NV 1986, 5

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