Leitsatz (amtlich)
Die Steuerfreiheit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESt-StrukturG Niedersachsen ist zu versagen, wenn nicht der Erwerber selbst, sondern eine organschaftlich verbundene Gesellschaft das Grundstück zur Errichtung oder Erweiterung einer Betriebsstätte verwenden will.
Normenkette
GrEStStrukturG Niedersachsen § 1 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte am 17. März 1978 ein Grundstück in B. Das Grundstück samt Gebäuden war an die X-GmbH (GmbH) vermietet, welche dort eine Betriebsstätte unterhielt. Die Klägerin besaß bei Erwerb des Grundstücks 40 v. H. der Geschäftsanteile der GmbH und übernahm am 1. Juli 1978 auch die restlichen 60 v. H. der Geschäftsanteile. Die Klägerin trat in den zwischen der Verkäuferin und der GmbH geschlossenen Mietvertrag ein.
Den Antrag der Klägerin auf Freistellung von der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des (niedersächsischen) Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 22. April 1971 (GrEStStrukturG) lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ab und setzte mit Bescheid vom 8. Dezember 1978 Grunderwerbsteuer fest. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe nicht die Errichtung bzw. Erweiterung einer eigenen Betriebsstätte beabsichtigt, sondern das Grundstück einem Dritten, nämlich der GmbH, für dessen betriebliche Zwecke überlassen.
Zur Begründung der Revision führt die Klägerin aus: Die GmbH sei ihr -- der Klägerin -- bereits bei Erwerb des Grundstücks als Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert gewesen. Zwar werde -- anders als bei ihren übrigen Zweigniederlassungen im Bundesgebiet -- die Betriebsstätte der GmbH in rechtlich selbständiger Form betrieben; bei wirtschaftlicher Betrachtung handele es sich jedoch um ihre -- der Klägerin -- Betriebsstätte i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie den Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Recht entschieden, daß der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid nicht rechtswidrig ist.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG ist von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ausgenommen "der Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung oder Erweiterung einer Betriebsstätte". Dieser Tatbestand ist dann nicht erfüllt, wenn -- wie im vorliegenden Fall -- nicht der Erwerber des Grundstücks selbst, sondern ein Dritter, dem dieses zur Nutzung überlassen wird, auf dem Grundstück eine Betriebsstätte errichtet oder erweitert. Der Senat hat in den Fällen, in denen die Betriebsstätte durch eine Personengesellschaft betrieben wird, an der der Erwerber des Grundstücks beteiligt ist, die Tatbestandsvoraussetzung der Zweckverwirklichung in eigener Person verneint (Urteile vom 30. Juli 1980 II R 15/80, BFHE 131, 406, BStBl II 1980, 755; 22. Januar 1975 II R 62/73, BFHE 115, 67, BStBl II 1975, 391; 4. Februar 1981 II R 83--84/78, BFHE 133, 223/226, BStBl II 1981, 444/446). Auf die Begründung dieser Entscheidungen wird Bezug genommen. Die dort aufgeführten Erwägungen gelten gleichermaßen, wenn "Dritter" eine GmbH ist, die organschaftlich mit dem Grundstückserwerber verbunden ist. Für die Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer ist grundsätzlich die zivilrechtliche Selbständigkeit von organschaftlich verbundenen Unternehmen maßgeblich. Ein allgemeines Institut der Organschaft in dem Sinne, daß bei einem bestimmten Beteiligungsverhältnis für alle steuerrechtlichen Beziehungen von der Personenverschiedenheit der Organteile abzusehen wäre, kennt das Steuerrecht nicht (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. Februar 1967 II 170/64, BFHE 88, 66, BStBl III 1967, 346). Im Grunderwerbsteuerrecht wird von der Selbständigkeit der juristischen Personen nur in den engen Grenzen des § 1 Abs. 3 und des § 3 Nr. 7 Satz 1 GrEStG abgesehen.
Soweit sich aus dem Urteil des Senats vom 11. Januar 1978 II R 50/75 (BFHE 124, 87/90, BStBl II 1978, 141/143, vorletzter Absatz; vgl. dazu auch den Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 28. Juli 1981, BStBl I 1981, 592/595, unter 1.1.1.11) etwas anderes ergibt, hält der Senat nicht mehr daran fest.
Fundstellen
Haufe-Index 74503 |
BStBl II 1983, 139 |
BFHE 1982, 90 |