Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungswertbesteuerung nach 1986
Leitsatz (NV)
1. Ob in einem Veranlagungszeitraum nach 1986 ein Nutzungswert für die selbstgenutzte Wohnung im eigenen Haus anzusetzen ist, richtet sich nach dem bis 1986 geltenden Recht.
2. Liegen die Voraussetzungen für den Ansatz des Nutzungswerts nur in einem Teil eines Veranlagungszeitraums nach 1986 vor, ist dieser wie bisher nur zeitanteilig zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2, §§ 21a, 52 Abs. 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, nutzen die eine Wohnung in ihrem im Jahre 1983 erworbenen Zwei familienhaus selbst. Die andere Wohnung war vom 1. Januar 1984 bis zum 30. Juni 1987 und ab 1. August 1988 vermietet.
Abweichend von der Steuererklärung der Kläger setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finazamt -- FA --) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr (1987) einen negativen Nutzungswert für die selbstgenutzte Wohnung nur für das erste Halbjahr an und berücksichtigte Werbungskosten für die zweite Wohnung ebenfalls nur für diesen Zeitraum. Die auf das zweite Halbjahr entfallenden erhöhten Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zog das FA wie Sonderausgaben ab. Der Einspruch blieb insoweit erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanz gerichte (EFG) 1992, 395 veröffentlichten Urteil statt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 21 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 21 Sätze 1 und 2 EStG. Für das zweite Halbjahr 1987 sei ein Nutzungswert für die selbstgenutzte Wohnung nicht anzusetzen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, für die selbstgenutzte Wohnung sei auch für das zweite Halbjahr 1987 ein Nutzungswert nach § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG anzusetzen.
a) Nach § 52 Abs. 21 Satz 1 EStG sind § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG und § 21 a EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden. Allerdings kann nach der sog. großen Übergangsregelung in § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG bei einer Wohnung im eigenen Haus der Nutzungswert für die eigengenutzte Wohnung weiter im Wege der Einnahme-Überschußrechnung ermittelt werden, wenn bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben (vgl. z. B. Senatsurteile vom 30. Juli 1991 IX R 49/90, BFHE 165, 92, BStBl II 1992, 27, und vom 22. März 1994 IX R 78/92, BFH/NV 1995, 99).
b) Ob in einem Veranlagungszeitraum nach 1986 ein Nutzungswert anzusetzen ist, richtet sich nach dem bis 1986 geltenden Recht. Denn die Übergangsregelung schützt nur das Vertrauen der Steuerpflichtigen auf den Fortbestand des bisher geltenden Rechts. Die Inhaber von Wohnungen im eigenen Haus sollten nicht übergangslos den für sie nachteiligen Folgen der Konsumgutlösung unterworfen werden (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 1994 IX R 143/90, BFHE 174, 133, BStBl II 1994, 457, m. w. N.). Sie sollten aber nicht besser gestellt werden als nach altem Recht. Im Rahmen der Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG hat deshalb auch § 21 a EStG -- als negatives Abgrenzungskriterium -- noch für die Fragestellung Bedeutung, ob unter Berücksichtigung des alten Rechts ein Fall der pauschalen Nutzungswertbesteuerung vorliegt. Wäre der Nutzungswert im Übergangszeitraum bei Anwendung alten Rechts pauschal nach § 21 a EStG zu ermitteln -- weil das Zweifamilienhaus nunmehr vollständig selbst genutzt wird oder die zweite Wohnung nicht vermietet ist (§ 21 a Abs. 1 Satz 3 EStG) --, entfällt die Erfassung des Nutzungswerts nach der großen Übergangsregelung (vgl. z. B. Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 21 EStG Rdnr. 569; Kieschke, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1986, 533, 536 f.; B. Meyer, Finanz-Rundschau -- FR -- 1986, 525, 526; Zeitler, Betriebs-Berater -- BB -- 1986, 2103, 2104; Wacker, Die Information über Steuer und Wirtschaft -- Inf -- 1986, 555, 557 f.).
c) Liegen die Voraussetzungen für den Ansatz eines Nutzungswerts der eigengenutzten Wohnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG nur in einem Teil des Veranlagungszeitraumes vor, ist dieser -- wie bisher (vgl. § 21 a Abs. 1 Satz 5 EStG) -- nur zeitanteilig zu berücksichtigen (z. B. Stephan, Die Besteuerung des selbstgenutzten Wohnungs eigentums, 4. Aufl., S. 344 f.; Obermeier, Das selbstgenutzte Wohnungseigentum, 3. Aufl., S. 380 f.; Kieschke, a. a. O., 537; B. Meyer, a. a. O., 526 f.). Der Wortlaut des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG steht nicht entgegen (a. A. z. B. Stephan in Littmann/Blitz/Hellwig, a. a. O., § 21 EStG Rdnr. 576). Aus ihm ergibt sich nur, daß die Übergangsregelung auch dann anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen für den Ansatz des Nutzungswerts nicht während eines gesamten Veranlagungszeitraums nach 1986 erfüllt sind, nicht aber, daß der Nutzungswert in einem solchen Fall für den ganzen Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist (vgl. auch Abschn. II, 1. b. des Schreibens des Bundesministers der Finanzen vom 19. September 1986, BStBl I 1986, 480 und Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt vom 28. Juni 1993 S 2225 a A-7- St II 20, DStR 1993, 1627).
d) Im Streitfall ist für die eigengenutzte Wohnung der Kläger in der Zeit nach dem Ende des Mietverhältnisses über die zweite Wohnung (30. Juni 1987) kein (negativer) Nutzungswert i. S. von § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusetzen, weil ihr Nutzungswert nach altem Recht nunmehr pauschal gemäß § 21 a EStG zu ermitteln gewesen wäre (vgl. § 21 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 EStG, § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG). Die Kläger haben in dem nach dem 29. Juli 1981 erworbenen Zweifamilienhaus die zweite Wohnung nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung der vorherigen Vermietung zur dauernden Nutzung vermietet. Damit entfiel -- unabhängig von den Gründen des Nichtvermietens (nicht rechtzeitigen Vermietens) der zweiten Wohnung -- vom Beginn dieses Zeitraums an für die eigengenutzte Wohnung die durch § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG eröffnete Nutzungswertermittlung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG durch Überschußrechnung (z. B. Stephan, a. a. O., § 21 a EStG Rdnr. 60; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 21 a EStG Rz. 32).
2. Da das FG danach zu Unrecht für das zweite Halbjahr 1987 einen negativen Nutzungswert für die selbstgenutzte Wohnung angesetzt hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Wie das FG zutreffend entschieden hat, sind die der zweiten Wohnung zuzuordnenden Aufwendungen für das gesamte Streitjahr als Werbungskosten (§ 9 EStG) abziehbar. Nutzt der Eigentümer eines Zweifamilienhauses eine Wohnung selbst und vermietet er die zweite, so sind die Einkünfte für die vermietete Wohnung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu ermitteln (Senatsurteil vom 8. November 1993 IX R 42/92, BFHE 174, 313). Aufwendungen für eine leerstehende Wohnung können als vorabentstandene Werbungskosten abgezogen werden, wenn -- wie im Streitfall -- der Entschluß zur Einkunftserzielung endgültig gefaßt und später nicht wieder weggefallen ist (Senatsurteil vom 27. Januar 1993 IX R 64/88, BFH/NV 1993, 528, m. w. N.).
Das FG wird festzustellen haben, welche Aufwendungen als Werbungskosten für die zweite Wohnung abzuziehen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 420575 |
BFH/NV 1995, 1051 |