Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen einer nicht insgesamt betrieblich veranlaßten Auslandsreise sind Teilkosten der Reisekosten nicht deshalb als betrieblich veranlaßt anzusehen, weil ein Geschäftspartner dem Steuerpflichtigen in dieser Höhe einen als Betriebseinnahme zu erfassenden Zuschuß zu den Reisekosten gewährt hat.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine OHG, betreibt Großhandel mit Tabakwaren. Im Streitjahr 1977 nahmen die Gesellschafter der Klägerin, die Eheleute A, an einer Reise nach Brasilien teil. Die Reise, an der nach Angaben der Klägerin nur Tabakwarenhändler sowie Journalisten teilgenommen haben, war von einer Zigarrenfabrik (im folgenden B-GmbH) organisiert worden. Die Klägerin ist deren Kundin und unterhält ein Auslieferungslager der B-GmbH.
Das offizielle Reiseprogramm sah vor:
Freitag, 11.November:
Abflug von Frankfurt nach Rio de Janeiro.
Samstag, 12.November, bis Dienstag, 15.November:
Ankunft in Rio de Janeiro. Transfer zum Hotel. Diskussion über Marketing und Vertriebsprobleme im brasilianischen und deutschen Markt sowie entsprechende Fachbesichtigungen (Fabrikation, Auslieferungslager, Tabakplantagen usw.). Außerdem Stadtrundfahrt mit Ausflug zum Zuckerhut, Corcovado-Gebirge, Tijuca-Urwald-Park, Botanischer Garten und Strände. Rundfahrt Rio bei Nacht einschließlich Abendessen und Samba-Show.
Mittwoch, 16.November:
Flug nach Brasilia, Transfer zum Hotel, Mittagessen, Stadtrundfahrt.
Donnerstag, 17.November:
Empfang durch den Präsidenten von Brasilien, den Außenminister, den Minister für Handel und Industrie sowie den Deutschen Botschafter. Diskussion mit brasilianischen Tabakhändlern über die Probleme der Produktion und des Verkaufs. Gegen Abend Abflug nach Manaus.
Freitag, 18.November, bis Samstag, 19.November:
Besichtigungen von Tabakplantagen. Stadtrundfahrt durch Manaus und Kreuzfahrt auf dem Rio Negro und Amazonas.
Sonntag, 20.November:
Abflug nach Salvador/Bahia.
Montag, 21.November, bis Donnerstag, 24.November:
Fachexkursionen zu Zigarrenfabriken in Maragogipe und Cruz des Almos. Besuch eines Tabakpackhauses, Besichtigung einer Sumatra- Plantage, Packhäusern und des Industrieparks "ARATU". Außerdem Stadtrundfahrt durch das historische und moderne Salvador, Marktbesuch in Cachoeira, Mittagessen im Eukalyptus-Wald. Schiffahrt nach Itapacica, Badegelegenheit am Strand von Salvador, Besuch der Moenda-Folklore.
Freitag, 25.November:
Abflug nach Frankfurt.
Samstag, 26.November:
Ankunft in Frankfurt.
Die Reisekosten betrugen je Person 4 270 DM, für die Teilnahme der beiden Gesellschafter der Klägerin somit insgesamt 8 540 DM, die von der Klägerin als Betriebsausgaben abgezogen wurden.
Im Zusammenhang mit der Reise nach Brasilien erhielt die Klägerin von der B-GmbH einen Naturalrabatt im Werte vom 4 800 DM. Die B-GmbH hat hierzu gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) erklärt: Die Teilnahme an der Reise sei lediglich der Grund für die Gewährung des Naturalrabatts gewesen. Seitens der B-GmbH habe großes Interesse an der Teilnahme der Eheleute A bestanden. Durch die Besichtigung von Fabrikationsbetrieben der B-GmbH in Brasilien habe es den Eheleuten A ermöglicht werden sollen, die Produkte der B-GmbH noch näher kennenzulernen. Den anderen Teilnehmern an der Reise sei kein Naturalrabatt gewährt worden. Die aufgrund des Naturalrabatts unentgeltlich bezogene Ware ist von der Klägerin veräußert, der Erlös hieraus als Betriebseinnahme erfaßt worden.
Bei einer Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Kosten der Reise nach Brasilien seien keine Betriebsausgaben, weil diese Reise auch ein allgemein-touristisches Interesse befriedigt habe, das nicht nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Dem schloß sich das FA an und änderte entsprechend den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Feststellungsbescheid für das Streitjahr gemäß § 164 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977). Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ die Reisekosten in Höhe von 4 800 DM zum Abzug als Betriebsausgaben zu.
Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung des § 4 Abs.4 und des § 12 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerügt wird. Das FA ist der Auffassung, bei dem Naturalrabatt handle es sich um eine Betriebseinnahme, die Reisekosten seien nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Daraus, daß der von der B-GmbH gewährte Naturalrabatt aus deren Sicht betrieblich veranlaßt gewesen sei, könne nicht gefolgert werden, daß der Reisekostenzuschuß sich auf einen betrieblich geprägten Abschnitt bezogen habe und somit bei der Klägerin zu Betriebsausgaben führe.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die betriebliche Veranlassung der Reise ergibt sich nach Auffassung der Klägerin daraus, daß die Klägerin sich gegenüber der B-GmbH gegen Zusage einer unentgeltlichen Warenlieferung verpflichtet habe, eine Fachreise nach Brasilien zu unternehmen. Bei Zurechnung der Reisekosten insgesamt zum privaten Bereich müsse auch die Zusage des Naturalrabatts dem Privatbereich zugeordnet werden. Dann liege in Höhe des Naturalrabatts eine Einlage vor, die den Gewinn mindere.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur anderweitigen Festsetzung des Gewinns aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr. Die Kosten der Brasilienreise waren keine Betriebsausgaben (§ 4 Abs.4 EStG) der Klägerin, sondern Privatentnahmen ihrer Gesellschafter, die den Gewinn der Klägerin nicht mindern durften (§ 4 Abs.1 Satz 1, § 12 Nr.1 EStG). Mit dem unentgeltlichen Warenbezug im Wert von 4 800 DM hat die Klägerin Betriebseinnahmen erzielt.
1. Zu Recht hat das FG angenommen, der der Klägerin von der B-GmbH gewährte Naturalrabatt führe zu einer entsprechenden Erhöhung des Gewinns. Bei dem Naturalrabatt handelte es sich um die unentgeltliche Lieferung von Waren im Einkaufswert von 4 800 DM. Die unentgeltliche Lieferung führte bei der Klägerin zu einer entsprechenden Erhöhung ihres Betriebsvermögens. Diese Betriebsvermögensmehrung war auch betrieblich veranlaßt, da sie nach den tatsächlichen Feststellungen des FG durch die geschäftlichen Beziehungen der Klägerin zur B-GmbH veranlaßt war. Daraus folgt, daß es sich bei dem Naturalrabatt nicht um eine bei der Gewinnermittlung abzuziehende Einlage aus dem Privatvermögen der Gesellschafter der Klägerin, sondern um eine mit dem Betrag der bei entgeltlichem Erwerb aufzuwendenden Anschaffungskosten (vgl. § 7 Abs.2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--) zu bewertende Betriebseinnahme der Klägerin handelte. Denn Betriebseinnahmen sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) alle Zugänge zum Betriebsvermögen in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlaßt sind (vgl. Urteile vom 13.Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210, vom 18.März 1982 IV R 183/78, BFHE 136, 76, BStBl II 1982, 587 und vom 9.Mai 1985 IV R 184/82, BFHE 143, 466, BStBl II 1985, 427).
2. Die Kosten der Brasilienreise waren keine Betriebsausgaben (§ 4 Abs.4 EStG) der Klägerin, sondern nicht abziehbare Kosten der Lebenshaltung der Gesellschafter der Klägerin (§ 12 Nr.1 EStG).
a) Nach der Rechtsprechung des BFH sind die Kosten einer sog. Studienreise, auch wenn dabei die allgemeinen oder besonderen beruflichen Kenntnisse erweitert werden sollen, insgesamt keine Betriebsausgaben, wenn mit der Reise auch ein allgemein-touristisches Interesse befriedigt wird, das nicht von untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Beschluß vom 27.November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Die Brasilienreise der Gesellschafter der Klägerin befriedigte in weitem Umfang, wenn nicht gar überwiegend allgemein-touristische Interessen, was in den verschiedenen Stadtrundfahrten und Ausflügen in Rio de Janeiro, Brasilia, Manaos und Salvador, den Strandbesuchen in Rio de Janeiro und Salvador, den Flußschiffahrten auf dem Rio Negro und dem Amazonas und den Besuch von Samba-Shows und Folklore-Veranstaltungen zum Ausdruck kam. Darauf, ob die Klägerin sich gegenüber der B-GmbH zur Durchführung der Reise "verpflichtet" hatte, kommt es nicht an.
b) Ist eine Gesamtreise als nicht betrieblich veranlaßt zu beurteilen, sind gleichwohl einzelne abgrenzbare Aufwendungen, die ausschließlich betrieblich veranlaßt sind, als Betriebsausgaben abziehbar (Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Das FG hat jedoch zu Unrecht angenommen, daß diese Voraussetzungen hinsichtlich des der Klägerin gewährten Naturalrabatts erfüllt seien. Ob im Rahmen einer nicht insgesamt betrieblich veranlaßten Reise einzelne Aufwendungen als ausschließlich betrieblich veranlaßt abgrenzbar sind, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen, also danach, ob einzelne Teile der Reise objektiv einem betrieblichen Zweck dienen und sich dadurch von der nicht betrieblich veranlaßten Gesamtreise unterscheiden. Eine Abgrenzbarkeit in diesem Sinne ergibt sich aber nicht daraus, daß ein Geschäftspartner des Steuerpflichtigen oder der Personengesellschaft aus für ihn betrieblichen Gründen die Reisekosten ganz oder teilweise finanziert, wie es im Streitfall mittelbar durch die Gewährung des Naturalrabatts geschehen ist. Daraus ergibt sich allenfalls, daß ein Teil der Reisekosten (mittelbar) aus Betriebseinnahmen finanziert worden ist. Für die Frage der betrieblichen Veranlassung der Reise insgesamt oder eines Teils der Reise kann daraus nichts hergeleitet werden.
3. Auf die Revision des FA war danach das FG-Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr ist vom FA zu Recht nicht um die vom FG abgezogenen 4 800 DM abzüglich 713 DM Minderung der Gewerbesteuerrückstellung gemindert worden, so daß die Klage abzuweisen war.
Fundstellen
Haufe-Index 62078 |
BStBl II 1988, 633 |
BFHE 153, 135 |
BFHE 1989, 135 |
BB 1988, 1319-1319 (T) |
DB 1988, 1426-1426 (LT) |
DStR 1988, 547 (ST1) |
HFR 1988, 560 (LT) |