Entscheidungsstichwort (Thema)
Häusliches Arbeitszimmer eines Soldaten: Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes
Leitsatz (NV)
Ein Dienstzimmer, das den Feststellungen des FG zufolge für einen Teilbereich der beruflichen Tätigkeit objektiv nicht geeignet ist (hier: Rechenkapazität und Software-Ausstattung der dienstlichen PC-Anlage), steht dem Steuerpflichtigen insoweit als Arbeitsplatz nicht zur Verfügung, so dass die Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers grundsätzlich in Höhe von 2 400 DM (jetzt: 1 250 Euro) steuerlich geltend gemacht werden können.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2, § 9 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger ist Berufssoldat. Vom 1. Januar 1995 an war er als S3-Organisationsfeldwebel sowie als Artilleriefeldwebel und Systemverwalter bei einem Artillerielehrregiment auf zwei Dienstposten eingesetzt. Sein Betätigungsfeld als S3-Organisationsfeldwebel umfasste die Planung und Organisation von Lehrübungen sowie die Planung, Organisation und Koordination des Abstellungsbetriebes seines Regiments und der Artillerieschule. Als Artilleriefeldwebel und Systemverwalter oblag dem Kläger u.a. die Vorbereitung, Durchführung und Überarbeitung von Vorträgen unter Verwendung des Computer-Programms "Power Point" sowie die damit verbundenen Präsentationen vor militärischen und zivilen Gästen und Delegationen aus dem In- und Ausland. Dem Kläger stand im Stabsgebäude ein Dienstzimmer mit Schreibtisch, Bürostuhl und Computer zur Verfügung. Einer Bescheinigung seines Vorgesetzten zufolge konnte dieser Arbeitsplatz für die "teilweise sehr komplizierte Erstellung von Präsentationen" nicht genutzt werden, weil zuviel Publikumsverkehr herrschte und der sich dort befindliche Computer für andere dienstliche Angelegenheiten benötigt wurde. In der Bescheinigung heißt es weiter, ein gesonderter Arbeitsraum habe nicht bereit gestellt werden können, so dass der Kläger, um Termine einhalten zu können, gezwungen gewesen sei, zur Erledigung dieser Aufgaben sein häusliches Arbeitszimmer zu benutzen. Der Anteil der im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten an der gesamten dienstlichen Tätigkeit des Klägers betrug 40 v.H.
Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 machte der Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 2 400 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erkannte diese Aufwendungen wegen des Dienstzimmers des Klägers und unter Hinweis auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht an.
Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass die für das häusliche Arbeitszimmer geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 388 veröffentlicht.
Mit der Revision macht das FA geltend, das FG habe § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 EStG unzutreffend ausgelegt.
Das FA beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger treten der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zutreffend die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers in Höhe von 2 400 DM als Werbungskosten anerkannt (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 und Satz 3 Halbsatz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung).
1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der sich zur Erledigung büromäßiger Arbeiten eignet, ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung. Er steht allerdings nur dann "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit … zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Dabei genügt es nicht, dass lediglich nach Feierabend und am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet werden, die grundsätzlich auch an einem anderen Arbeitsplatz verrichtet werden könnten. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Urteile des Senats vom 7. August 2003 VI R 17/01 (BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78), VI R 16/01 (BFHE 203, 128, BStBl II 2004, 77), VI R 162/00 (BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83), VI R 118/00 (BFHE 203, 122, BStBl II 2004, 82) und VI R 41/98 (BFHE 203, 119, BStBl II 2004, 80) Bezug genommen.
2. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des FG ―jedenfalls im Ergebnis― nicht zu beanstanden.
Das FG hat festgestellt, dass das Dienstzimmer dem Kläger nur für einen Teilbereich seiner beruflichen Tätigkeit zur Verfügung gestanden hat. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu, das Zimmer sei zwar für die Tätigkeit eines S3-Organisationsfeldwebels hinreichend ausgestattet gewesen, nicht aber im Hinblick auf die dem Kläger ebenfalls übertragene Vorbereitung und Bearbeitung von Vorträgen und Präsentationen mittels des Programms "Power Point"; für diese Zwecke sei die in dem Dienstzimmer vorhandene PC-Anlage ihrer Rechenkapazität und Software nach nicht geeignet gewesen. Zudem habe der Kläger die vorhandene Anlage nicht in dem erforderlichen Umfang nutzen können.
Diese Ausführungen sind nachvollziehbar und vertretbar. Die sich daran anschließende Würdigung, dass dem Kläger das Dienstzimmer für die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten aufgrund der objektiven Gegebenheiten des Streitfalls nicht zur Verfügung gestanden hat, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Es geht im Streitfall insbesondere nicht darum, dass ein häusliches Arbeitszimmer lediglich nach Feierabend und an Wochenenden für Tätigkeiten genutzt wird, die grundsätzlich auch an einem anderen Arbeitsplatz verrichtet werden könnten.
Ob darüber hinaus, wie das FG meint, nur ein "funktionsfähiger" Arbeitsplatz ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung ist, kann dahingestellt bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 1140024 |
BFH/NV 2004, 943 |