Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine betragsmäßige Begrenzung tarifermäßigter Einkünfte
Leitsatz (NV)
Die Anwendung des § 34 b Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 34 Abs. 1 EStG i. d. F. des StReformG 1990 kann nicht auf Teile der außerordentlichen Einkünfte begrenzt werden. Auch der Grundfreibetrag ist daher bei Ermittlung des ermäßigten Steuersatzes zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 1, § 34b Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die für das Streitjahr 1990 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger unterhält einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, für den er den Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt.
Für das Streitjahr 1990 erklärte der Kläger Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die auch Einkünfte aus außerordentlicher Holznutzung i. S. des § 34 b Abs. 1 Nr. 2 EStG in Höhe von 19 535 DM enthielten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) errechnete ein zu versteuerndes Einkommen von 16 910 DM, das in vollem Umfang auf die steuerbegünstigten Einkünfte entfalle. Deren Steuerbelastung errechnete er entsprechend § 34 Abs. 1, § 34 b Abs. 3 Nr. 3 EStG mit 0,79 v. H., entsprechend 133 DM. Demgegenüber beanspruchten die Kläger, daß die Einkünfte um den Grundfreibetrag von 11 339 DM gemindert würden und nur der Restbetrag von 5 571 DM mit 0,79 v. H. besteuert werde.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, daß die begünstigenden Steuersätze nach dem Gesetzeswortlaut auf die gesamten begünstigten Einkünfte anzuwenden seien. Dies sei auch nicht verfassungswidrig, weil dem Gesetzgeber überlassen bleibe, wie er ein steuerfreies Existenzminimum gewährleiste.
Die Kläger rügen mit ihrer vom FG zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die angefochtene Entscheidung verstoße auch gegen den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91 (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413), weil ihr zu versteuerndes Einkommen nicht in Höhe des Grundfreibetrags gemäß § 32 a Abs. 1 EStG gänzlich von der Einkommensteuer freigestellt werde.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1990 von 133 DM auf 44 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Das FG hat eine Begrenzung der zu versteuernden außerordentlichen Einkünfte aus Forstwirtschaft zu Recht abgelehnt. Nach § 34 b Abs. 3 Nr. 1 EStG 1990 bemißt sich die Einkommensteuer bei Einkünften aus außerordentlichen Holznutzungen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 nach den Steuersätzen des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG, die auf außerordentliche Einkünfte bis 30 Mio DM Anwendung finden und die sich für die im Streitfall gezogenen Kalamitätsnutzungen nochmals bis zu 1/4 des ermäßigten Steuersatzes vermindert (§ 34 b Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c EStG). Ohne Einschränkung verweist die Vorschrift des § 34 b Abs. 3 Nr. 1 damit auf § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990, wonach die auf außerordentliche Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen ist, dessen Berechnung sich aus Satz 2 ergibt. Auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen ist vorbehaltlich des Absatzes 3 die Einkommensteuertabelle anzuwenden (§ 34 Abs. 1 Satz 3 EStG).
Im Unterschied zu der vor Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 1990 (StRG 1990) geltenden Regelung ist die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht mehr antragsgebunden. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung ("ist ... zu bemessen") ist die einheitliche Anwendung des nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 berechneten ermäßigten Steuersatzes auf die gesamten außerordentlichen Einkünfte zwingend. Der erkennende Senat folgt insoweit dem Urteil des XI. Senats vom 18. Mai 1994 XI R 42/93 (BFHE 174, 370, BStBl II 1994, 706, m. w. N.). Danach hat der Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit, dessen Anwendung auf Teile der außerordentlichen Einkünfte zu begrenzen und diese begünstigten Einkünfte im übrigen dem Normaltarif zu unterwerfen; dieser ist nach der durch die Verweisung auf § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG durch § 34 b Abs. 3 EStG ebenfalls in Bezug genommenen Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG nur auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen anzuwenden. Wegen des geringen Betrags des zu versteuernden Einkommens verbleibt im Streitfall jedoch kein Einkommen, das einer Besteuerung nach der Nullzone des Normaltarifs zu unterwerfen wäre.
2. a) Zu Recht hat die Revision vorgetragen, die Frage, ob die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf einen Teil der begünstigten Einkünfte begrenzt werden könne, lasse sich für § 34 Abs. 1 EStG und § 34 b Abs. 1 EStG nicht unterschiedlich beantworten. Dies folgt indessen nicht aus einer Ähnlichkeit des Wortlauts beider Vorschriften, sondern -- wie ausgeführt (s. 1. a) -- zwingend aus der Verweisung in § 34 b Abs. 3 EStG auf § 34 EStG). Nach beiden Vorschriften ist eine Begrenzung des Betrags der begünstigten Einkünfte nicht mehr möglich. Ob dies vor dem Wegfall des Antragserfordernisses zum 1. Januar 1990 (§ 52 Abs. 1 EStG i. d. F. des StRG 1990) rechtens war, wie allgemein angenommen wird (vgl. nur Abschn. 197 Abs. 2 und 210 der Einkommensteuer-Richtlinien -- EStR -- 1987), ist fraglich und ergibt sich jedenfalls nicht aus dem Urteil des Senats vom 27. März 1958 IV 193/55 U (BFHE 66, 589, BStBl III 1958, 227). Danach war dem Steuerpflichtigen nur das Wahlrecht eingeräumt, den Antrag auf Steuervergünstigung auf eine Art der außerordentlichen Einkünfte, nicht aber betragsmäßig zu beschränken. Für das Streitjahr bestand das Wahlrecht von Gesetzes wegen jedenfalls nicht mehr. Zu Recht hat die Finanzverwaltung deshalb das weitergehende Wahlrecht in den für das Streitjahr maßgebenden EStR 1990 auch nicht mehr vorgesehen.
b) Aber auch soweit die Kläger entgegen dem Gesetzeswortlaut ihr Begehren auf die Grundfreibetragsentscheidung des BVerfG (in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) stützen und geltend machen, der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) habe in seinem Urteil (in BFHE 174, 370, BStBl II 1994, 706) nicht dazu Stellung genommen, ob eine Einkommensteuer mit einem ermäßigten Steuersatz auch für das im Rahmen des Grundfreibetrags liegende zu versteuernde Einkommen festgesetzt werden dürfe, vermag ihnen der Senat nicht zu folgen. Die Kläger nehmen an, die Vorentscheidung verstoße gegen den Beschluß des BVerfG (in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413), weil ihr zu versteuerndes Einkommen nicht in Höhe des Grundfreibetrags gemäß § 32 a Abs. 1 EStG gänzlich von der Einkommensteuer freigestellt werde. Wie das FA zutreffend ausgeführt hat, begehren die Kläger im Ergebnis die zweimalige Berücksichtigung des Grundfreibetrags: einmal bei Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG und zum anderen bei Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf den Betrag der begünstigten Einkünfte.
Entgegen der Auffassung der Kläger hat bereits der BFH in BFHE 174, 370, BStBl II 1994, 706 eine solche mehrfache Begünstigung als mit dem Zweck des § 34 EStG 1990 unvereinbar abgelehnt. Der XI. Senat des BFH (in BFHE 174, 370, BStBl II 1994, 706) hat dazu ausgeführt, der Steuerpflichtige komme in voller Höhe in den Genuß des ermäßigten Steuersatzes; ihm sei nur verwehrt, eine weitere Begünstigung dadurch zu erlangen, daß er durch Aufteilung der außerordentlichen Einkünfte zusätzlich die insoweit niedrigeren Steuersätze des allgemeinen Tarifs in Anspruch nehme und die Vorteile aus dem ermäßigten Steuersatz und aus den niedrigeren Steuersätzen des allgemeinen Tarifs kumuliere. Diese Erwägungen gelten in besonderem Maße für die Besonderheiten des Streitfalls, die dadurch gekennzeichnet sind, daß eine Aufteilung der außerordentlichen Einkünfte zur Anwendung der Nullzone des Einkommensteuertarifs nach § 32 a Abs. 1 Nr. 1 EStG führen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 421369 |
BFH/NV 1996, 738 |