Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn ein bebautes Grundstück bei der letzten Einheitswertfeststellung vor dem Währungsstichtag nach § 52 Abs. 2 BewG (Mindestwert) bewertet wurde, umfaßt der Einheitswert den Wert des Grund und Bodens und des aufstehenden Gebäudes. Bei der Ermittlung des Bodenwertanteils nach § 2 Abs. 2 Fortschr. Ges. ist daher auch in einem solchen Falle eine Aufteilung des letzten Einheitswerts nach dem Wertverhältnis von Grund und Boden und Gebäude vorzunehmen.
Das typische Verfahren zur Ermittlung des Bodenwertanteils (Ziff. 6 Buchst. a des Erlasses des Direktors der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 5. September 1949, StuZBl. 1949 S. 357) kann in der Regel auch auf Geschäftsgrundstücke (außer Fabrikgrundstücken), die nach § 52 Abs. 2 BewG bewertet wurden, angewandt werden.
Der Wert des Streitgegenstandes ist bei der Wertfortschreibung von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 mit Rücksicht auf das Interesse des Steuerpflichtigen an der Fortschreibung wegen der Vermögensabgabe nach § 320 Abs. 4 AO im Regelfall gegenüber den bisher zugrunde gelegten Tausendsätzen des strittigen Wertunterschiedes um 20 v. H. des Wertunterschiedes höher festzustellen.
Normenkette
BewG § 52 Abs. 2, § 77; FortschrG § 2 Abs. 2; AO § 320 Abs. 4; FGO § 140/3
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung des Grundstücks R.-platz 14 in H. auf den 21. Juni 1948. Der letztmals auf den 1. Januar 1935 festgestellte Einheitswert des als Geschäftsgrundstück angesprochenen Grundstücks betrug 500.000 RM (Mindestwert nach § 52 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Bei der von der Grundstückseigentümerin beantragen Wertfortschreibung wegen völliger Zerstörung der aufstehenden Bauten durch Kriegseinwirkung auf den 21. Juni 1948 ging das Finanzamt unter Berufung darauf, daß der letzte Einheitswert von 500.000 RM infolge der Mindestbewertung nur den Wert des Grund und Bodens umfaßt habe, von diesem Wert als Bodenanteil im Sinne des § 2 Abs. 2 des Gesetzes betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 (Fortschreibungsgesetz) aus. Es kam dabei im Einspruchsverfahren unter Vornahme von Abschlägen nach § 2 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes von insgesamt 40.000 DM sowie unter Zugrundelegung der Wertzahl 80 zu einem fortgeschriebenen Einheitswert von 360.000 DM.
Auf die Berufung der Grundstückseigentümerin stellte das Finanzgericht den Einheitswert auf den 21. Juni 1948 auf 275.000 DM fest. Das Urteil des Finanzgerichts hielt die Auffassung des Finanzamts, daß von dem vollen Einheitswert 1935 als Ausgangswert auszugehen sei, als mit der Vorschrift des § 2 Abs. 2 des Fortschreibungsgesetzes nicht vereinbar. Nach dieser Bestimmung sei der zuletzt festgestellte Einheitswert unabhängig von dem damals angewandten Wertermittlungsverfahren zur Feststellung des Bodenwertanteils in einen auf den Grund und Boden und einen weiteren auf das Gebäude entfallenden Anteil aufzuteilen, wodurch dem Umstand Rechnung getragen werde, daß ein Grundstück mit aufstehendem und benutzbarem Gebäude regelmäßig mehr wert sei als ein unbebautes. Daher sei auch dann, wenn bei der letzten Einheitswertfeststellung nur der Wert des Grund und Bodens als Mindestwert angesetzt worden sei, aufzuteilen, da auch hier in dem Einheitswert der Gebäudewert mit enthalten sei. Diese Auffassung sei übrigens auch in dem Erlaß des Direktors der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 5. September 1949 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1949 S. 357) Ziff. 6 Buchst. a zweitletzter Absatz als zutreffend anerkannt. Die Aufteilung sei dann einfach, wenn die letzte Einheitswertfeststellung nach dem Sachwertverfahren durch Zusammenrechnung des besonders ermittelten Bodenwerts und des besonders ermittelten Gebäudewerts vorgenommen worden sei. Schwierigkeiten bereite sie, wenn der Einheitswert nach dem Vielfachen der Jahresrohmiete oder in Form der Mindestbewertung festgestellt worden sei, da in diesen Fällen der Anteil des Bodenwerts an dem seinerzeitigen Einheitswert nachträglich ermittelt werden müsse. Diese Ermittlung könne nach Ziff. 6 Buchst. a Abs. 2 des Erlasses entweder individuell oder nach typischen Verhältnissen erfolgen. Gehe man den letzteren Weg, so bestünden keine Bedenken, auch im vorliegenden Fall die in dem Erlaß aufgestellten Tabellen (hier Anlage 2 Tabelle A) zu benutzen, die sich zwar zunächst auf die Ermittlung des Bodenwertanteils von mit dem Vielfachen der Jahresrohmiete bewerteten Grundstücken bezögen, dabei aber auch Fälle im Auge hätten, in denen solche Grundstücke mindestbewertet worden seien. Es liege im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die Tabellen auch auf andere Grundstücke mit kriegszerstörten (beschädigten) Gebäuden jedenfalls dann anzuwenden, wenn im Einzelfall eine Mindestbewertung stattgefunden habe. Hiernach sei aber der Bodenwertanteil im Streitfall ohne Rücksicht auf die Lage des Grundstücks nach Gruppe V der Tabelle A zu ermitteln, er betrage angesichts der völligen Zerstörung der Gebäude 55 v. H. des letzten Einheitswerts, mithin 275.000 DM. Im übrigen verkenne das Gericht bei seiner Entscheidung nicht, daß sie gegenüber solchen Betriebsgrundstücken, die 1935 nach dem Sachwertverfahren bewertet wurden, zu Ungleichmäßigkeiten führen könne, z. B. dann, wenn das Sachwertverfahren ein Grundstück betroffen habe, das bei einem hohen Grundstückswert nur einen geringen Gebäudewert aufgewiesen habe. Da aber der genannte Erlaß bei Grundstücken mit völlig zerstörten Gebäuden, die an sich mit dem Vielfachen der Jahresrohmiete zu bewerten gewesen wären, im Falle ihrer damaligen Bewertung mit dem Mindestwert den Tabellenansatz von 55 v. H. des Einheitswerts als Bodenwertanteil zulasse, würde sich bei einer anderen Entscheidung hinsichtlich der mindestbewerteten Geschäftsgrundstücke mit voll zerstörten Gebäuden eine unbegründete Verschiedenheit der Behandlung ergeben. Für weitere Abschläge aus den besonderen Gründen des § 2 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes sei allerdings dann, wenn der letzte Einheitswert ein Mindestwert gewesen sei und daher wertmäßig nur den Grund und Boden enthalten habe, neben dem Ansatz des Bodenwertanteils mit nur 55 v. H. des letzten Einheitswerts regelmäßig kein Raum mehr, da mit dieser günstigen Bewertung, von ganz außergewöhnlichen Umständen abgesehen, weitere Wertminderungen durch Belastung mit Trümmern u. ä. als abgegolten anzusehen seien.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts rügt unrichtige Anwendung des § 2 Abs. 2 des Fortschreibungsgesetzes. Der zuletzt festgestellte Einheitswert von 500.000 RM stelle den Bodenwert des im Zentrum von H. gelegenen Geschäftsgrundstücks dar. Von ihm sei deshalb auch nach § 2 Abs. 2 a. a. O. als Bodenwertanteil auszugehen mit der Maßgabe, daß nur noch Abschläge aus den besonderen Gründen des § 2 Abs. 3 a. a. O. zulässig seien. Auch kämen für die mit dem gemeinen Wert und nach dem Sachwertverfahren bewerteten Grundstücke nicht die Bestimmungen der Ziff. 6, sondern diejenigen der Ziff. 9 des Erlasses vom 5. September 1949 in Betracht. Dort sei aber ausdrücklich angeordnet, daß die Tabellen - Anlagen I und 2 - und mithin auch der Wertansatz für den Grund und Boden mit 55 v. H. bei der Wertfortschreibung nach dem Fortschreibungsgesetz nicht angewandt werden könnten, weil der Bodenwert bei der Sachwertermittlung besonders angesetzt sei. Die Ziff. 6 und die vom Finanzgericht gänzlich unbeachtet gelassene Bestimmung der Ziff. 9 des Erlasses vom 5. September 1949 behandelten zwei getrennte Bewertungsverfahren, die nicht miteinander verkoppelt werden dürften.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Zur Frage der Auslegung des § 2 Abs. 2 des Fortschreibungsgesetzes ist dem Finanzgericht beizutreten. Die in Abschn. I des Fortschreibungsgesetzes enthaltene Regelung der Wertfortschreibung der Einheitswerte des kriegszerstörten und kriegsbeschädigten Grundbesitzes weicht grundsätzlich von den sonst für Wertfortschreibungen geltenden Grundsätzen ab, indem sie die Fortschreibungswerte aus den zuletzt festgestellten Einheitswerten in der Weise ableitet, daß ein dem Ausmaß der Zerstörung und Beschädigung entsprechender verhältnismäßiger Anteil des früheren Einheitswerts als fortgeschriebener Wert anzusetzen ist. Dabei spielt weder eine Rolle, in welcher Weise der letzte Einheitswert festgestellt wurde, noch, ob er richtig ermittelt wurde. Das bedeutet, daß zur Ermittlung des Bodenwerts, auch wenn der letzte Einheitswert nach § 52 Abs. 2 BewG (Mindestwert) festgestellt wurde, grundsätzlich der dem damaligen Wertverhältnis entsprechende Teil des beide Elemente - Grund und Boden und Gebäude - umfassenden Einheitswerts als Bodenwertanteil ausgeschieden werden muß. Dieser Teil könnte nur dann mit dem gesamten Einheitswert übereinstimmen, wenn festzustellen wäre, daß seinerzeit das aufstehende Gebäude wertlos war oder sogar, z. B. bei Abbruchsreife, eine Last darstellte. So liegen die Dinge im vorliegenden Fall aber offensichtlich nicht.
Für die hiernach vorzunehmende Aufteilung des Einheitswerts gibt der Erlaß vom 5. September 1949 Richtlinien und stellt dabei in erster Linie für mit dem Vielfachen der Jahresrohmiete bewertete Grundstücke, aber auch bei anderen Bewertungsmethoden (mit Ausnahme der Fälle, in denen der letzte Einheitswert nach dem Sachwertverfahren unter besonderer Ermittlung des Bodenwerts festgestellt wurde - Ziff. 6 Buchst. b des Erlasses -) zwei Verfahren, das individuelle und das typische, zur Wahl (Ziff. 6 Buchst. a und Buchst. c). Der sich auf Fabrikgrundstücke beziehende Abs. 1 der Ziff. 9 des Erlasses stellt klar, daß für diese Grundstücke, weil sie ganz allgemein nach dem Sachwertverfahren bewertet worden und wegen ihres anderen inneren Ausbaues mit Wohngebäuden nicht vergleichbar seien, die Anwendung der Tabellen nicht in Frage komme. Für die Fortschreibung des Einheitswerts anderer Geschäftsgrundstücke (z. B. Hotelgrundstücke, Waren- und Bürohausgrundstücke) ist in Ziff. 9 letzter Absatz des Erlasses lediglich die entsprechende Anwendung der maßgebenden Bewertungsbestimmungen 1935 vorgesehen. Damit ist für die Ermittlung des anteiligen Bodenwerts für ein "anderes" Geschäftsgrundstück (und um ein solches handelt es sich im Streitfall), das seinerzeit mit dem Mindestwert bewertet wurde, nichts gesagt.
Der vom beschwerdeführenden Vorsteher des Finanzamts erhobene Einwand gegen die Anwendung der Tabelle A der Anlage 2 läßt sich also mit dem Hinweis auf Ziff. 9 des Erlasses vom 5. September 1949 nicht begründen. Er könnte nur durchgreifen, wenn sich entweder aus anderen Bestimmungen des Erlasses oder aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen ergeben würde, daß auch für andere Geschäftsgrundstücke als Fabrikgrundstücke, deren letzter Einheitswert - wie z. B. bei der Mindestbewertung - nicht nach dem Sachwertverfahren festgestellt wurde, die Ermittlung des Bodenwertanteils nach typischen Verhältnisse auszuschließen und nur das individuelle Verfahren zuzulassen sei. Nun hat zwar der Erlaß, soweit er in Ziff. 6 Buchst. a und 7 Buchst. a die Typisierung (und damit die Anwendung der Tabelle A der Anlage 2) zur Wahl stellt, in erster Linie an Grundstücke gedacht, die mit dem Vielfachen der Jahresrohmiete bewertet wurden. Er hat aber eindeutig für diese Grundstücke auch dann, wenn sie im Einzelfalle nicht nach dem Vielfachen der Jahresrohmiete, sondern mit dem Mindestwert bewertet wurden, das typisierende Verfahren vorgesehen und es für mindestbewertete Geschäftsgrundstücke (außer Fabrikgrundstücken) an keiner Stelle ausgeschlossen. Darüber hinaus ist der nach Art eines Berechnungsbogens für das Finanzamt aufgestellte Vordruck für die Wertfortschreibung kriegsbeschädigter Grundstücke (Anlage 3 Muster A des Erlasses), der auf das typische Verfahren zugeschnitten ist, ausdrücklich auch für Geschäftsgrundstücke bestimmt, während der entsprechende Vordruck Muster B, der auf das individuelle Verfahren abgestellt ist, die Fabrikgrundstücke (und nur diese) betrifft. Hieraus muß entnommen werden, daß nach der Auffassung der Verwaltung der Finanzen auch für Geschäftsgrundstücke (außer Fabrikgrundstücken) das typische Verfahren zulässig sein sollte. Aber auch rechtliche Erwägungen stehen dem nicht entgegen. Grundsätzlich ist gegen die in dem Erlaß vorgesehene Typisierung bei der Ermittlung des in dem letzten Einheitswert steckenden Bodenwertanteils, soweit er sich nicht wie beim Sachwertverfahren aus der ursprünglichen Einheitswertfeststellung ohne weiteres ergibt, nichts einzuwenden; sie erleichtert die auf jeden Fall nicht exakt, sondern nur annäherungsweise mögliche Ermittlung des anteiligen Bodenwerts und führt bei den Objekten, die nach Lage und Bebauung einigermaßen vergleichbar sind - und nur unter diesen Voraussetzungen ist das typische Verfahren zulässig -, zu brauchbaren und insbesondere auch gleichmäßigen Ergebnissen. Nun werden sich aber Geschäftsgrundstücke (mit Ausnahme von Fabriken) im allgemeinen und von atypischen Fällen abgesehen hinsichtlich des Verhältnisses Gebäudewert zu Bodenwert nicht so sehr von Mietwohn- und gemischtgenutzten Grundstücken (derselben Lage) unterscheiden, daß man das typischen Verfahren als auf sie seiner Natur nach nicht anwendbar bezeichnen müßte.
Da es sich im vorliegenden Rechtsstreit weder um einen der Typisierung nicht zugänglichen Fall handelt noch die Ablehnung der ursprünglich von der Grundstückseigentümerin begehrten Abschläge durch das Finanzgericht - die Beschwerdegegnerin (Bgin.) erhebt gegen die Feststellung des Fortschreibungswerts durch die Vorinstanz keine Einwendungen - einen Rechtsirrtum erkennen läßt, mußte die Rb. mit der Kostenfolge des § 309 der Reichsabgabenordnung (AO) als unbegründet zurückgewiesen werden. Zu dem Hinweis des Beschwerdeführers (Bf.) auf den beim Verkauf des Grundstücks am 1. September 1952 erzielten Kaufpreis von 390.000,00 DM sei bemerkt, daß daraus für den vorliegenden Rechtsstreit nichts gefolgert werden kann. Zum Streitwert weist der Vertreter der Bgin. darauf hin, daß bei einem Streit über die Feststellung des Einheitswerts eines Grundstücks auf den 21. Juni 1948 als strittiger Wertunterschied der übliche Satz von 40 v. T. nicht anwendbar sei, da außer der Vermögensteuer und Grundsteuer die sehr erhebliche Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz von diesem Einheitswert abhänge. Dem ist zuzustimmen. In der Erwägung, daß zwar die Vermögensabgabeschuld grundsätzlich 50 v. H. des abgabepflichtigen Vermögens beträgt, dem aber u. a. die Ermäßigungsmöglichkeiten wegen Kriegsschäden und der geringere Gegenwartswert der verrenteten Abgabe gegenüberstehen, erscheint es dem Senat nach § 320 Abs. 4 AO angemessen - sofern der Steuerpflichtige nicht im Einzelfall ein geringeres oder höheres Interesse darlegt -, wegen der vom Einheitswert abhängigen Vermögensabgabe den Streitwert um 20 v. H. des strittigen Einheitswerts auf 24 v. H. zu erhöhen. Hiernach ergibt sich ein Streitwert von 22.128 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 407937 |
BStBl III 1954, 211 |
BFHE 59, 5 |