Leitsatz (amtlich)
1. Eine Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags konnte in Bayern zum Stichtag 1. April 1948 mangels ausreichender Rechtsgrundlage nicht vorgenommen werden.
2. Die in Abschn. 56 Abs. 2 GrR 1937 getroffene Regelung hat keinen rechtsnormähnlichen Charakter.
Normenkette
GrStG 1936 § 20; GrStDVO 1937 §§ 37, 44; GrR 1937 Abschn. 56 Abs. 2; RBewDB 1935 § 87
Tatbestand
Streitig ist, ob der auf den 1. April 1948 durch Fortschreibungsveranlagung festgesetzte Grundsteuermeßbetrag auf die Belegenheitsgemeinden zerlegt werden darf oder nicht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) hat mit Bescheid vom 27. Dezember 1954 den Einheitswert für den forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) auf den 1. Januar 1948 fortgeschrieben, eine Fortschreibungsveranlagung des Grundsteuermeßbetrags auf den 1. April 1948 vorgenommen und den Grundsteuermeßbetrag auf sieben Gemeinden zerlegt. Die Zerlegung war auf die Verfügung des Oberfinanzpräsidenten in Nürnberg vom 18. Juli 1938 gestützt.
Mit Urteil vom 16. Dezember 1963 hat das Finanzgericht (FG) den Einheitswert und den Grundsteuermeßbetrag herabgesetzt. Gleichzeitig hat es in den Gründen seiner Entscheidung die entsprechende Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags auf die Gemeinden vorgenommen. Auf Grund dieser Entscheidung erließ das FA am 26. Juni 1964 einen neuen Bescheid, in dem es die Zahlenangaben aus dem Urteil des FG zugrunde legte. Auch dieser Bescheid enthielt die Feststellung des Einheitswerts, die Fortschreibungsveranlagung des Grundsteuermeßbetrags und die Zerlegung dieses Meßbetrags auf die beteiligten Gemeinden.
Die Revision gegen das Urteil des FG wurde durch Urteil des erkennenden Senats vom 14. Mai 1971 III 155/64 als unbegründet zurückgewiesen, soweit diese sich gegen die Feststellung des Einheitswerts und des Grundsteuermeßbetrags richtete. Gegen die Zerlegung des Grundsteuermeßbescheids im Bescheid des FA vom 26. Juni 1964 wurde nach erfolgloser Beschwerde Klage erhoben. Der Kläger machte geltend, der Zerlegungsbescheid sei ohne Rechtsgrundlage erlassen worden und müsse daher als rechtswidrig aufgehoben werden. Die Oberfinanzdirektion (OFD) hatte im finanzgerichtlichen Verfahren ihren Beitritt erklärt. Das FG hat die beteiligten Gemeinden beigeladen. Die Klage blieb ohne Erfolg.
Mit der Revision wird geltend gemacht, daß es an einer gesetzlichen Grundlage für die Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags fehle. Der Einheitswertbescheid für den forstwirtschaftlichen Betrieb zum 1. Januar 1948 sei nur ein Grundlagenbescheid. Die Veranlagung des Grundsteuermeßbetrags und die angefochtene Grundsteuerzerlegung richteten sich aber nach den Bestimmungen zur Grundsteuer und deren Erhebungsverfahren. Das Grundsteuerrecht sei durch das Grundsteuergesetz (GrStG) vom 10. August 1951 mit Wirkung ab Rechnungsjahr 1951 neu gefaßt worden. Nach § 17 dieses Gesetzes sei zwar eine Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags vorgesehen, jedoch mit der Einschränkung, daß nach § 20 des Gesetzes der Verordnungsgeber ermächtigt sei, an die Stelle einer Zerlegung den Steuerausgleich zwischen den Gemeinden vorzunehmen. Von dieser Ermächtigung habe der Verordnungsgeber in § 37 GrStDV vom 29. Januar 1952 Gebrauch gemacht und im ganzen Land Bayern für land- und forstwirtschaftliche Betliebe den Steuerausgleich zwischen den Gemeinden zwingend angeordnet. Diese Vorschriften seien zur Zeit des Ergehens des angefochtenen Grundsteuerzerlegungsbescheids bereits in Kraft gewesen. Auf Zeiträume vor der Neufassung des Grundsteuergesetzes wirke sich der angefochtene Zerlegungsbescheid wegen der inzwischen eingetretenen Verjährung der Grundsteuer nicht mehr aus.
Die angefochtene Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags könne auch nicht auf § 44 GrStDV gestützt werden, weil es sich hierbei nur um eine Anordnung handele, die das Innenverhältnis der am Grundsteueraufkommen beteiligten Gemeinden betreffe. Mit Rücksicht auf die Verjährungsvorschriften liege in der Anwendung des Grundsteuergesetzes 1951 und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung auch keine unzulässige rückwirkende Anwendung eines Steuergesetzes, da Grundsteuer frühestens ab 1. April 1951 erhoben werden dürfe.
Im Gegensatz zu der Vorentscheidung hält der Kläger die in § 37 der Verordnung zur Durchführung des Grundsteuergesetzes vom 1. Juli 1937 (GrStDVO 1937) ergangene Anordnung über den Steuerausgleich zwischen den Gemeinden im Lande Bayern für rechtswirksam zustande gekommen. Es sei ausreichend, daß der Reichsminister der Finanzen (RdF) im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern (RdI) gehandelt habe. Der Kläger hält auch die Einwendungen der beteiligten Gemeinde B. gegen die Zuteilung des gesamten Grundsteuermeßbetrags an die Wohnsitzgemeinde H. für unbegründet, da es sich bei dem forstwirtschaftlichen Betrieb um eine wirtschaftliche Einheit handele, dessen einziger Sitz nach § 38 Abs. 1 GrStDV nur H. sein könne.
Das FA und die am Verfahren beteiligte OFD vertreten demgegenüber die Auffassung, daß die Änderung des Grundsteuergesetzes 1951 keine Rückwirkung auf die Zerlegung des auf den 1. April 1948 rechtskräftig festgesetzten Grundsteuermeßbetrags haben könne. Das FA hat sich im wesentlichen den Ausführungen der OFD angeschlossen und Zurückweisung der Revision als unbegründet beantragt.
Die am Verfahren beteiligte Gemeinde G. hat Zurückweisung der Revision als unbegründet beantragt. Die ebenfalls am Verfahren beteiligte Gemeinde B. hat mitgeteilt, daß die Gemeinden B. und K. mit Wirkung vom 1. Januar 1972 zusammengelegt wurden. Rechtsnachfolger der bisherigen beiden Gemeinden ist die Gemeinde B. Die Gemeinde B. hält ebenfalls die Revision für unbegründet. Hilfsweise hat sie beantragt, die Gemeinde B. als Sitzgemeinde zu erklären und dies bei der Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags zu berücksichtigen. Sie begründet den Hilfsantrag damit, daß durch die Zusammenlegung der beiden Gemeinden die neue Gemeinde B. mehr als 50 v. H. des forstwirtschaftlichen Besitzes umfasse. Dem zufälligen Wohnsitz des Eigentümers des forstwirtschaftlichen Betriebes komme demgegenüber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Vertreter der ebenfalls am Verfahren beteiligten Gemeinde Z, schloß sich in der mündlichen Verhandlung dem Hauptantrag der Gemeinde B. an. Die übrigen beteiligten Gemeinden haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klage zulässig war, weil infolge der Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags wegen der Verschiedenheit der Hebesätze der beteiligten Gemeinden eine Beschwer des Klägers zu bejahen ist.
Die Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags kann nicht auf die Anordnung des Oberfinanzpräsidenten Nürnberg vom 18. Juli 1938 und Abschn. 56 Abs. 2 der Grundsteuer-Richtlinien 1937 (GrR) gestützt werden. Diese Verwaltungsvorschriften erhalten auch nicht durch den von den Finanzbehörden vorgenommenen Hinweis auf § 87 Satz 2 der Durchführungsbestimmungen zum Reichsbewertungsgesetz (RBewDB) vom 2. Februar 1935 Rechtsnormcharakter. Nach § 87 RBewDB 1935 waren die Oberfinanzpräsidenten ermächtigt, zu bestimmen, daß die Zerlegung der Einheitswerte für land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterbleiben kann. Der Grund für diese Bestimmung war der, daß man seinerzeit davon ausging, daß in dem noch zu erlassenden Grundsteuergesetz neben der Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags der Steuerausgleich eingeführt werde (vgl. Kühne, Kommentar zum Grundsteuergesetz vom 1. Dezember 1936, Anm. 1 zu § 37 GrStDVO). § 87 RBewDB 1935, der zwar entgegen der Meinung der Vorinstanz bei Erlaß der Anordnung des Oberfinanzpräsidenten vom 18. Juli 1938 noch in Kraft war, wurde aber anläßlich der Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Reichsbewertungsgesetz durch die Verordnung vom 22. November 1939 (RGBl I 1939, 2271) aufgehoben. § 87 RBewDB 1935 konnte jedoch schon vor der formellen Aufhebung keine Rechtsgrundlage mehr für die Zerlegung eines Grundsteuermeßbetrags darstellen, weil durch § 20 GrStG vom 1. Dezember 1936 bestimmt worden war, daß nicht mehr die Oberfinanzpräsidenten, sondern der RdF und RdI bestimmen konnten, daß statt der Zerlegung der Steuermeßbeträge ein Steuerausgleich zwischen den Gemeinden stattfinden könne. Zur Ausführung des § 20 GrStG 1936 ordnete dann § 37 GrStDVO 1937 an, daß der Steuerausgleich zwischen den Gemeinden in mehreren Ländern, darunter auch in Bayern, an die Stelle der Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags trete. Entgegen der Meinung des FG ist § 37 GrStDVO rechtsgültig ergangen. Allerdings waren in § 20 GrStG 1936 der RdF und der RdI nur gemeinsam ermächtigt, eine Regelung über den Steuerausgleich zu erlassen. Wenn diese Regelung durch § 37 GrStDVO 1937 in der Weise getroffen wurde, daß der RdF im Einvernehmen mit dem RdI angeordnet hat, daß z. B. in Bayern an Stelle der Zerlegung der Steuermeßbeträge ein Steuerausgleich zwischen den Gemeinden durchzuführen sei, so ist nach Auffassung des erkennenden Senats dem gesetzlichen Erfordernis des § 20 GrStG 1936 Rechnung getragen. Die Anordnung in § 20 GrStG 1936 war deswegen getroffen worden, weil durch die vorgesehene Regelung nicht nur die Belange der Finanzverwaltung, sondern auch diejenigen der Gemeinden berührt werden. Dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift ist dann aber hinreichend Rechnung getragen, wenn der RdI sich mit der vom RdF vorgeschlagenen Regelung einverstanden erklärt hat. Hierdurch war auch nach außen hin klargestellt, daß die getroffene Regelung als solche der beiden im Gesetz bestimmten Ministerien erlassen worden war. Gestützt wird diese Auffassung auch noch dadurch, daß die zur Ausführung des Grundsteuergesetzes 1936 und der Verordnung zur Durchführung des Grundsteuergesetzes 1937 erlassenen Grundsteuer-Richtlinien vom 19. Juli 1937 wieder gemeinsam vom RdF und RdI erlassen wurden.
Demgegenüber stellt die in Abschn. 56 Abs. 2 GrR getroffene Regelung, wonach der Oberfinanzpräsident für seinen Bezirk allgemein anordnen kann, daß für sog. Ausmärkerflächen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes von bestimmter Größe eine Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags durchzuführen ist, eine vom Gesetz und der Durchführungsverordnung nicht mehr gedeckte Anweisung dar. Zwar ist die Verordnung zur Durchführung des Grundsteuergesetzes 1937 auch auf § 12 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) a. F. gestützt. Hiernach hatte der RdF u. a. die Befugnis, zur Ergänzung der erlassenen Steuergesetze Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Wie aber der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Gutachten vom 22. November 1951 IV D 1/51 S (BFHE 56, 14, BStBl III 1952, 6) bereits ausgeführt hat, liegt eine Ergänzung dann nicht mehr vor, wenn gegen Grundsätze des Gesetzes verstoßen wird. Das trifft aber für die in Abschn. 56 Abs. 2 GrR enthaltene Bestimmung zu. Nach § 20 Satz 2 GrStG 1937 konnte nur die in Satz 1 dieser Vorschrift enthaltene Regelung, daß anstelle der Zerlegung der Steuermeßbeträge ein Steuerausgleich treten könne, auf einzelne Teile des Reichs beschränkt werden. Diese Formulierung schließt es aber aus, daß die Zerlegung anstelle des Steuerausgleichs für einzelne Betriebe der Land- und Forstwirtschaft unter Berücksichtigung der Größe der Ausmärkerflächen wieder eingeführt werden kann.
Die in Abschn. 56 Abs. 2 GrR vorgenommene Anordnung ist zwar formell auf § 44 GrStDVO 1937 gestützt. Sie hat aber auch hierin keine ausreichende Grundlage. § 44 GrStDVO gibt lediglich die Möglichkeit, in Sonderfällen die Festsetzung des Beteiligungsbetrages der Belegenheitsgemeinde am Steueraufkommen der Sitzgemeinde abweichend von der in den §§ 41 bis 43 GrStDVO getroffenen Regelung anderweitig festzusetzen. § 44 GrStDVO 1937 ist daher lediglich im Rahmen des Finanzausgleichs anwendbar. Sie ist keine ausreichende Grundlage für die Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags durch das FA.
Weder die Grundsteuer-Richtlinien noch die Anordnung des Oberfinanzpräsidenten vom 18. Juli 1938 sind ordnungsgemäß bekanntgemacht worden, sie können auch aus diesem Grunde keine geeignete Rechtsgrundlage darstellen. Sie sind daher von den Steuergerichten nicht zu beachten (vgl. hierzu Schreiben des RdF vom 10. Juni 1940 an den Reichsfinanzhof – RFH –, RStBl 1940, 756, und das Urteil des RFH vom 28. Juni 1944 VI 238/43, RStBl 1945, 27).
Sonach ist festzustellen, daß eine Zerlegung des Grundsteuermeßbetrags für den forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers zum 1. April 1948 nicht durchgeführt werden konnte. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, ist sie aufzuheben. Ebenso ist die Beschwerdeentscheidung der OFD und der vom FA gemäß § 387 Abs. 2 AO am 26. Juni 1964 erlassene und den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens darstellende Zerlegungsbescheid aufzuheben. Da nach den obigen Ausführungen dem vom FA am 27. Dezember 1954 erlassenen ersten Zerlegungsbescheid die Rechtsgrundlage fehlt, wird das FA nunmehr auch diesen Bescheid noch formell aufzuheben haben.
Dem von der Gemeinde B. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Hilfsantrag, die Gemeinde B. anstelle der Gemeinde H. als Sitzgemeinde anzusehen und dies bei der Zerlegung des Einheitswertbescheides zu berücksichtigen, kann nicht entsprochen werden. Soweit es sich hierbei um neues tatsächliches Vorbringen handelt, kann dieses gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom BFH nicht berücksichtigt werden. Im übrigen ist bei Streit darüber, welches die berechtigte Gemeinde ist, in einem besonderen Zuteilungsverfahren gemäß § 390 AO zunächst vom FA zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 514514 |
BFHE 1974, 191 |