Leitsatz (amtlich)

Die Bemessungsgrundlage für die Selbstverbrauchsteuer nach § 30 Abs. 4 UStG 1967 wird durch die erhöhten Absetzungen für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gemäß § 14 Abs. 4 BHG 1968 nicht gemindert.

 

Normenkette

UStG 1967 § 30 Abs. 4; BHG 1968 § 14 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) errichtete in den Jahren 1969 und 1970 in Berlin ein Fabrikations- und Bürogebäude, das am 15. Januar 1970 in Betrieb genommen und der Nutzung als Anlagevermögen zugeführt wurde. Die Herstellungskosten betrugen ......... DM. Die Steuerpflichtige hatte zum 31. Dezember 1969 auf die Herstellungskosten für Zwecke der Ertragsteuer die erhöhten Absetzungen nach § 14 Abs. 4 BHG vom 1. Oktober 1968 (BGBl I 1968, 1049) in Anspruch genommen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hielt eine Kürzung der Bemessungsgrundlage um die erhöhten Abschreibungen nach dem BHG nicht für zulässig und berief sich dabei auf den Einführungserlaß des BdF zu § 30 UStG 1967 - IV A/3 - S 7470-13/67 - vom 30. Januar 1968 (BStBl I 1968, 310). Beschwerde und Klage hatten keinen Erfolg.

Das FG hat ausgeführt, aus der Begriffsbestimmung für die Bemessungsgrundlage der Selbstverbrauchsteuer nach § 30 Abs. 4 UStG 1967 ergebe sich, daß derjenige Wert maßgeblich sei, der für die Berechnung der "künftigen" AfA anzusetzen sei. Deshalb könne das FA zwar nicht geltend machen, daß das von der Steuerpflichtigen in Betrieb genommene Gebäude noch keiner Abnutzung unterlegen habe und daß die vorgenommenen Absetzungen keine solchen für Abnutzung, sondern Sonderabschreibungen nach dem BHG darstellten. Bei dem nicht eindeutigen Wortlaut des § 30 Abs. 4 UStG 1967 lasse sich aber die Ansicht vertreten, daß der für die Selbstverbrauchsteuer maßgebliche Wert nur nach den allgemeinen einkommensteuerlichen Vorschriften (EStG, EStDV, EStR) zu ermitteln sei. Nach dieser engeren Auslegung des Wortlauts habe die erhöhte Abschreibung nach § 14 BHG bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Selbstverbrauchsteuer außer Betracht zu bleiben. Die Bezugnahme auf die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften sei keine Gesamtverweisung auf das EStG, sondern eine Verweisung auf einzelne Begriffsbestimmungen oder Vorschriften des EStG. Bei der Auslegung des Gesetzeswortlauts müßten auch Zweck, systematische Stellung und Entstehungsgeschichte der Vorschrift herangezogen werden. Dem gesetzgeberischen Zweck der Selbstverbrauchsteuer würde es am besten entsprechen, wenn die Bemessungsgrundlage die Anschaffungs- und Herstellungskosten im Sinne von § 6 EStG wären. Die durch Bezugnahme auf die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zugelassenen Minderungen der Bemessungsgrundlage könnten sich aber nicht auf Abschreibungen nach dem BHG beziehen. Hätte der Gesetzgeber durch eine solche Minderung weitere außerordentliche Vergünstigungen speziell für Berlin bei der Umsatzsteuer beabsichtigt, so hätte er sie in das BHG aufnehmen müssen. Die systematische Stellung des § 30 UStG 1967 lege eine Auslegung nahe, die Investitionen in Berlin nicht noch zusätzlich begünstige. Auch Investitionen vor dem 1. Januar 1968 seien mit Umsatzsteuerbeträgen belastet gewesen, ohne daß die Sonderabschreibungen darauf von Einfluß gewesen wären. Daher sei es sinnvoll, wenn diese Abschreibungen ebenfalls unter der Geltung der Selbstverbrauchsteuer außer Ansatz blieben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision, mit der die Steuerpflichtige die Verletzung des § 30 Abs. 4 UStG 1967 rügt und vorträgt, aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung ergebe sich, daß der nach einkommensteuerlichen Vorschriften ermittelte Buchwert die Bemessungsgrundlage sei. Das FG habe selbst ausgeführt, § 14 BHG beinhalte materielles Einkommensteuerrecht, daher müsse diese Sonderabschreibung bei der Selbstverbrauchsteuer berücksichtigt werden. Der Erlaß des BdF vom 30. Januar 1968 (a. a. O.) sei unvollständig und ergänzungsbedürftig, denn er beziehe sich nicht auf einen Sonderfall wie den vorliegenden, in dem Anschaffung oder Herstellung und Ingebrauchnahme des Wirtschaftsguts in zwei verschiedene Wirtschaftsjahre und Bilanzierungsabschnitte fielen. In diesem Fall könne nur der angemessene steuerliche Buchwert im Zeitpunkt der Ingebrauchnahme unter Beachtung der erhöhten Abschreibung die Bemessungsgrundlage sein, die durch alle Werteinflüsse vor dem Selbstverbrauch beeinflußt werde. Der wirtschaftspolitische Zweck der Bestimmungen zum Selbstverbrauch, der einen selbständig zu beurteilenden steuerlichen Tatbestand darstelle, sei so allgemein, daß daraus eine Auslegung gegen den Wortlaut nicht abgeleitet werden könne. Die Steuerpflichtige beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid I/1970 vom 16. Juli 1970 dahin zu berichtigen, daß die Selbstverbrauchsteuer um ...... DM gemindert wird, sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Bei der Bemessungsgrundlage für die Selbstverbrauchsteuer nach § 30 Abs. 4 UStG 1967 ist zu unterscheiden zwischen Beträgen, die diese mindern, und solchen, die eine Minderung der Bemessungsgrundlage nicht bewirken können. Zu den letztgenannten zählen die erhöhten Abschreibungen nach § 14 Abs. 4 BHG. Das ergibt sich daraus, daß § 30 Abs. 4 UStG 1967 von dem Wert ausgeht, der im Zeitpunkt des Selbstverbrauchs nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften bei der Berechnung der AfA anzusetzen ist. Nach dem Ertragsteuerrecht sind zwei Gruppen zu unterscheiden, die den ersten Bilanzansatz eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens beeinflussen. Eine Gruppe wirkt unmittelbar auf die erste Bewertung und mindert den Wert des Wirtschaftguts anläßlich der Aktivierung. Einen solchen Fall enthält § 6b EStG, wie sich aus Abs. 5 dieser Vorschrift ergibt. Dagegen vermindert die andere Gruppe, wozu Sonderabschreibungen wie die nach dem BHG zählen, erst den ursprünglichen Bilanzansatz. Bei der Berechnung der AfA wird im ersten Fall der ursprüngliche geringere Wert zugrunde gelegt, im zweiten Fall wird grundsätzlich von Anschaffungs- und Herstellungskosten ausgegangen (vgl. Rau-Dürrwächter-Flick-Geist, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, § 30 Anm. 96).

Die vorgezogene Abschreibungsmöglichkeit auf Anzahlungen und Teilherstellungskosten (§ 14 Abs. 4 BHG) gibt nicht eine von Anfang an bestehende Wertminderung wieder, sondern soll den Investierenden frühestmöglich in den Genuß der in den erhöhten Absetzungen liegenden Finanzierungshilfe kommen lassen.

Dieses Ergebnis wird durch Sinn und Zweck des BHG einerseits und der Selbstverbrauchsteuer andererseits bestätigt. Denn § 14 BHG stellt eine steuerliche Subvention dar, durch die eine bestimmte Personengruppe in einem bestimmten Gebiet durch eine Einkommensteuervergünstigung gefördert werden soll. Wenn auch die erhöhte Absetzung nach § 14 Abs. 4 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 BHG an Stelle der nach § 7 EStG zu bemessenden AfA treten kann, so bestehen dem Wesen und der wirtschaftlichen Zielsetzung nach derartige Unterschiede, daß sie dieser in § 30 Abs. 4 UStG 1967 genannten AfA nicht gleichgestellt werden kann. Zudem ist die eröhte Abschreibung die Vorwegnahme einer künftigen AfA, die im Falle des § 14 Abs. 4 BHG unter bestimmten Voraussetzungen rückgängig zu machen ist (vgl. Urteil des BFH IV R 90/70 vom 2. September 1971, BFH 104, 18, BStBl II 1972, 108). Auch daraus ergibt sich, daß diese Abschreibung nicht bei der Bemessung der Selbstverbrauchsteuer beachtet werden kann. Das zeigt sich ferner darin, daß die Selbstverbrauchsteuer solchen Zwecken dient, die es verbieten, die ertragsteuerlich in Form von erhöhten Abschreibungen gewährten Anreize und Erleichterungen auf sie zu übertragen. Zu dem Zweck der Besteuerung des Selbstverbrauchs gehört u. a. das Rückgängigmachen des bei der Anschaffung des Wirtschaftsguts vorgenommenen Vorsteuerabzugs, wenn auch nicht immer in der Durchführung eine Übereinstimmung zwischen Vorsteuerabzug und der Selbstverbrauchsteuer besteht (vgl. BFH-Beschluß V B 45/70 vom 11. Juni 1970, BFH 99, 322, BStBl II 1970, 644, und Urteile V R 69/70 vom 1. Oktober 1970, BFH 100, 278, BStBl II 1971, 36, und V R 162/70 vom 6. Mai 1971, BFH 102, 171, BStBl II 1971, 509). Zur Erreichung dieses Zwecks ist hinsichtlich der Bemessungsgrundlage aus Gründen der Praktikabilität auf die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften verwiesen. Wegen dieser Anknüpfung an das Einkommensteuerrecht kann aber für die Bemessungsgrundlage der Selbstverbrauchsteuer keine weitergehende als über die im Gesetz ausdrücklich genannte Minderung hergeleitet werden, da die erhöhte Berlin-AfA nicht den Zwecken des UStG, sondern anderen wirtschaftspolitischen Zwecken dienen soll. Mit dem BHG werden nur bestimmte Umsätze Westberliner Unternehmer an Abnehmer im Bundesgebiet von der Umsatzsteuer befreit (§ 1 BHG), an besonderen Regelungen für die Umsatzsteuer im Rahmen der Übergangsvorschriften im Sinne des § 30 UStG 1967 fehlt es. Zutreffend weist das FG weiter darauf hin, daß auch vor der Geltung des UStG 1967 Investitionen in Berlin mit Umsatzsteuer belastet waren, ohne daß die Möglichkeit erhöhter Abschreibung darauf Einfluß gehabt hätte. Das FG hat sonach zu Recht die Möglichkeit einer Minderung der Bemessungsgrundlage der Selbstverbrauchsteuer um die erhöhten Absetzungen nach § 14 Abs. 4 BHG verneint.

Unter diesen Umständen ist der Antrag der Steuerpflichtigen, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, gegenstandslos geworden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413297

BStBl II 1972, 842

BFHE 1972, 386

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