Leitsatz (amtlich)
Wer ein mit einem steuerbegünstigten Wohngebäude bebautes Grundstück (Erbbaurecht) von einem Miterben erwirbt, der das vor Eintritt des Erbfalles bebaute Grundstück (Erbbaurecht) im Wege der Erbauseinandersetzung übertragen erhalten hat, ist i. S. des § 1 Nr. 5 GrESWG 1966 Niedersachsen nur in Höhe des Anteils Ersterwerber, zu dem der Veräußerer als Miterbe an dem Nachlaß beteiligt war.
Normenkette
GrESWG Niedersachsen 1966 § 1 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger und seine Ehefrau kauften durch notariell beurkundeten Vertrag vom 1. März 1968 von Herrn S je zur ideellen Hälfte des Erbbaurechts nebst aufstehendem Einfamilienhaus.
Das Einfamilienhaus war von den Eheleuten S aufgrund des von ihnen 1964 je zur ideellen Hälfte erworbenen Erbbaurechts errichtet und am 1. Juni 1965 bezogen worden. Nach dem Tode der Frau S, die von ihrem Ehemann zu 3/4 und von ihrer Schwester zu 1/4 beerbt worden war, hatte der überlebende Ehemann, der spätere Veräußerer, den ideellen Anteil seiner verstorbenen Ehefrau sodann im Wege der Erbauseinandersetzung erworben und war dadurch Alleinberechtigter des Erbbaurechts nebst aufstehendem Einfamilienhaus geworden.
Der Kläger und seine Ehefrau begehrten Steuerfreiheit wegen Ersterwerbs eines Erbbaurechtes mit aufstehendem Wohngebäude gemäß § 1 Nr. 5 i. V. m. § 2 des Niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer i. d. F. vom 17. Februar 1966 (GVBl 64) - GrESWG -. Das beklagte FA gab den Anträgen nur zum Teil statt. Es nahm einen steuerpflichtigen Zweiterwerb jeweils insoweit an, als der Veräußerer über den ideellen Anteil am Erbbaurecht verfügte, der von seiner verstorbenen Ehefrau herrührte.
Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Seine auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides gerichtete Klage hatte in vollem Umfang Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist zum Teil begründet.
Der Erwerb eines Grundstücks im Wege der Erbauseinandersetzung ist gegebenenfalls ein Ersterwerb i. S. des § 1 Nr. 5 GrESWG, wenn und soweit der Erwerber nicht als Erbteilsinhaber am ungeteilten Nachlaß beteiligt war. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 26. Februar 1975 II R 33/70 (BFHE 115, 286, BStBl II 1975, 457) für das baden-württembergische Recht ausgesprochen, wobei allerdings damals noch offen blieb, was insoweit gilt, als der Erwerber bereits als Miterbe am Nachlaß beteiligt war. Der Senat hat seine Auffassung mit den für die Grunderwerbsteuer maßgebenden Vorgegebenheiten des bürgerlichen Rechts begründet, die für die Erbauseinandersetzung einen unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 fallenden notariell zu beurkundenden Vertrag erfordern. Für das niedersächsische Grunderwerbsteuerrecht kann nichts anderes gelten. Der Vertrag über die Erbauseinandersetzung ist ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Vertrag und damit ein Erwerbsvorgang, mag auch nach § 3 Nr. 3 GrEStG 1940 Grunderwerbsteuerfreiheit gegeben sein.
Gegen eine Steuerpflicht des auf die Erbauseinandersetzung folgenden Rechtsvorganges kann nicht eingewandt werden, daß auf diese Weise eine Steuervergünstigung verloren gehe, da der vorangegangene Vorgang sowohl unter § 1 Nr. 5 GrESWG als auch unter § 3 Nr. 3 GrEStG 1940 falle. Es gibt keinen Rechtssatz des Inhalts, daß ein weiterer Erwerb steuerfrei sei, wenn der vorhergehende Erwerb nach mehreren Vorschriften von der Steuer freigestellt ist (vgl. das Urteil des Senats vom 15. Oktober 1975 II R 87/67, BFHE 117, 187, BStBl II 1976, 71). Entsprechendes hat der Senat bereits zu der Frage einer etwaigen Vorverlagerung einer Steuerbefreiung auf einen früheren Erwerbsvorgang ausgesprochen (vgl. die Urteile vom 8. Dezember 1970 II R 26/67, BFHE 101, 312, BStBl II 1971, 255, und vom 13. September 1972 II R 49/72, BFHE 107, 313, BStBl II 1973, 86).
Berücksichtigt man im übrigen, daß einerseits der erste Erwerb eines bebauten Grundstücks von demjenigen, der auf eigenem Grund und Boden für eigene Zwecke gebaut hat, bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen steuerfrei bleibt, andererseits aber nicht der Erwerb eines bebauten Grundstücks von demjenigen, der zuvor das fertige Objekt von einem Bauträger erworben hat, so würde eine nicht mehr vertretbare Ungleichheit in der steuerlichen Behandlung dieser Fälle eintreten, wenn die für den Ersterwerb vorgesehene Steuerfreiheit entgegen dem Wortlaut des Gesetzes auf Erwerbsfälle ausgedehnt würde, die grunderwerbsteuerrechtlich bereits zweite Erwerbe sind. Eine Ausnahme hat der Senat bisher nur für den Erwerb gemacht, der dem Ersterwerb durch Erbfolge nachfolgt (vgl. Urteil vom 26. Juli 1961 II 196/60 U, BFHE 73, 576, BStBl III 1961, 475). Hierbei sind die Besonderheiten einer Gesamtrechtsnachfolge berücksichtigt worden. Es ist aus Rechtsgründen nicht möglich, auch noch den Erwerb durch Erbauseinandersetzungen auszunehmen und erst den daran anschließenden Erwerb als Ersterwerb zu zählen.
Die Steuerfreiheit für den Ersterwerb ist im vorliegenden Fall allerdings insoweit nicht durch die Erbauseinandersetzung verbraucht worden, als der veräußernde Miterbe bereits vor der Erbauseinandersetzung entsprechend seinem Erbanteil gesamthänderischer Mitberechtigter des Erbbaurechts war. Hier ist zu berücksichtigen, daß nach der jüngsten Rechtsprechung des Senats jede Veränderung auf der Eigentümerseite infolge Veräußerung von Erbanteilen im Umfange dieser Veränderung zu einer Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1940 führt (vgl. das Urteil des Senats vom 17. Juli 1975 II R 141/74, BFHE 117, 270, BStBl II 1976, 159). Ein Erwerbsvorgang liegt jedoch insoweit nicht vor, als die Erbanteile und damit die gesamthänderische Berechtigung durch eine Erbanteilsübertragung nicht berührt werden. Es kann deshalb insoweit kein die Steuerfreiheit verbrauchender Ersterwerb angenommen werden, als der gesamthänderische Anteil eines Miterben infolge des Erwerbs aller übrigen Erbanteile in dem dadurch entstehenden Alleineigentum aufgeht.
Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht vertretbar, wenn ein Miterbe nicht die Erbanteile seiner Miterben, sondern im Wege der Erbauseinandersetzung ein zum Nachlaß gehöriges Grundstück erwirbt. Es muß hier berücksichtigt werden, daß der erwerbende Miterbe auch auf der Veräußererseite als gesamthänderischer Miteigentümer beteiligt ist. Insoweit wird sein schon vorhandenes gesamthänderisches Miteigentum lediglich in eine andere Form des Eigentums überführt.
Wenn für den Erwerb von einer Erbengemeinschaft durch einen Miterben etwas anders gilt als für den Erwerb von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch einen Gesellschafter, so ist dies eine Folge der unterschiedlichen Behandlung der beiden Gesamthandsgemeinschaften, wie sie sich aus dem Urteil des Senats II R 141/74 ergibt.
Verbraucht ist nach allem die Steuerfreiheit für den Ersterwerb durch die Erbauseinandersetzung nur in Höhe des Anteils, zu dem die Schwägerin des Klägers vor der Erbauseinandersetzung an dem zum Nachlaß ihrer Schwester gehörenden Erbbaurechtsanteil beteiligt war.
Fundstellen
Haufe-Index 71804 |
BStBl II 1976, 346 |
BFHE 1976, 237 |