Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei Vertriebenen im Sinne von § 1 des Bundesvertriebenengesetzes in der Fassung vom 14. August 1957 (BGBl 1957 I S. 1215), die erst nach dem 31. Dezember 1954 ihren Wohnsitz im Bundesgebiet nahmen, können Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung, solange nach § 52 Abs. 16 EStG 1958 die Regelung des § 33 a EStG 1953 anwendbar ist, nur durch einen Freibetrag nach § 33 a EStG 1953 berücksichtigt werden. Eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG 1958 unter Zugrundelegung der tatsächlichen Wiederbeschaffungsaufwendungen kommt während dieses Zeitraums nicht in Betracht.
Normenkette
EStG §§ 33a, 52 Abs. 16; LStDV §§ 25a, 25b
Tatbestand
Der Bf., der mit seiner Ehefrau im August 1957 aus Oberschlesien in das Bundesgebiet gekommen ist, besitzt den Flüchtlingsausweis A. Bei dem Lohnsteuerjahresausgleich für 1959 beantragte er die von ihm in diesem Jahr zur Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung aufgewendeten etwa 7.000 DM als außergewöhnliche Belastung nach § 25 LStDV 1952 zu berücksichtigen. Das Finanzamt lehnte das ab und gewährte ihm statt dessen einen pauschalen Freibetrag von 720 DM gemäß § 25 a LStDV 1952 (ß 25 b LStDV 1959). Die hiergegen gerichtete Sprungberufung hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht nahm an, daß Aufwendungen zur Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung bei Flüchtlingen und Vertriebenen für die Zeit nach dem 1. Januar 1955 nach § 33 a EStG 1953 (ß 25 a LStDV 1952) in Verbindung mit § 52 Abs. 16 EStG 1958 mit einem festen, nach Steuerklassen abgestuften Freibetrag für längstens drei Jahre berücksichtigt werden könnten. Diese Regelung verstoße auch nicht - wie der Bundesfinanzhof bereits ausgesprochen habe (Urteil VI 203/58 U vom 1. April 1960, BStBl 1960 III S. 250, Slg. Bd. 71 S. 7) - gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).
Der Bf. hält die in § 52 Abs. 16 EStG 1958 angeordnete Verlängerung der Freibetragsregelung des § 33 a Abs. 2 EStG 1953 für rechtsunwirksam. Da bei Steuerpflichtigen, die nicht zu den in §§ 33 a EStG 1953 genannten Personenkreisen gehörten, Wiederbeschaffungsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung ohne Begrenzung berücksichtigt werden könnten, verletze die Regelung in § 52 Abs. 16 EStG 1958 den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Diese ungleiche Behandlung sei willkürlich. Die für die sozial schwachen, in § 33 a EStG 1953 genannten Personengruppen vorgesehene Begünstigung habe sich in das Gegenteil verkehrt. Da bei der Besteuerung die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen sei, müßten seine Wiederbeschaffungsaufwendungen nach dem Sinn und Zweck der ganzen Regelung in ihrer tatsächlichen Höhe als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG behandelt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Das Finanzgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Senat bereits in dem Urteil VI 203/58 U (a. a. O.) entschieden hat, daß die in § 52 Abs. 12 EStG 1955 getroffene Regelung, die mit § 52 Abs. 16 EStG 1958 übereinstimmt, mit Art. 3 GG zu vereinbaren sei. Die Einwendungen des Bf. veranlassen den Senat nicht zu einer änderung seiner Auffassung.
Der Bf. irrt, wenn er annimmt, daß bei Steuerpflichtigen, die nicht zu dem nach § 33 a EStG 1953 begünstigten Personenkreis gehören, Aufwendungen für die Wiederbeschaffung verlorengegangenen Hausrats ohne weiteres nach § 33 EStG berücksichtigt würden. Grundsätzlich können vielmehr derartige Aufwendungen nicht nach § 33 EStG zu einer Minderung der Einkommensteuer (Lohnsteuer) führen, weil die Steuerpflichtigen für ihr Geld einen Gegenwert in Gestalt der angeschafften Gegenstände erhalten und dieser Umstand regelmäßig die Annahme einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 33 EStG ausschließt (Urteil des Senats VI 160/59 S vom 20. Mai 1960, BStBl 1960 III S. 309, Slg. Bd. 71 S. 160). Nur ausnahmsweise kann der erlangte Gegenwert außer Betracht bleiben, und zwar insbesondere, wenn es sich um die Wiederbeschaffung von Hausrat handelt, der durch eine Katastrophe (z. B. durch überschwemmungen oder Brand) vernichtet wurde (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 376/51 S vom 16. Oktober 1952, BStBl 1952 III S. 298, Slg. Bd. 56 S. 773; VI 90/60 S vom 23. September 1960, BStBl 1960 III S. 488, Slg. Bd. 71 S. 637). Es ist also nicht richtig, daß bei anderen als den nach - § 33a EStG 1955 begünstigten Steuerpflichtigen Wiederbeschaffungsaufwendungen für Hausrat ohne weiteres steuerlich berücksichtigt werden.
Für Steuerpflichtige, die von der Begünstigung nach § 33 a EStG 1953 auch nach dem 1. Januar 1955 noch Gebrauch machen können, bedeutet dies sogar im allgemeinen eine gewisse Besserstellung, da sie nicht nachzuweisen brauchen, daß ihre Aufwendungen zur Wiederbeschaffung von verlorenem Hausrat gedient haben. Diese Sonderbehandlung ist wegen der besonderen Verhältnisse dieses Personenkreises gerechtfertigt und deshalb auch mit Art. 3 GG zu vereinbaren.
§ 33 a EStG 1953 regelt aber andererseits die steuerliche Berücksichtigung der Wiederbeschaffungsaufwendungen bei diesen Steuerpflichtigen auch abschließend. Die Steuerpflichtigen haben, wie in dem Urteil VI 203/58 U (a. a. O.) ausgeführt wurde, kein Wahlrecht, ob sie von den Pauschbeträgen dieser Vorschrift Gebrauch machen oder ihre Aufwendungen nach § 33 EStG berücksichtigt haben wollen.
Das Jahr 1959 liegt bei dem Bf. innerhalb des dreijährigen Zeitraums, in dem er einen Abzug nach § 33 a EStG 1953 beanspruchen kann. Er hat daher den Freibetrag mit Recht zugestanden bekommen. Eine Berücksichtigung seiner tatsächlichen Wiederbeschaffungsaufwendungen nach § 33 EStG 1958 kommt dagegen innerhalb des in § 52 Abs. 16 EStG 1958 vorgesehenen Dreijahreszeitraumes nicht in Betracht, wie die Vorentscheidung zutreffend ausgesprochen hat. Ob etwaige Aufwendungen, die der Bf. nach diesem Dreijahreszeitraum zur Wiederbeschaffung von Hausrat macht, nach § 33 EStG berücksichtigt werden können, ist nach den im Urteil des Senats VI 90/60 S vom 23. September 1960 (a. a. O.) dargelegten Grundsätzen zu beurteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 410443 |
BStBl III 1962, 319 |
BFHE 1963, 139 |
BFHE 75, 139 |