Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Führt eine Betriebsprüfung zur Herabsetzung der Einheitswerte des gewerblichen Betriebes und damit zu einer Berichtigung des Gewerbekapitals für mehrere Erhebungszeiträume sowie zu einer Herabsetzung der für diese festgesetzten einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge, so fordert dieser Umstand nicht auch eine Berichtigung der unanfechtbar gewordenen Bescheide hinsichtlich der Gewerbeerträge.

 

Normenkette

AO § 218 Abs. 4, § 222 Abs. 1 Nrn. 1-2, §§ 234, 232; GewStG §§ 12, 14, 16, 35b

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte ursprünglich die Gewerbesteuermeßbeträge nach dem Gewerbeertrag der Revisionsklägerin (Steuerpflichtigen - Stpfl. -), einer GmbH, für die streitigen Erhebungszeiträume 1957 bis 1959 unter Einbeziehung der von der Stpfl. an ihren geschäftsführenden Gesellschafter und für 1957 auch an dessen Ehefrau gezahlten Vergütungen (§ 8 Ziff. 6 GewStG a. F.) festgesetzt. Die Bescheide waren unanfechtbar geworden. Auf Grund einer im Jahre 1963 durchgeführten Betriebsprüfung erließ das FA unter dem 1. Oktober 1963 Berichtigungsbescheide gemäß § 218 Abs. 4 AO, obwohl es neue Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO festgestellt hatte, die eine Wiederaufrollung der streitigen Veranlagungen gerechtfertigt haben würden. In die Berichtigungsbescheide übernahm das FA die inzwischen berichtigten niedrigeren Einheitswerte des gewerblichen Betriebes, die über die änderung der Meßbeträge nach dem Gewerbekapital zu einer Herabsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge führten. Die bisherigen Meßbeträge nach dem Gewerbeertrag blieben unverändert, wobei das FA - unter Beachtung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962 (BStBl I 1962, 500) sowie der Vorschrift des § 234 AO a. F. - anmerkte: "Keine änderung, da ohne Auswirkung".

Demgegenüber war die Stpfl. der Auffassung, daß die Betriebsprüfung neue Tatsachen erbracht habe, die eine Berichtigung sowohl zu ihrem Nachteil als auch zu ihrem Vorteil erlaubten, so daß eine volle Wiederaufrollung der Veranlagungen ohne die Beschränkung durch § 234 AO a. F. geboten sei. Auch sei vom Gewerbeertrag 1957 die im Gewinn enthaltene Auflösung einer Pensionsrückstellung im Betrage von 41.254 DM abzusetzen.

Einspruch und Berufung der Stpfl. blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründet seine Entscheidung wie folgt:

Die Betriebsprüfung habe in Ansehung des Gewerbeertrags und des nach ihm anzusetzenden Meßbetrags nur neue Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO (Berichtigung zum Nachteil der Stpfl.) ergeben. Diese hätten somit wohl zu einer Wiederaufrollung der Veranlagungen, nicht aber zu einer Besserstellung der Stpfl. führen können, da nach der Rechtsprechung sowohl bei Berichtigung der ursprünglichen Bescheide nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO als auch nach § 35 b GewStG die Vorschrift des § 234 AO a. F. zu beachten gewesen wäre (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - I 286/62 U vom 7. Oktober 1964, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 81 S. 286 - BFH 81, 286 -, BStBl III 1965, 103; I 259/64 vom 1. März 1966, BFH 85, 340, BStBl III 1966, 331).

Neue Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO (Berichtigung zum Vorteil der Stpfl.) lägen nur in bezug auf die Feststellungen der Einheitswerte des gewerblichen Betriebes der Stpfl. auf den 1. Januar 1957, 1. Januar 1958 und 1. Januar 1959 vor. Diese hätten jedoch - als eine Folge der verfahrensmäßigen Trennung von Grundlagen- und Folgebescheiden - keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Festsetzung des Meßbetrags nach dem Gewerbekapital oder den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag (BFH- Urteil VI 23/62 U vom 12. Juli 1963, BFH 77, 416, BStBl III 1963, 471).

Den Antrag auf Abzug der 41.254 DM vom Gewerbeertrag 1957 habe die Stpfl. nur unter der Voraussetzung gestellt, daß damit die Hinzurechnung der Vergütungen nach § 8 Ziff. 6 GewStG a. F. in vollem Umfang berichtigt werden könne.

Hiergegen wendet sich die Stpfl. mit der Revision. Da für die Streitjahre die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO für eine Berichtigung des Gewerbeertrags und daneben die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO für eine Berichtigung des Gewerbekapitals vorlägen, die Gewerbesteuer aber an den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag anknüpfe, seien die Veranlagungen für die Streitjahre in vollem Umfang und ohne die Beschränkung durch die Vorschrift des § 234 AO a. F. zu berichtigen. Die Frage, ob daneben eine Berichtigung auch nach Massgabe der §§ 218 Abs. 4 AO oder 35 b GewStG möglich sei, trete hinter der weiterreichenden Bedeutung der Vorschriften des § 222 AO zurück. Diese ihre Auffassung werde ausdrücklich in Ziff 2 a des Ländererlasses vom 26. Juni 1962 betreffend Auswirkungen der Urteile des BVerfG vom 24. Januar 1962 über die Nichtigkeit der Vorschriften des § 8 Ziffn. 5 und 6 GewStG (BStBl II 1962, 149) bestätigt. Ferner sei von dem Gewerbeertrag 1957 der im Gewinn enthaltene, aus der Auflösung einer Pensionsrückstellung resultierende Betrag von 41.254 DM abzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Ausweislich der Akten stehen sich nach den ursprünglichen, unanfechtbar gewordenen Gewerbesteuermeßbescheiden und nach Tz. 31 des Betriebsprüfungsberichts vom 2. April 1963 folgende Gewerbeerträge und Gewerbekapitalbeträge gegenüber:

---------------------- 1957 ---------- 1958 ---------- 1959 Gewerbeertrag lt. Bescheid --------- 475.600 ------ 419.600 -------- 378.000

Gewerbeertrag lt. Betriebsprüfung -- 526.100 ------ 427.200 -------- 386.400

Unterschiedsbetrag + -------------- 50.500 -------- 7.600 ---------- 8.400 Gewerbekapital lt. Bescheid --------1.136.000 ---- 1.397.000 ----- 1.578.000 Gewerbekapital lt. Betriebsprüfung 1.111.000 ----- 1.387.000 ----- 1.563.000

Unterschiedsbetrag ./. ------------ 25.000 -------- 10.000 -------- 15.000

Die Gewerbekapitalbeträge lt. Betriebsprüfung beruhen auf der Einsetzung der gemäß § 222 AO berichtigten Einheitswerte des gewerblichen Betriebes.

Die Stpfl. ist angesichts dieser Zahlen der Auffassung, daß das FA gehalten sei, berichtigte Gewerbesteuermeßbescheide nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO zu erlassen, wobei im Hinblick auf die ermäßigten Gewerbekapitalbeträge eine volle Wiederaufrollung der ursprünglichen Veranlagungen zu erfolgen habe. Der Senat vermag ihr indes nicht beizupflichten.

Der für die Steuererhebung nach § 16 GewStG maßgebende einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag wird durch die Zusammenrechnung der Steuermeßbeträge gebildet, die sich nach dem Gewerbeertrag und nach dem Gewerbekapital ergeben (§ 14 GewStG). Als Gewerbekapital wiederum gilt der Einheitswert des gewerblichen Betriebes im Sinne des BewG mit den sich aus § 12 Abs. 2 bis 4 GewStG ergebenden änderungen. Die Frage, ob eine änderung des Meßbetrags nach dem Gewerbekapital auf § 218 Abs. 4 AO, § 35 b GewStG oder § 222 Abs. 1 AO zurückzuführen ist, beantwortet sich demgemäß danach, ob (nur) der Einheitswert oder (auch) die nach § 12 Abs. 2 bis 4 GewStG vorzunehmenden änderungen durch das Bekanntwerden neuer Tatsachen oder Beweismittel unmittelbar berührt worden sind. Etwas anderes ist auch dem Ländererlaß vom 26. Juni 21962 nicht zu entnehmen, soweit er auf den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag abstellt.

Da im Streitfall die neuen Tatsachen oder Beweismittel in Ansehung des Gewerbekapitals lediglich eine Berichtigung der Einheitswerte des gewerblichen Betriebes für die Erhebungszeiträume 1957 bis 1959 bewirken, wäre für eine Berichtigung der ursprünglichen Veranlagungen nur dann Raum, wenn das Bekanntwerden neuer Tatsachen oder Beweismittel auch den Gewerbeertrag berührt hätte. Das war aber im Streitfall nur zum Nachteil der Stpfl. der Fall, wie das FG zutreffend ausgeführt hat. Gleichwohl wäre bei Durchführung einer Berichtigung der Wegfall des § 8 Ziff. 6 GewStG a. F. zu beachten gewesen, der jedoch nur bis zur Höhe des ursprünglich festgesetzten einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags hätte berücksichtigt werden können (§ 234 AO a. F.; BFH-Urteile I 286/62 U, a. a. O., I 259/64, a. a. O.). Das FA war danach nicht gehalten, die gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO an sich gebotene Berichtigung nur um der Berichtigung willen durchzuführen, da sie für die Stpfl. zu keiner Besserstellung führen konnte.

Das gilt auch bezüglich der grundsätzlich gebotenen Absetzung des Betrages von 41.254 DM. Denn auch bei seiner Absetzung von dem um 50.500 DM höher als ursprünglich veranlagt festgestellten Gewerbeertrag hätte sich für die Stpfl. keine Besserstellung ergeben können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412395

BStBl III 1967, 202

BFHE 1967, 441

BFHE 87, 441

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