Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung als Gewerbeertrag
Leitsatz (NV)
Auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrages ist die Eigennutzung einer Wohnung in einem Gebäude, das in vollem Umfang Betriebsvermögen ist, mit dem fiktiven Nutzungswert zu erfassen; d. h., daß einerseits als Betriebseinnahme ein Betrag zu erfassen ist, der im Falle einer Fremdvermietung als Mieteinnahme erzielt worden wäre, und andererseits die auf die eigengenutzte Wohnung entfallenden Grundstücksaufwendungen Betriebsausgaben sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5; GewStG § 7; EStR 1969 Abschn. 14 Abs. 5
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1967 gegründete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts; Gesellschafter sind K und dessen Sohn.
Die Klägerin betreibt eine Bäckerei und einen Lebensmitteleinzelhandel auf einem bebauten Grundstück, das im Alleineigentum des Gesellschafters K steht. Das Grundstück enthält eine Wohnung von 78 qm, die der Gesellschafter K bewohnt. In den Jahresabschlüssen der Klägerin sind Grund und Boden und Gebäude des zu 70 v. H. betrieblich und zu 30 v. H. privat genutzten Grundstücks in vollem Umfang als Betriebsvermögen ausgewiesen.
Den Nutzungswert der vom Gesellschafter K genutzten Wohnung setzte die Klägerin bei der Ermittlung ihres Gewinns und Gewerbeertrags jeweils als ,,sonstige Erträge" an, und zwar unverändert seit 1971 mit 3 DM pro qm (2 808 DM).
Bei der Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre 1977 und 1978 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Nutzungswert der Wohnung für 1977 mit 4 DM pro qm (3 744 DM) und für 1978 mit 4,50 DM pro qm (4 212 DM) an und erhöhte demgemäß die erklärten Gewinne um 936 DM für 1977 und 1 404 DM für 1978.
Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch mit der Begründung, die ,,rückwirkende" Erhöhung des Nutzungswerts widerspreche den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHRG) vom 18. Dezember 1974 (BGBl I, 3604). Das FA wies den Einspruch zurück. Auch die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision, die das Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuließ, beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidungen und die Gewerbesteuermeßbetragsbescheide 1977 und 1978 aufzuheben und die Gewerbeerträge für 1977 um 936 DM und für 1978 um 1 404 DM zu ermäßigen. Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Mit der Vorentscheidung ist davon auszugehen, daß bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und damit im Hinblick auf die Vorschriften des § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) bei der Ermittlung des Gewerbeertrags die Eigennutzung einer Wohnung in einem Gebäude, das in vollem Umfang Betriebsvermögen ist - hinsichtlich des für eigene Wohnzwecke genutzten Gebäudeteils gewillkürtes Betriebsvermögen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Oktober 1980 IV R 42/79, BFHE 131, 497, 503, BStBl II 1981, 63) -, mit dem Nutzungswert zu erfassen ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1960 I 117/60 S, BFHE 72, 500, 504, BStBl III 1961, 183). Dies gilt in gleicher Weise für Gebäude im Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens, im Gesellschaftsvermögen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft und im Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers einer gewerblich tätigen Personengesellschaft.
Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
2. Die Erfassung des ,,Nutzungswerts der Wohnung" bedeutet, daß bei der Gewinnermittlung einerseits als fiktive Betriebseinnahme ein Betrag anzusetzen ist, der als Mieteinnahme erzielt worden wäre, wenn die Wohnung vermietet worden wäre (,,gedachte Mieteinnahme"; vgl. z. B. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 17/82, BFHE 140, 234, 237, BStBl II 1984, 368), und andererseits die Grundstücksaufwendungen insgesamt, also auch insoweit, als sie anteilig auf die eigengenutzte Wohnung entfallen, als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Die ,,gedachte Mieteinnahme" (Rohmiete) ist zu schätzen. Maßstab ist grundsätzlich die Marktmiete, d. h. die ortsübliche mittlere Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung.
3. Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß die Vorschriften des MHRG zivilrechtlich selbstverständlich nicht auf die Nutzung einer Wohnung im eigenen Haus anzuwenden sind, weil sie ebenso wie die §§ 535 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ein durch Vertrag zwischen zwei Personen begründetes Mietverhältnis voraussetzen, ein solches aber bei Nutzung einer Wohnung im eigenen Haus naturgemäß nicht besteht.
4. Soweit die Revision dahin zu verstehen sein sollte, daß das FA, soweit es im Rahmen einer Steuerfestsetzung bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen einen höheren als den vom Steuerpflichtigen ausgewiesenen Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung ansetzen will, als ,,Vermieter" anzusehen und als solcher an die Vorschriften des MHRG gebunden sei, also z. B. ein ,,Erhöhungsverlangen" gegenüber dem Steuerpflichtigen schriftlich und mit Wirkung erst vom Beginn des folgenden dritten Kalendermonats an geltend machen müsse (§ 2 Abs. 2 bis 4 MHRG), erscheint dies offensichtlich abwegig. Zwischen dem FA und dem Steuerpflichtigen besteht hinsichtlich der Wohnung, die dieser im eigenen Haus nutzt, kein Mietverhältnis. Das FA hat vom Steuerpflichtigen keine ,,nachträgliche Erhöhung des Nutzungswerts" (oder die Zustimmung zu einer solchen Erhöhung) zu verlangen. Vielmehr ist es Aufgabe des FA, im Rahmen der Steuerfestsetzung die vom Steuerpflichtigen erklärten Besteuerungsgrundlagen und damit auch eine Schätzung des Steuerpflichtigen zur Höhe der ,,gedachten Mieteinnahmen" zu prüfen und ggf. unter dem Blickwinkel des vom Gesetz vorgegebenen Bewertungsmaßstabs dahin richtigzustellen, daß der Steuerpflichtige, wenn er die Wohnung vermietet hätte, nach den Marktverhältnissen tatsächlich höhere als die angegebenen fiktiven Mieteinnahmen erzielt hätte und deshalb die richtige ,,gedachte Mieteinnahme" höher ist als erklärt.
Der Senat will nicht ausschließen, daß im Rahmen dieser Prüfung evtl. auch die Vorschriften des MHRG insofern zu berücksichtigen sind, als das FA keinen höheren Betrag als gedachte Mieteinnahme ansetzen darf, als der Steuerpflichtige bei einer Vermietung der Wohnung tatsächlich für den fraglichen Zeitraum bei Beachtung der Vorschriften des MHRG hätte erzielen können, also z. B. keinen gedachten Mietzins, der innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren um mehr als 30 v. H. angestiegen ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MHRG i.d.F. des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20. Dezember 1982, BGBl I, 1912). Der Senat braucht dies aber im Streitfall nicht abschließend zu prüfen und zu entscheiden. Er kann unterstellen, daß im Rahmen der Schätzung der gedachten Mieteinnahmen die Vorschriften des MHRG in der genannten Weise zu berücksichtigen sind. Denn eine solche Berücksichtigung muß konsequenterweise die Annahme mitumfassen, daß sich der Steuerpflichtige, hätte er die Wohnung vermietet, wirtschaftlich sinnvoll verhalten und demgemäß alle Möglichkeiten zu einer Mieterhöhung wahrgenommen hätte, die das MHRG zuläßt, d. h. ein Erhöhungsverlangen unter Beachtung der einschlägigen Formvorschriften nach Maßgabe eines sukzessiven Ansteigens der ,,üblichen Entgelte" rechtzeitig gestellt und auch durchgesetzt hätte.
Danach ist im Streitfall davon auszugehen, daß die für die Streitjahre vom FA angesetzten Beträge nicht höher sind als die Mieteinnahmen, die der Gesellschafter K im Rahmen einer Fremdvermietung auch bei Beachtung der Vorschriften des MHRG, z. B. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, hätte erzielen können; dieser wäre hieran insbesondere auch nicht durch die sog. Kappungsgrenze des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 MHRG gehindert gewesen, weil diese erst am 1. Januar 1983 in Kraft getreten ist (Art. 6 des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20. Dezember 1982, BGBl I, 1912).
Fundstellen
Haufe-Index 413869 |
BFH/NV 1985, 37 |