Leitsatz (amtlich)
Mit der Verwertung einer Erfindung (§ 4 Nr. 3 ErfVO vom 30. Mai 1951, BGBl I, 387, BStBl I, 181, i. d. F. des Art. 3 § 1 StÄndG 1968 vom 20. Februar 1969, BGBl I, 141, BStBl I, 116) wird im Falle der Verwertung durch Erteilung von Lizenzen in dem Jahr begonnen, in dem der Lizenznehmer mit dem Vertrieb der nicht mehr als Muster anzusehenden Erzeugnisse beginnt, und zwar auch, wenn vereinbarungsgemäß die auf den Umsatz dieses Jahres entfallenden Lizenzgebühren erst im folgenden Jahr ausgezahlt werden.
Normenkette
ErfVO § 4 Nr. 3; EStG §§ 4-5, 11
Tatbestand
Streitig ist, wann der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) mit der Verwertung einer von ihm gemachten Erfindung begonnen hat (§ 4 Nr. 3 ErfVO vom 30. Mai 1951, BGBl I, 387, BStBl I, 181 in der Fassung des Art. 3 § 1 StÄndG 1968 vom 20. Februar 1969, BGBl I, 141, BStBl I, 116).
Der Steuerpflichtige ist als Ingenieur freiberuflich tätig. Mit Verträgen vom 24. Januar 1952 und 14. Januar 1955 erteilte er einer Firma die ausschließliche, ihn selbst ausschließende Lizenz zur Herstellung und zum Vertrieb eines von ihm erfundenen Gegenstandes. Ferner verpflichtete er sich, der Firma zur Durchführung von Erprobungen, zur Vorbereitung und Einrichtung der Fabrikation sowie während der Fabrikation zur Verfügung zu stehen, soweit dies von ihr für erforderlich gehalten würde. Als Entgelt sollte der Steuerpflichtige für die Zeit von der Aufnahme der Großfabrikation des Gegenstandes Umsatzlizenzgebühren erhalten. Außerdem erhielt der Steuerpflichtige noch im Jahre 1952 Zug um Zug gegen Übergabe aller zur Herstellung des Gegenstandes erforderlichen Informationen, Zeichnungen, Konstruktionsunterlagen und Herstellungsanweisungen eine Vergütung von X DM. Davon sollten nach den getroffenen Vereinbarungen Y DM als Vorauszahlung auf die Lizenzgebühren gelten und mit den demnächst fälligen Lizenzgebühren in der Weise verrechnet werden, daß jeweils 50 % der Lizenzgebühr einbehalten würden.
In der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1952 beantragte der Steuerpflichtige, den Betrag von X DM auf drei Jahre zu verteilen. Das damals zuständige FA H. war der Auffassung, daß die Vorauszahlung von Y DM als Darlehen und entsprechend der vertraglich vereinbarten Tilgung als Einnahme zu behandeln sei, und stellte den Steuerpflichtigen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1962 insoweit von der Einkommensteuer frei. Am 18. März 1955 erteilte die Lizenznehmerin die erste Abrechnung über die dem Steuerpflichtigen für das Kalenderjahr 1954 zustehenden Lizenzgebühren. Der Steuerpflichtige behandelte diese Lizenzgebühren einschließlich des Betrages, den die Lizenznehmerin vereinbarungsgemäß mit dem gezahlten Vorschuß verrechnet hatte, als Einnahme des Jahres 1954. Entsprechend wurde er veranlagt.
Für den Veranlagungszeitraum 1959 beantragte der Steuerpflichtige erstmals die Steuervergünstigung nach § 4 ErfVO, die ihm das inzwischen zuständig gewordene FA W., der Revisionskläger, in den endgültigen Bescheiden für 1958 und 1959 und auch in den Bescheiden für die Veranlagungszeiträume 1960 bis 1962 gewährte.
Im Jahre 1965 führte das FA bei dem Steuerpflichtigen eine Betriebsprüfung durch, die sich auf die Veranlagungszeiträume 1960 bis 1963 erstreckte. Nach den dabei getroffenen Feststellungen erhöhten sich die von dem Steuerpflichtigen für die Streitjahre 1961 und 1962 erklärten und von dem FA bestandskräftig zur Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte (Gesamtbetrag der Einkünfte). Außerdem vertrat der Prüfer die Auffassung, daß dem Steuerpflichtigen die Vergünstigung nach der ErfVO nur bis einschließlich 1960 zu gewähren sei, da er durch den Vertrag vom 24. Januar 1952 bereits mit der Verwertung der Erfindung begonnen habe.
Das FA schloß sich der Auffassung des Prüfers an und versagte dem Steuerpflichtigen in den für die Streitjahre 1961 und 1962 erlassenen Berichtigungsbescheiden sowie in dem Einkommensteuerbescheid 1963 die Steuervergünstigung nach der ErfVO.
Mit seinem Einspruch machte der Steuerpflichtige geltend, daß das FA die Bescheide für 1961 und 1962 nicht habe berichtigen dürfen, weil der die Erfindervergünstigung betreffende Sachverhalt beiden tätig gewordenen FÄ bekanntgewesen sei. Die Erfindervergünstigung habe ihm zugestanden. Der Abschluß des Vertrages vom 24. Januar 1952 habe noch nicht die Verwertung der Erfindung bedeutet. Entscheidend sei der Zeitpunkt des Eingangs der Lizenzgebühren. Bei den im Jahre 1952 von der Lizenznehmerin gezahlten X DM habe es sich in Höhe von Y DM um ein Darlehen auf künftige erstmalige Lizenzgebühren gehandelt. Die restlichen Z DM seien eine Vergütung für die der Lizenznehmerin gegenüber erbrachten Dienstleistungen gewesen.
Das FA wies den Einspruch zurück. Die Zulässigkeit der Berichtigung begründete es damit, daß es bei der Betriebsprüfung neue Tatsachen festgestellt habe, durch die sich die Einnahmen des Steuerpflichtigen im Jahre 1961 und im Jahre 1962 wesentlich erhöht hätten. Die in dem Jahre 1952 geleisteten Vorauszahlungen seien nach dem Sinn und Inhalt des Vertrages vom 24. Januar 1952 als erste Lizenzzahlung anzusehen, so daß 1952 mit der Verwertung begonnen worden sei. Der begünstigte Zeitraum nach der ErfVO sei infolgedessen am 31. Dezember 1960 abgelaufen gewesen.
Der Steuerpflichtige erhob Klage und trug noch vor, Gegenstand des Vertrages vom 24. Januar 1952 sei die Vergabe der Patente zur Verwertung in Großfabrikation gewesen. Bis zum Jahre 1954 seien noch umfangreiche Versuche und Probeherstellungen erforderlich gewesen, da die Erfindungen im Jahre 1952 in der Großfabrikation noch nicht hätten verwertet werden können. Diese Anlaufzeit falle als Versuchszeit in den nach der ErfVO begünstigten Zeitraum. Die eigentliche Verwertung habe erst mit der Beendigung der Versuchszeit begonnen. Die Lizenzzahlung vom Jahre 1955 betreffe zwar den vertraglichen Lizenzanspruch für das Jahr 1954. Für die Besteuerung komme es jedoch auf das Jahr der Einnahme an.
Der Steuerpflichtige beantragte, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen die Berichtigungsbescheide für 1961 und 1962 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1963 dahin abzuändern, daß ihm die Steuervergünstigung gewährt werde.
Das FG gab der Klage zum Teil statt. Es bejahte die Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagungen für 1961 und 1962, weil - außer den die Erfindervergünstigung betreffenden Tatsachen - bei der Betriebsprüfung wesentliche neue Tatsachen, die zu einer ins Gewicht fallenden Steuererhöhung geführt hätten, festgestellt worden seien. Es war aber der Ansicht, dem Steuerpflichtigen stehe die Steuervergünstigung für alle drei Streitjahre zu, da mit der Verwertung der Patente erst im Jahre 1955 begonnen worden sei. Es führte aus, nach § 4 Abs. 3 ErfVO umfasse der begünstigte Zeitraum die Versuchszeit, den Veranlagungszeitraum, in dem die Verwertung begonnen habe, und die acht folgenden Veranlagungszeiträume. Grundsätzlich beginne die Verwertung einer Erfindung, wenn der Erfinder aus ihr tatsächlichen Nutzen ziehe, also Lizenzgebühren eingingen. Die Anfertigung von Mustern und Probestücken und die Vorarbeiten bis zum Beginn der Produktion stellten regelmäßig noch nicht den Beginn der Verwertung dar, sondern fielen in die Versuchszeit. Nicht jede im Zusammenhang mit einer Erfindung erzielte Einnahme stelle bereits eine Verwertung der Erfindung dar. Der Umstand, daß der Gesetzgeber die Einkünfte aus freier Erfindertätigkeit schon vor der Verwertung begünstigt habe, rechtfertige es, den Begriff der Verwertung selbst eng auszulegen, andernfalls der Gesetzeszweck, den Erfinder auch während der Versuchszeit zu begünstigen, nicht erreicht würde. Für die Abgrenzung von Versuchszeit und Verwertung komme es weniger auf die Tatsache an, daß Einnahmen aus einer Erfindung erzielt würden, als vielmehr auf den Tatbestand, der den Einnahmen zugrunde liege. So stelle die Vergabe der Lizenz zur Auswertung einer Erfindung gegen einen bestimmten, von dem Erfolg der Auswertung unabhängigen Betrag regelmäßig auf seiten des Erfinders eine Verwertung der Erfindung auch dann dar, wenn die für die eigentliche Verwertung erforderliche Versuchszeit noch nicht abgeschlossen sei. Werde die Lizenz dagegen - wie im Streitfall - vor Abschluß der Versuchszeit gegen eine bestimmte Beteiligung an dem künftigen und daher ungewissen Erfolg der Verwertung vergeben, dann beginne auch für den Lizenzgeber die Verwertung erst nach Abschluß der Versuchszeit. Die Tatsache, daß der Steuerpflichtige einen Vorschuß auf seine künftige Lizenzbeteiligung erhalten habe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Solange die Versuchszeit nicht abgeschlossen und mit der Verwertung der Erfindung nicht begonnen worden sei, habe für keinen der Vertragspartner festgestanden, ob und wann dem Steuerpflichtigen Lizenzeinnahmen zufließen würden. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Begründung, mit der das im Jahre 1952 zuständige FA H. den Vorschuß von der Besteuerung ausgenommen habe, zutreffe; im Ergebnis sei diese Entscheidung nicht zu beanstanden. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spreche auch, daß die Entscheidung des FA im Ergebnis zu einer Benachteiligung solcher Erfinder führen würde, die sich aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen vor der eigentlichen Verwertung der Erfindung einen Vorschuß auf ihre künftigen und unter Umständen erst mehrere Jahre später entstehenden Lizenzeinnahmen zahlen ließen. Der Umfang der Begünstigung hänge dann von der Zeit ab, die zwischen der Vorschußzahlung und der Lizenzeinnahme vergehe, also von technischen und wirtschaftlichen Umständen, die der Erfinder nicht beeinflussen könne. Auch der 1952 an den Steuerpflichtigen gezahlte Betrag von Z DM stelle - wie auch das FA einräume - keine Einnahmen aus der Verwertung der Erfindung dar. Denn mit diesem Betrag habe die Lizenznehmerin dem Steuerpflichtigen einen Teil der für die bisherige Entwicklung der Erfindung aufgewendeten Kosten erstattet und gleichzeitig eine Vergütung dafür gezahlt, daß er sich für die Versuchszeit zur Verfügung gestellt habe. Damit stehe diese Zahlung nicht im Zusammenhang mit der eigentlichen Verwertung der Erfindung, sondern sie sei eine typische, in die Versuchszeit fallende und nach § 4 Nr. 3 ErfVO ebenfalls begünstigte Einnahme gewesen. Der Steuerpflichtige habe im Jahre 1955 mit der Verwertung der Erfindung begonnen. Denn in diesem Veranlagungszeitraum seien ihm die ersten Lizenzeinnahmen zugeflossen, und zwar frühestens im März 1955. Dem stehe nicht entgegen, daß die Einnahmen den Veranlagungszeitraum 1954 beträfen, da nach § 11 Abs. 1 EStG Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen seien, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen seien. Unerheblich sei auch, daß der Steuerpflichtige die Zahlung zunächst als Einnahme des Veranlagungszeitraums 1954 erklärt und das FA H. sie auch in diesem Jahr zur Einkommensteuer herangezogen habe. An dieser sachlich unrichtigen einkommensteuerlichen Behandlung seien der Steuerpflichtige und das FA nicht gebunden. Die angefochtenen Bescheide seien deshalb aufzuheben. Bei der Erteilung der neuen Einkommensteuerbescheide sei das FA nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO an die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liege, gebunden.
Gegen dieses Urteil legte das FA Revision ein mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Es führte aus, mit der Verwertung der Erfindung sei bereits im Jahre 1952 begonnen worden. Für die Frage, wann die Verwertung beginne, könne es nach dem Sinn der ErfVO, die den Erfinder, nicht den Hersteller, begünstigen wolle, nur darauf ankommen, wann der Erfinder mit der Verwertung beginne, und nicht etwa wann der Lizenznehmer sie wirtschaftlich auswerten könne oder wolle. Danach sei die nach Abschluß des Vertrages von 1952 erforderlich gewordene Anlaufzeit bis zum Beginn der Großproduktion nicht mehr Versuchszeit des Erfinders gewesen, und zwar auch schon deshalb nicht, weil dieser gar nicht mehr berechtigt gewesen sei. Allenfalls habe es sich um einen Zeitraum für die Entwicklung der gemachten Erfindung durch die Lizenznehmerin zur Produktionsreife im Rahmen ihres Betriebes gehandelt. Das Urteil leide an einem Denkfehler. Einerseits führe das FG aus, es komme für die Abgrenzung von Versuchszeit und Verwertung weniger auf die Einnahmeerzielung als auf den dieser zugrunde liegenden Tatbestand an, an anderer Stelle dagegen führe das FG aus, der Steuerpflichtige habe erst im Jahre 1955 mit der Verwertung seiner Erfindung begonnen, da ihm in diesem Veranlagungszeitraum die ersten Lizenzeinnahmen zugeflossen seien, wobei nicht entgegenstehe, daß diese Einnahmen das Kalenderjahr 1954 beträfen. Sei für den Beginn der Verwertung auf die Tatbestandsverwirklichung abzustellen - das wäre nach der im übrigen bereits widerlegten Auffassung des FG der Beginn der Großproduktion im Jahre 1954 -, so könne es nicht auf den Zeitpunkt des Zuflusses der daraus resultierenden Einnahmen ankommen. Der Hinweis auf § 11 Abs. 1 EStG gehe hier fehl. Das FG hätte also zumindest den Beginn der Verwertung im Jahre 1954 annehmen und dementsprechend die Klage für 1963 abweisen müssen. Das FG habe auch den angefochtenen Verwaltungsakt nicht ohne weiteres aufheben dürfen, sondern die Steuer selbst festsetzen müssen.
Der Steuerpflichtige beruft sich im wesentlichen auf die Ausführungen des FG. Hinsichtlich der vom FA behaupteten Verletzung des § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO weist er darauf hin, daß mit der Aufhebung der Berichtigungsbescheide 1961 und 1962 die ursprünglichen Bescheide in vollem Umfang wieder hergestellt worden seien, so daß eine Zurückverweisung nicht erforderlich sei. Bezüglich des Veranlagungszeitraums 1963 sei der Tatbestand durch das FG zutreffend geklärt worden, so daß die Steuerschuld 1963 durch den BFH ohne Zurückverweisung selbst festgestellt werden könne. Hilfsweise werde noch geltend gemacht, daß die Berichtigungsveranlagungen unzulässig gewesen seien (Hinweis auf das BFH-Urteil V 149/64 vom 30. Januar 1969, BFH 95, 236, BStBl II 1969, 409).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist für den Veranlagungszeitraum 1963 begründet, für die Veranlagungszeiträume 1961 und 1962 ist sie in der Sache selbst nicht begründet; sie führt jedoch für diese Veranlagungszeiträume zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen Verstoßes gegen § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO und zur Festsetzung der Steuer durch den Senat.
1. Da gegen die tatsächlichen Feststellungen des FG keine Rügen seitens des FA erhoben wurden, muß der Senat von diesem Sachverhalt ausgehen (§ 118 Abs. 2 FGO). Von Bedeutung sind in dieser Hinsicht die Feststellungen des FG, es habe sich bei dem im Jahre 1952 gezahlten Betrag von X DM teilweise (Y DM) um Vorauszahlungen für künftige Lizenzgebühren und teilweise (Z DM) um eine Abfindung für bisher aufgewendete Kosten und eine Vergütung für die weitere Mitarbeit des Steuerpflichtigen an der Entwicklung der Erfindung gehandelt, und die Zeit vom Abschluß des Vertrages im Jahre 1952 bis zum Beginn der Großproduktion im Jahre 1954 gehöre noch zur Versuchszeit. Soweit es sich dabei teilweise auch um eine rechtliche Würdigung handelt, sind Rechtsfehler nicht zu erkennen. Das FA macht im übrigen, worauf es im Schriftsatz vom 2. Januar 1970 noch besonders hingewiesen hat, nicht geltend, die Annahme einer Versuchszeit durch das FG sei fehlerhaft, sondern es habe sich nicht um eine Versuchszeit des Erfinders gehandelt. Insoweit ist indessen dem Gesetz, auch seinem noch zu erörternden Sinn nach, keine Beschränkung zu entnehmen.
2. Mit dem in § 4 Nr. 3 ErfVO verwendeten Begriff des Beginns der Verwertung hat sich der Senat eingehend in den Urteilen IV 210/65 vom 5. November 1970 (BFH 100, 512, BStBl II 1971, 97) und IV R 61/66 vom 26. Mai 1971 (BFH 102, 482, BStBl II 1971, 735) befaßt. Er hat dort ausgeführt, die Frage, wann mit der Verwertung einer Erfindung begonnen worden sei, könne nur anhand aller Umstände des Einzelfalles beantwortet werden, wobei entscheidend sei, ob das Suchen nach der Erfindung oder das Streben nach der Erzielung von Einkünften überwogen habe. Die Verwertung stelle einen tatsächlichen Vorgang dar, der normalerweise Einkünfte hervorbringe. Bei natürlicher Betrachtung könne nur ein Gegenstand verwertet werden, der hergestellt worden sei. Mit dem Beginn der Herstellung erschöpfe sich aber bei Berücksichtigung des Sinnes des § 4 Nr. 3 ErfVO noch nicht der Verwertungsvorgang; der herstellungsvorgang müsse vielmehr auf die wirtschaftliche Nutzung der Erfindung, d. h. die Erzielung von Einkünften, gerichtet sein, oder es müsse sogar, da § 4 Nr. 3 ErfVO Einkünfte begünstigen wolle, zumindest die Möglichkeit der Erzielung von Einkünften bestehen. Daraus ergebe sich, daß bei Verwertung der Erfindung durch den Erfinder selbst nicht der Beginn der Produktion den Beginn der Verwertung darstelle, sondern die erstmalige Entäußerung, die damit auch in der Regel den Zufluß von Einkünften mit sich bringe. Bei der Nutzung der Erfindung durch Vergabe von Linzenzen spiele sich der Verwertungsvorgang als tatsächlicher, von rechtlichen Verhältnissen unabhängiger und sich an dem erfundenen Gegenstand vollziehender und daher von der Nutzung durch den Erfinder zu unterscheidender Vorgang bei dem Hersteller ab. Das bedeute, daß mit der Verwertung begonnen sei, wenn hergestellte, nicht mehr als Probestücke anzusehende Produkte vertrieben würden. In diesem Zeitpunkt flössen dem Lizenzgeber normalerweise Einkünfte erstmalig zu. Verzichte er aus irgend einem Grunde auf den Bezug solcher Einkünfte oder bedinge er sie sich erst zu einem späteren Zeitpunkt aus, so könne dies in der Regel keinen Einfluß auf den Beginn des Begünstigungszeitraums haben. Denn es könne nicht in das Belieben des Erfinders gestellt sein, den gesetzlich definierten Begünstigungszeitraum so in den Gesamtzeitraum der Verwertung zu verlegen, daß die Vergünstigung auf Zeiten falle, in denen der Vertrieb den Höhepunkt erreicht habe. Es könne also einerseits der Abschluß eines Lizenzvertrages, der lediglich die Verwertung vorbereite, nicht schon den Beginn der Verwertung darstellen, andererseits sei aber auch nicht immer erforderlich, daß bereits Lizenzerträge zugeflossen seien, es komme vielmehr in der Regel darauf an, wann beim Hersteller mit dem Vertrieb fertiger Produkte begonnen werde und somit die faktische Grundlage für die Erzielung von Einkünften aus der Erfindung vorhanden sei. Der Senat hält an diesen Grundsätzen fest.
Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG sollte vor Aufnahme der eigentlichen Großproduktion, die unstreitig erst im Jahre 1954 begann, noch ein Versuchsstadium eingeschoben werden. Damit begann der Verwertungsvorgang frühestens im Jahre 1954. Daß der Steuerpflichtige bereits vorher (in Gestalt von Vorschüssen und sonstigen Vergütungen) Einkünfte aus der Erfindung gehabt hatte, steht dem nicht entgegen, weil es entgegen der Ansicht des FA nicht darauf ankommt, wann der zu begünstigende Erfinder die Erfindung aus der Hand gibt, sondern wann der Verwertungsvorgang tatsächlich beginnt, und weil das Gesetz selbst unterstellt, daß auch während der Versuchszeit Einkünfte erzielt werden können, die dann begünstigt sein sollen, ohne daß dadurch der neunjährige - endgültige - Begünstigungszeitraum verkürzt werden soll. Einkünfte aus der Verwertung eines Patents können aber notwendigerweise nicht fließen, bevor mit der Verwertung begonnen worden ist.
Die Verwertung begann aber, entgegen der Ansicht des FG, schon 1954, nicht erst 1955. § 11 EStG läßt sich für die entgegenstehende Meinung des FG nicht heranziehen, weil diese Vorschrift eine andere Zweckrichtung hat. § 11 EStG soll klarstellen, in welchem Veranlagungszeitraum Einnahmen zugeflossen und damit zu versteuern sind, während es bei der Frage nach dem Beginn der Verwertung darauf ankommt festzulegen, wann ein festbegrenzter Begünstigungszeitraum beginnt (und wann er damit endet). Der rein tatsächliche Vorgang der Verwertung kann nicht durch die Art der Gewinnermittlung beeinflußt werden. Wollte man sich auf den gegenteiligen Standpunkt stellen, so wären z. B. bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG die an Umsätze des Jahres 1954 geknüpften Lizenzeinkünfte im Jahre 1954 zugeflossen, und mithin wäre das Jahr des Beginns der Verwertung ebenfalls 1954; bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG wären dagegen die nach demselben Umsatz bemessenen Lizenzeinkünfte im Jahre 1955 zugeflossen (§ 11 EStG) und wäre das Jahr des Beginns der Verwertung also das Jahr 1955. Im letzteren Falle wäre nicht gewährleistet, daß dem Steuerpflichtigen - wie es nach dem Gesetz eindeutig der Fall sein soll - nur für insgesamt neun Jahre die Vergünstigung gewährt würde. Es liefe dann nämlich der Begünstigungszeitraum von 1955 bis 1963. Ginge nun der Steuerpflichtige z. B. im Jahre 1961 zur Gewinnermittlung nach § 5 EStG über, so könnte er im Veranlagungszeitraum 1961 die Vergünstigung für die nach den Umsätzen der Jahre 1960 und 1961 bemessenen Lizenzgebühren erlangen, im Veranlagungszeitraum 1962 die für nach dem Umsatz 1962 bemessenen Lizenzen und im letzten begünstigungsfähigen Veranlagungszeitraum 1963 die für die nach dem Umsatz 1963 bemessenen Lizenzgebühren. Es wären dann innerhalb von neun Veranlagungszeiträumen die Erfindereinkünfte für den Umsatz von 10 Wirtschaftsjahren (1954 bis 1963) begünstigt worden.
Die Auslegung des § 4 Nr. 3 ErfVO durch den erkennden Senat ist auch nicht etwa aus dem Gesichtspunkt sinnlos, daß bei der hier vorliegenden Gestaltung des Lizenzvertrages 1954 und Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG keine Einkünfte entstanden wären, die begünstigt werden könnten, dem Erfinder also in Wirklichkeit nur in acht statt neun Veranlagungszeiträumen die Vergünstigung zukommen könnte. Denn diese Vertragsgestaltung ist nicht unausweichlich. Der Lizenzgeber hat es in der Hand - und das wird sogar der Regelfall sein -, sich Vorschüsse auf die zu erwartenden Lizenzgebühren geben zu lassen. Das ist hier auch geschehen, da der Steuerpflichtige bereits 1952 einen Vorschuß erhalten hatte, der ab 1954 auf die erzielten Lizenzerträge in Höhe der halben Lizenzgebühren zu verrechnen war. (Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der Vorschuß nicht schon im Jahre 1952 hätte versteuert werden müssen - vgl. das BFH-Urteil IV 159/53 U vom 2. September 1954, BFH 59, 266, BStBl III 1954, 314 -, und zwar als während der Versuchs zeit zugeflossene Einkünfte mit der Vergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO). Im übrigen können Steuerpflichtige auch von Anfang an die erwähnte Möglichkeit der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG wählen, sie können auch während des Begünstigungszeitraums dazu übergehen oder während dieses Zeitraums sich Vorschüsse ausbedingen.
Da nach den vorstehenden Grundsätzen im Jahre 1954 mit der Verwertung begonnen worden war, war die Vergünstigung letztmalig im Jahre 1962 zu gewähren, so daß die Revision für 1963 Erfolg haben und die Klage insoweit abgewiesen werden muß.
3. Der Steuerpflichtige hatte beantragt, die Berichtigungsbescheide für 1961 und 1962 in vollem Umfang aufzuheben, weil er auf dem Standpunkt steht, eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO sei nicht zulässig gewesen. Das FG hat das abgelehnt und die Klage insoweit abgewiesen. Der Steuerpflichtige hat keine Anschlußrevision erhoben. Es verbleibt also bei den durch die Berichtigungsbescheide vorgenommenen Steuererhöhungen, soweit es sich also nicht um die rechtsirrige Versagung der Erfindervergünstigung handelt.
4. Das FG hätte sich nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 3/68 vom 16. Dezember 1968 (BFH 94, 436, BStBl II 1969, 192) nicht auf die Aufhebung der angefochtenen Bescheide 1961 und 1962 beschränken dürfen, sondern die Steuer selbst berechnen müssen. Da das FA das gerügt hat, muß das Urteil auch insoweit aufgehoben werden. Der Senat kann selbst entscheiden, d. h. die Steuer selbst festsetzen, da es sich insoweit nicht um die dem FG allein zustehende Feststellung und Würdigung von Tatsachen handelt.
Fundstellen
Haufe-Index 413208 |
BStBl II 1972, 762 |
BFHE 1972, 42 |