Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitunternehmerschaft bei Streit um Miterbenstellung
Leitsatz (NV)
Ist streitig, ob jemand als Gesellschafter (Mitunternehmer) einen Veräußerungsgewinn erzielt hat und kommt es nach einem Rechtsstreit zu einem Vergleich, in dem die Beteiligten von der Miterbenstellung des Veräußerers ausgehen, so ist dies auch bei der Gewinnfeststellung zu beachten (Anschluß an BFH-Urteil vom 18. Januar 1990 IV R 97/88 - BFH / NV 1991, 21).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der 1950 geborene Kläger und Revisionskläger ist der jüngere von zwei Söhnen des 1966 verstorbenen A, der bis zu seinem Tod Alleineigentümer eines . . .geschäfts war. Dieser hatte in einem privatschriftlichen Testament vom . . . 1961 seine Ehefrau - die Beigeladene zu 2. - zur Hälfte und seine beiden Söhne - den Kläger und den Beigeladenen zu 1. - zu je 1/4 als seine Erben eingesetzt. Darüber hinaus ist im Testament bestimmt, daß die beiden Söhne ab ihrem 25. Lebensjahr ,,ein Anrecht auf je 25 % Geschäftsbeteiligung" erhalten sollten; die Mutter sollte bis zu diesem Zeitpunkt ,,die alleinige Geschäftsnutzung" haben und danach entsprechend ihrem Erbteil mit 50 v. H. am Geschäft beteiligt sein. Das Testament enthält dazu ergänzend folgende Anordnung: ,,Geschäftsübergabe ab 30. Dem ausscheidenden Teilhaber ist sein Anteil Mutter zu 50 %, Söhne zu je 25 % auszuzahlen. Oder auf Wunsch mit 4 % zu verzinsen."
Nach dem Tode des Erblassers wurde das Geschäft unter der bisherigen Firma - zunächst von der Mutter, später von dieser und dem älteren Sohn - fortgeführt. Mit Vollendung seines 25. Lebensjahrs beanspruchte auch der Kläger die ihm zustehende Geschäftsbeteiligung. Der zwischen ihm und seiner Mutter um die Auslegung des Testaments geführte Rechtsstreit endete mit einer Anerkennung des Klägers als Miterbe. Am 12. 7. 1976 meldeten die Erben den Eintritt des Klägers in die Firma der (zuständigen) Stadt X, mit notarieller Urkunde vom . . . 1976 erklärten sie gegenüber dem Handelsregister, daß die Firma durch die Erben in ungeteilter Miterbengemeinschaft fortgeführt werde; dies wurde am . . . 1976 im Handelsregister eingetragen. Der Kläger hatte zunächst, zumindest zeitweise, im Betrieb mitgearbeitet. In der folgenden Zeit kam es jedoch zwischen dem Kläger einerseits und den beiden übrigen Miterben andererseits immer wieder zu Streitigkeiten. Der Kläger führte zahlreiche Zivilprozesse, um seine Stellung und Rechte in der Firma zu behaupten, so u. a. eine Klage auf Bucheinsicht und Auskunft über verschiedene Geschäftsvorfälle. Am 27. Dezember 1978 ließ die Beigeladene zu 2. ,,ein eventuell bestehendes Gesellschaftsverhältnis betreffend die Firma sowie die Erbengemeinschaft nach dem Tode des Vaters" zum 31. Dezember 1979 kündigen. Im Gegenzug dazu erhob der Kläger seinerseits Klage mit dem Antrag, Mutter und Bruder aus der Firma auszuschließen. Am 10. August 1981 beantragte der Bruder des Klägers die Teilungsversteigerung zum Zwecke der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich, nach dem der Kläger für die Übertragung seines ,,Anteils an der Erbengemeinschaft nach A aus seiner Beteiligung am Handelsgeschäft Firma A in Erbengemeinschaft, und am Anwesen Y-Straße zum Zwecke der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft mit Wirkung vom 1. Januar 1983" von seinem Bruder einen Betrag von . . . DM erhielt. Von dem Abfindungsbetrag entfallen, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, . . . DM auf den Anteil des Klägers am Geschäft, . . . DM auf Werte des Privatvermögens.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erfaßte in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenen Feststellungsbescheid für das Streitjahr einen Veräußerungsgewinn des Klägers i. S. der §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von zunächst . . . DM. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung wurde der Veräußerungsgewinn im Einspruchsverfahren auf . . . DM festgestellt und im Rahmen der Gewinnverteilung dem Kläger zugerechnet. Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er sei nie Mitunternehmer gewesen und damit sei auch ein Veräußerungsgewinn wegen des privaten Charakters der Erbauseinandersetzung nicht entstanden, blieb erfolglos.
Auch die Klage hatte im wesentlichen keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Entstehung eines dem Kläger zuzurechnenden Veräußerungsgewinns, setzte diesen jedoch um . . . DM niedriger fest, weil ein Teilbetrag von . . . DM auf die Abfindung privater Vermögenswerte entfalle, was zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig ist.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Das FG-Urteil habe zu Unrecht eine Mitunternehmerschaft angenommen, weil es von einem fehlerhaften Begriff der Mitunternehmerschaft bei Fortführung eines Handelsgeschäfts durch eine ungeteilte Erbengemeinschaft ausgegangen sei. Das FG habe das Erfordernis eines übereinstimmenden Willens zum gemeinschaftlichen Betrieb des Unternehmens als Voraussetzung einer Mitunternehmerschaft nicht berücksichtigt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn, den der Gesellschafter (Mitunternehmer) einer Personengesellschaft oder einer wirtschaftlich einer Personengesellschaft vergleichbaren Gemeinschaft (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 439, BStBl II 1984, 751, 768, und vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, 842) bei der Veräußerung seines Anteils erzielt. Zu den wirtschaftlich einer Personengesellschaft vergleichbaren Gemeinschaften gehört insbesondere die ungeteilte Erbengemeinschaft, die einen zum Nachlaß gehörenden Betrieb fortführt (Beschlüsse in BFHE 141, 405, 439, BStBl II 1984, 751, 768, und BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, 842; Senatsurteil vom 9. Juli 1987 IV R 95/85, BFHE 150, 539, BStBl II 1988, 245). Demzufolge bedeutet die nach § 2033 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mögliche entgeltliche Veräußerung des Anteils an einer gewerblich tätigen Erbengemeinschaft die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG, und zwar auch dann, wenn der Erwerber ein Miterbe ist; Anschaffungskosten des Erwerbers und Veräußerungsgewinn des Veräußerers errechnen sich wie bei der Übertragung eines Gesellschaftsanteils (Beschluß in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, 843, m. w. N.).
2. a) Im Streitfall war der Kläger Miterbe mit einem Erbanteil von 1/4 neben den beiden Beigeladenen. Zum Nachlaß gehörte auch der vom Erblasser als Einzelunternehmer geführte Gewerbebetrieb, der, wie die anderen Nachlaßgegenstände, gemeinschaftliches Vermögen der Erben war (§ 2032 Abs. 1 BGB). Der Erblasser hatte allerdings testamentarisch verfügt, seine Söhne, der Kläger und der Beigeladene zu 1., sollten erst ab ihrem 25. Lebensjahr ,,ein Anrecht auf je 25 % Geschäftsbeteiligung" haben. Hieraus und aus der weiteren Verfügung ,,Geschäftsübergabe ab 30" hat die Beigeladene zu 2. gefolgert, sie habe einen Vermächtnisanspruch auf Übertragung (und Belassung) des Betriebs bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres ihrer Söhne gehabt. Das LG hat in seinem Urteil vom 3. März 1977 entschieden, die Beigeladene zu 2. habe Anspruch auf ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) gehabt, aufgrund dessen sie bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ihrer Söhne Alleininhaberin des Betriebs sein sollte; diesem Vorausvermächtnis stehe ein Recht der Söhne auf Teilhaberschaft von je 25 v. H. am Geschäft ab Vollendung des 25. Lebensjahres gegenüber. Das Vorausvermächtnis sei jedoch nicht vollzogen worden, vielmehr sei die Erbengemeinschaft fortgeführt und das Geschäft nicht in das Alleineigentum der Mutter übertragen worden. Diese rechtliche Beurteilung hat auch im weiteren Verlauf des Rechtsstreits keine Änderung erfahren. Ihr haben auch die Beteiligten dadurch Rechnung getragen, daß sie in dem weiteren Zivilrechtsstreit, der vom Beigeladenen zu 1. mit dem Ziel einer Teilungsversteigerung zwecks Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft angestrengt worden war, von einer fortbestehenden und auch den Gewerbebetrieb umfassenden Erbengemeinschaft ausgingen und zum Zwecke der (Teil-)Auseinandersetzung die Übertragung des Anteils des Klägers auf den Beigeladenen zu 1. mit Wirkung ab 1. Januar 1983 gegen Zahlung von . . . DM vereinbarten. Diese rechtliche Beurteilung durch die angerufenen Zivilgerichte und die Folgerungen, die der Kläger und die Beigeladenen hieraus im gerichtlichen Vergleich vom 25. November 1982 gezogen haben, sind auch der steuerrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1979 I R 29/76, BFHE 129, 465, BStBl II 1980, 266, und vom 18. Januar 1990 IV R 97/88, BFH / NV 1991, 21). Demzufolge ist davon auszugehen, daß der Kläger seinen Anteil an dem bis dahin ungeteilten Nachlaß, der auch noch den gewerblichen Betrieb umfaßte, veräußert und damit den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG verwirklicht hat. Dadurch ist ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstanden, soweit der Gewinn auf den Anteil am Betrieb entfällt, nicht hingegen, soweit zum Nachlaß Gegenstände des Privatvermögens gehörten (Senatsurteil vom 23. Oktober 1986 IV R 214/84, BFHE 148, 65, BStBl II 1987, 120). Letzterem hat das FG-Urteil Rechnung getragen, da es den vom FA festgestellten Veräußerungsgewinn um einen Privatvermögensanteil von . . . DM gemindert hat.
b) Der Streitfall weist allerdings die Besonderheit auf, daß der Kläger sich erst nach Vollendung seines 25. Lebensjahres im Jahre 1975 um die Durchsetzung seiner Rechte hinsichtlich des Nachlaßbetriebs bemüht hat. Dies war durch die testamentarische Anordnung bedingt, wonach ihm ein Anteil am Geschäft (erst) mit Vollendung des 25. Lebensjahres zustehen sollte. In Fällen dieser Art ist der betreffende Miterbe jedenfalls von dem Zeitpunkt an Mitunternehmer des Betriebs, zu dem die bisherige Beschränkung seiner Rechtsstellung entfällt, er seine Rechte auch hinsichtlich des Nachlaßbetriebs wahrnimmt und ihm ein seiner Erbquote entsprechender Anteil am laufenden Gewinn des Betriebs tatsächlich zugerechnet wird. Demnach war der Kläger spätestens seit der Vollendung seines 25. Lebensjahres, also seit dem . . . 1975, Mitunternehmer des Betriebs. Denn er hat von diesem Zeitpunkt an seine Rechte hinsichtlich des Nachlaßbetriebs durchgesetzt oder zumindest durchzusetzen versucht, hat im Unternehmen zeitweise mitgearbeitet und tatsächlich auch am laufenden Gewinn teilgehabt. Es wurden auch entsprechende Gewinnfeststellungserklärungen abgegeben und Gewinnfeststellungen durchgeführt.
3. Der Einwand der Revision, im Streitfall habe es an einem übereinstimmenden Willen zur gemeinschaftlichen Fortführung des Unternehmens gefehlt, kann nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Die Miterben werden in gesamthänderischer Verbundenheit mit dem Erbfall kraft Gesetzes Mitinhaber des gemeinschaftlichen Betriebs. Des Abschlusses eines Gesellschaftsvertrags und damit eines übereinstimmenden und erklärten Willens, den Nachlaßbetrieb als gemeinschaftlichen Betrieb fortzuführen, bedarf es deshalb nicht (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 8. Oktober 1984 II ZR 223/83, BGHZ 92, 259). Davon ist auch der Große Senat im Beschluß in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, 842 ausgegangen. Miterben werden danach regelmäßig dadurch Mitunternehmer eines zum Nachlaß gehörenden Betriebs, daß sie als Miterben gemeinschaftlich Betriebsinhaber werden. Ihre damit verbundenen Vermögens- und Verwaltungsrechte bewirken aus steuerlicher Sicht, daß sie Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative ausüben können. Im Streitfall waren diese Voraussetzungen beim Kläger erfüllt. Seine Vermögens- und Verwaltungsrechte hinsichtlich des Nachlaßbetriebs hat er, wie dargelegt, ab Vollendung seines 25. Lebensjahres ausgeübt und ist deshalb spätestens seit diesem Zeitpunkt Mitunternehmer gewesen.
4. Auch der Hilfsantrag, den Veräußerungsgewinn auf . . . DM festzustellen, ist nicht begründet. Der Kläger hat vor dem FG den Hilfsantrag damit begründet, er habe auf seinen testamentarischen Anspruch gegen die Beigeladene zu 2. verzichtet, von dieser bei Vollendung seines 30. Lebensjahres einen weiteren Anteil am Betrieb zu erwerben. Der Wert dieses Verzichts müsse seinem Kapitalkonto für die Berechnung des Veräußerungsgewinns zugerechnet werden, so daß letzterer sich entsprechend mindere. Dem hat das FG entgegengehalten, der Kläger habe nicht auf einen einseitigen Anspruch verzichtet, sondern lediglich auf die Möglichkeit eines Anteilskaufs. Der Verzicht auf einen späteren Anteilskauf habe auf die Höhe des Veräußerungsgewinns keinen Einfluß. Diese Wertung läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Der spätere Anteilskauf hätte beim Kläger zu Aufwand in Höhe des Werts des zu erwerbenden Anteils geführt. Der Verzicht führt deshalb dazu, daß es beim Kläger weder zu einem Vermögenszugang in Höhe der Anteilsrechte noch zu einem Vermögensabgang in Höhe des dafür zu zahlenden Kaufpreises kommt. Der Kläger ist in der Revision auf seinen Hilfsantrag auch nicht mehr eingegangen.
5. Nach dem gerichtlichen Vergleich hat der Kläger dem Beigeladenen zu 1. seinen Anteil ,,mit Wirkung ab 1. 1. 1983" übertragen. FA und FG haben die Anteilsveräußerung als Geschäftsvorfall noch des Streitjahres 1982 angesehen und dem Feststellungszeitraum 1982 zugeordnet. Im Ergebnis ist dies nicht zu beanstanden. Wird die Übertragung des Anteils an einer Personengesellschaft nach den Vereinbarungen der Beteiligten im Jahreswechsel, d. h. im Schnittpunkt der Kalenderjahre, wirksam, so ist unter Würdigung aller Umstände zu entscheiden, welchem Feststellungszeitraum der Veräußerungsgewinn zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 2. Mai 1974 IV R 47/73, BFHE 113, 195, BStBl II 1974, 707). Die Beteiligten im Streitfall sind nach Aktenlage übereinstimmend davon ausgegangen, die Anteilsveräußerung sei dem Feststellungszeitraum 1982 zuzuordnen. Für den Kläger ergibt sich dies auch daraus, daß er einen Hilfsantrag auf Feststellung eines niedrigeren als des bisher festgestellten Veräußerungsgewinns 1982 festgestellt hat. Die übereinstimmende zeitliche Zuordnung durch die Beteiligten bringt mangels entgegenstehender besonderer Umstände den rechtsgeschäftlichen Willen zum Ausdruck, die Anteilsübertragung bereits zum Ende des 31. Dezember 1982 wirksam werden zu lassen. Die Aussage, der Anteil werde mit Wirkung ab 1. Januar 1983 übertragen, bringt deshalb im Streitfall nur zum Ausdruck, daß infolge Übergangs des Anteils noch am 31. Dezember 1982 der Beigeladene zu 1. bereits mit dem Beginn des 1. Januar 1983 Inhaber des Anteils des Klägers sein solle.
Fundstellen
Haufe-Index 417692 |
BFH/NV 1992, 92 |