Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Als Unternehmen im Sinne von § 189 (oder § 161) Abs. 2 Ziff. 4 LAG, deren Hauptzweck die Vermietung oder Verpachtung eigenen Grundbesitzes ist, und bei denen daher Hypothekengewinnabgabepflicht an die Stelle von Kreditgewinnabgabepflicht tritt, kommen auch Personengesellschaften in Betracht.
Die Vermutung von § 1 Abs. 2 der KGA-Verordnung, wonach die Vermietung oder Verpachtung eigenen Grundbesitzes als Hauptzweck eines Unternehmens gilt, wenn mindestens 75 v. H. der Aktiven in der steuerlichen RM-Schlußbilanz auf vermietete oder verpachtete Grundstücke entfallen, greift nur bei solchen Unternehmen Platz, bei denen der Hauptzweck zweifelhaft ist.
Normenkette
LAG § 161/2/4, § 189 Abs. 2 Ziff. 4, § 188/1/b, § 190; 8-AbgabenDV-LA 1
Tatbestand
Es handelt sich um die Kreditgewinnabgabe einer Offenen Handelsgesellschaft. Gesellschafter waren am 1. April 1949 die Eheleute A. Nach dem Ableben des Ehemanns am 19. Februar 1953 führte seine Witwe das Unternehmen zunächst allein fort. Alsdann verkaufte sie in notarieller Verhandlung vom 27. November 1954 das Grundstück, auf dem sich das Unternehmen befand, sowie den Betrieb an den durch den damaligen Vormund vertretenen Bf.
Gegenstand des Unternehmens war und ist Vermietung von Garagenplätzen, Verkauf von ölen, Fetten und Zubehörteilen, Wagenpflege einschließlich Reparaturen sowie Vermittlung des Verkaufes von Benzin für eine AG.
Das Finanzamt hat gegen die Firma unter dem 2. September 1955 einen Kreditgewinnabgabebescheid und gegen den Bf. als Erwerber unter dem 3. September 1955 einen übergangsbescheid erlassen.
Der Bf. hat mit der Begründung Einspruch eingelegt, der Hauptzweck des Unternehmens sei die Vermietung von Grundbesitz; deshalb komme keine Kreditgewinnabgabe, sondern Hypothekengewinnabgabe in Betracht. Das Rechtsmittel ist ohne Erfolg geblieben, desgleichen die Berufung.
Die Vorinstanz hat ausgeführt, das streitige Unternehmen sei ein typischer gewerblicher Betrieb.
Entscheidungsgründe
Hiergegen richtet sich die Rb.
Die Abgabepflicht des Unternehmens und der übergang der Verpflichtung auf den Bf. hängen davon ab, ob die Voraussetzungen des § 189 Abs. 2 Ziff. 4 LAG erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift sind von der Kreditgewinnabgabe Unternehmen befreit, deren Hauptzweck die Vermietung oder Verpachtung eigenen Grundbesitzes ist. Hierzu ist die Achte Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (KGA-Verordnung) vom 28. Juni 1954 (BStBl 1954 I S. 313) auf Grund der Ermächtigung des § 188 Ziff. 1 b in Verbindung mit § 190 LAG ergangen. Nach § 1 der KGA-Verordnung gilt die Vermietung oder Verpachtung eigenen Grundbesitzes dann als Hauptzweck des Unternehmens, wenn mindestens 75 v. H. des in der RM-Schlußbilanz ausgewiesenen Rohvermögens auf vermieteten Grundbesitz entfallen. Da das streitige Unternehmen am Stichtage eine Offene Handelsgesellschaft gewesen ist, ist, worüber sich die Vorentscheidungen nicht ausgesprochen haben, zunächst zu prüfen, ob von der Bestimmung des § 189 Abs. 2 Ziff. 4 bzw. im Bundesgebiet des § 161 Abs. 2 Ziff. 4 LAG auch Personengesellschaften betroffen sein können.
Nach § 161 Abs. 1 LAG unterliegt der Kreditgewinnabgabe jeder gewerbliche Betrieb im Sinne des Bewertungsgesetzes (BewG). Nach § 54 BewG gehören zum Betriebsvermögen alle Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die dem Betriebsinhaber gehören und dem Betriebe eines Gewerbes als Hauptzweck dienen. Nach § 56 BewG bilden einen gewerblichen Betrieb alle Wirtschaftsgüter, die inländischen Kapitalgesellschaften, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts oder nichtrechtsfähigen Vereinen usw. mit wirtschaftlichem Geschäftsbetriebe und dem Zweck der Erzielung wirtschaftlicher Vorteile, Kreditanstalten des öffentlichen Rechts oder Offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften oder ähnlichen Gesellschaften gehören. Hiernach unterliegen Offene Handelsgesellschaften der Kreditgewinnabgabe.
Ob sich die Befreiung des § 189 Abs. 2 Ziff 4 LAG auch auf Personengesellschaften erstrecken kann, hängt von der Auslegung des Wortes "Unternehmen" ab, das sich nicht in Abs. 1, jedoch in der Befreiungsvorschrift des Abs. 2 des § 161 LAG findet. Ein Unternehmen kann auch eine Firma, z. B. eine Einzelfirma oder eine Offene Handelsgesellschaft, sein. Es braucht dies also nicht eine Kapitalgesellschaft oder sonst eine juristische Person zu sein. § 1 Abs. 3 der KGA-Verordnung behandelt allerdings den Fall eines sogenannten Konzerns und regelt den Fall, daß an dem Kapital des "Unternehmens" ein anderes "Unternehmen" mit mindestens 75 v. H. beteiligt ist. Diese Ausdrucksweise der Beteiligung am "Kapital", die sich auch bei Schachtelgesellschaften und Organgesellschaften findet, zwingt indessen nicht zu der Annahme, der Gesetzgeber habe bei den Unternehmen der Ziff. 4 von Abs. 2 des § 189 (bzw. des § 161) LAG nur an Kapitalgesellschaften gedacht. Auch aus der "Begründung" zur KGA-Verordnung läßt sich eine einschränkende Auslegung in dieser Richtung nicht entnehmen. Sie spricht zwar zu § 1 Abs. 3 der KGA-Verordnung von "Grundstücksverwaltungsgesellschaften" und von "Anteilen am Kapital"; diese Formulierung würde aber ebenfalls auf Offene Handelsgesellschaften anwendbar sein.
Es kommt folgendes hinzu: Der Ausdruck "Unternehmen" ist in Ziff. 1 des Absatzes 2 von § 189 (bzw. von § 161) LAG auch für Geldinstitute gebraucht. "Geldinstitute" können nach § 9 Abs. 2 des Währungsgesetzes (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - 1948 Beilage 5 S. 1) auch "Bankgeschäfte", mithin auch persönliche Unternehmen, sein. Diesen Begriff der "Geldinstitute" hat das Umstellungsgesetz (WiGBl 1948 Beilage 5 S. 13) in §§ 13 ff. übernommen; es ist auf die Umstellungsvorschriften für die Kreditgewinnabgabe in § 189 (bzw. in § 161) Abs. 2 Ziff. 1 sowie in § 163 LAG ausdrücklich Bezug genommen. Demnach umfassen die "Unternehmen" des § 189 (bzw. § 161) Abs. 2 Ziff. 1 LAG auch persönliche Firmen. Ist dies hiernach in Ziff. 1 a. a. O. der Fall, kann der Ausdruck "Unternehmen" in Ziff. 4 a. a. O. ebenfalls nur die auch persönliche Firmen mitumfassende Bedeutung besitzen.
Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck der Ziff 4 a. a. O. für diese Auslegung; denn wenn sich der Gesetzgeber dazu entschlossen hat, "diejenigen Unternehmen, deren wirtschaftliche Lage etwa die gleiche ist wie die des privaten (= nicht gewerblichen) Grundbesitzes, von der Kreditgewinnabgabe zu befreien und statt dessen der Hypothekengewinnabgabe zu unterwerfen", und hierfür die Begründung gegeben hat (vgl. Begründung zur KGA-Verordnung zu § 1):
" ... Grund hierfür war die Auffassung daß die Hypothekengewinnabgabe, durch die im allgemeinen nur die Schuldnergewinne aus den am Grundbesitz dinglich gesicherten Verbindlichkeiten erfaßt werden und bei der weitgehende, auf das Schicksal des haftenden Grundbesitzes abgestellte Milderungsmöglichkeiten vorgesehen sind - Minderung wegen Kriegsschäden, Herabsetzung bei Wiederaufbau, Erlaß der laufenden Leistungen bei mangelndem Ertrage -, den Verhältnissen dieser Unternehmen besser Rechnung trage...", und wenn ferner der Gesetzgeber hierbei nicht einmal vor der zwischen den Abgabepflichtigen und den Verkehr gestellten Form der juristischen Person Halt gemacht hat, dann ist nicht einzusehen, weshalb nicht um so eher ein persönliches gewerbliches Unternehmen des Abgabepflichtigen die Vergünstigungen des § 1 der KGA-Verordnung genießen soll, da auch hier der Zweck der Vorschrift Verwirklichung finden kann.
Die Tatsache, daß die Rechtsvorgängerin des Bf. am Stichtage der Kreditgewinnabgabe eine Offene Handelsgesellschaft, also eine Personengesellschaft, gewesen ist, steht daher der möglichen Befreiung von der Kreditgewinnabgabe aus § 189 (bzw. aus § 161) Abs. 2 Ziff. 4 LAG nicht entgegen.
Es ist weiterhin zu prüfen, ob der Hauptzweck der Offenen Handelsgesellschaft die Vermietung oder Verpachtung eigenen Grundbesitzes gewesen ist.
§ 1 der KGA-Verordnung bestimmt, unter welchen Umständen der "Hauptzweck" eines Unternehmens in der Vermietung und Verpachtung eigenen Grundbesitzes besteht. Wenn die Ermächtigung des § 188 Abs. 1 Ziff. 1 b LAG von den Unternehmen spricht, deren Zugehörigkeit u. a. zu der Unternehmensgruppe des § 161 (bzw. des § 189) Abs. 2 Ziff. 4 LAG zweifelhaft ist, so ist dabei als mögliche Zweifelsquelle vor allem der Begriff "Hauptzweck" gedacht.
Doch ist nicht in allen Fällen, in denen ein Unternehmen ein ausgesprochenes Gewerbe betreibt und zugleich eigenen Grundbesitz verwaltet, der "Hauptzweck" zweifelhaft. Jedenfalls lassen die Feststellungen der Vorinstanz in dieser Beziehung einen Rechtsirrtum nicht erkennen; denn hier hat es sich am Währungsstichtage um das Mietwohngrundstück X-Str. 79 (Einheitswert 60.000 RM) und das Geschäftsgrundstück X-Str. 78 (Einheitswert 30.000 RM) gehandelt. Auf diesem Grundbesitz hat sich der Garagen- und Wagenpflegebetrieb abgewickelt. Der Grundbesitz diente demnach, mochten außerdem auch Wohnungen vermietet werden, in erheblichem Umfange unmittelbar dem Gewerbebetriebe. Die Vorinstanz konnte deshalb ohne Rechtsirrtum zu der Feststellung kommen, daß der Hauptzweck des Unternehmens nicht in der Vermietung von Wohnungen bestand. Die Vermutung des § 1 Abs. 2 der KGA-Verordnung betrifft nur solche Unternehmen, deren Hauptzweck i. S. des § 188 Abs. 1 Ziff. 1 b LAG zweifelhaft ist.
Der Fall liegt anders als in dem in der Begründung zu § 1 der KGA-Verordnung angeführten Beispiel eines Bauunternehmens, das "auch" über erheblichen eigenen Grundbesitz verfügt. Das Bauunternehmen kann auch ohne die Verwaltung von eigenem Grundbesitz geführt werden. Bei der Offenen Handelsgesellschaft, um deren Abgabepflicht es sich hier handelt, bildet demgegenüber der Grundbesitz zu einem nicht unwesentlichen Teil die Grundlage des Unternehmens.
Deshalb hat die Vorinstanz mit Recht von der Rechtsvermutung des § 1 Abs. 2 der KGA-Verordnung keinen Gebrauch gemacht.
Sonach ist die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409549 |
BStBl III 1960, 75 |
BFHE 1960, 205 |
BFHE 70, 205 |