Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewürztes Fleisch im zolltariflichen Sinne

 

Leitsatz (NV)

1. Voraussetzungen der zulassungsfreien Revision gegen Urteile in Zolltarifsachen.

2. Zur zolltariflichen Abgrenzung zwischen gewürztem und ungewürztem Fleisch in Form von Gemischen einzelner Fleischstücke.

3. Gewürztes Fleisch (2.) liegt auch vor, wenn das zu beurteilende Fleischstück zwar keine Oberflächen-, wohl aber -- bei Garung -- eine Innenwürzung aufweist.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 2; KN (1992) Unterpos. 1602 3111, 0207 4210, Zusätzl. Anm. 6 a zu Kap. 2, AV 3 b; ZG § 17 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ im Mai 1992 bei dem beklagten und revisionsklagenden Hauptzollamt (HZA) 900 Kartons nichtgegartes Fleisch von Truthühnern, angemeldet als "gewürzt" und zu Unterposition 1602 3111 der Kombinierten Nomenklatur (KN) gehörend, zum freien Verkehr abfertigen. Von den bei der stichprobenweisen Zollbeschau als Proben entnommenen sechs Kartons wurden drei von der zuständigen Zollehranstalt untersucht, mit dem Ergebnis, daß es sich bei zwei Gebinden im Hinblick auf den überwiegenden Anteil an nicht gewürztem Fleisch um ungewürzte Ware handele. Demgemäß wurden 2/3 der Sendung als -- nur -- gefrorene, entbeinte Teile von Truthühnern der Unterposition 0207 4210 gewertet und die entsprechende Abschöpfung nach erhoben.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, die Beschaffenheit der Ware sei fehlerhaft ermittelt worden. Untersucht worden seien die in den Kartons befindlichen Putenfleischabschnitte, die jedoch, je in einem Karton, zoll tariflich eine Einheit darstellten und als solche dahin zu beurteilen seien, ob gewürztes Fleisch im Sinne der Zusätzlichen Anmerkung 6 a zu Kapitel 2 KN vorliege. Dies sei hier zu bejahen, und zwar auch hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit der Würzung durch Geschmack. Diese könne nicht durch Verkostung von Rohfleisch, sondern nur nach einem Garungsvorgang festgestellt werden. Insoweit liege jedoch kein verwertbares Ergebnis vor. Das gelte selbst dann, wenn jeder einzelne Fleischabschnitt als "Ware" angesehen würde. Die Fleischstücke hätten nicht, wie geschehen, vor dem Garen, mit Wasser, unter Wegschütten des Ablaufwassers, abgespült werden dürfen (Hinweis auf die Äußerung des Sachverständigen). Die Probeuntersuchung führe mithin nicht zu der Beschaffenheitsvermutung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 des Zollgesetzes (ZG). Wegen der Begründung der Vorentscheidung im übrigen wird auf deren Abdruck in Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern (ZfZ) 1995, 362 (Leitsatz in Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1996, 29) verwiesen.

Die Revision des HZA rügt fehlerhafte Anwendung der maßgebenden zolltariflichen Vorschriften. Es handele sich um eine Warenmischung aus gewürzten und ungewürzten Fleischabschnitten, die zolltariflich nach der Allgemeinen Vorschrift (AV) 3 b, also nach dem charakterbestimmenden Stoff oder Bestandteil, zu beurteilen sei. Auf einen "Gesamteindruck" komme es nicht an. Eine Verteilung der Wirkstoffe auf allen Flächen der Fleischabschnitte sei nicht festgestellt worden. Für die Geschmacksprüfung sei es sachgerecht gewesen, die an einigen Stellen der Oberflächen vorhandenen Gewürzpartikel vor der Garung abzustreifen oder abzuspülen.

Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie bezweifelt die Statthaftigkeit der Revision und verteidigt im übrigen die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, insbesondere zulassungsfrei statthaft gemäß § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Gestritten und entschieden wurde über die zolltarifliche Frage, ob gewürztes oder ungewürztes Fleisch vorliegt, und zwar unter Zugrundelegung der maßgebenden Abgrenzungsvorschrift (Zusätzliche Anmerkung 6 a zu Kapitel 2 KN; zur Gültigkeit einer entsprechenden früheren Regelung Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Februar 1990 C- 233/88, EuGHE 1990, I-278), nach der als "gewürzt" -- Kapitel 16 -- nicht gegartes Fleisch gilt, bei dem die Würzstoffe in das Innere eingedrungen oder auf allen Flächen des Erzeugnisses verteilt und mit bloßem Auge oder deutlich durch Geschmack wahrnehmbar sind. Im Vordergrund steht dabei die Beurteilung, welche zolltarifrechtlichen Maßstäbe bei der Abgrenzung heranzuziehen sind, nicht ausschließlich die Frage der Warenbeschaffenheit, die als solche nicht zur Revisibilität eines hierüber ergehenden Erkenntnisses führt (Senat, Beschluß vom 16. Juli 1992 VII R 13/91, BFH/NV 1993, 284; vgl. auch Beschluß vom 22. März 1977 VII R 39/74, BFHE 121, 400, BStBl II 1977, 430).

Die Revision ist jedoch nicht begründet und demzufolge zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

Das FG hat letztlich zutreffend entschieden, daß die Nacherhebung rechtswidrig ist. Die zolltarifliche Untersuchung war, bezogen auf die Geschmacksprüfung, nicht geeignet, eine die Nacherhebung für nicht gewürztes Fleisch rechtfertigende Beschaffenheitsvermutung zu erzeugen. Entsprechend der Zollanmeldung ist von einer (Innen-)Würzung auszugehen.

Nicht zu folgen ist allerdings der Auffassung der Vorinstanz, daß der Inhalt jedes Kartons eine Wareneinheit bilde, die von vornherein in ihrer Gesamtheit danach zu beurteilen sei, ob gewürztes oder nicht gewürztes Fleisch vorliege. Richtig ist vielmehr die Meinung der Revision, daß es sich um eine Einheit in Form eines Gemisches von zolltariflich unterschiedlichen Teilen handelt. Maßgebend für die Einreihung in die zutreffende Unterposition ist damit dessen charakterbestimmender Anteil (AV 6 i. V. m. AV 3 b; Erläuterungen Harmonisiertes System -- ErlHS -- zu AV 3 Rz. 18.0), der hier nach Menge/Gewicht der einzelnen Stücke zu beurteilen ist (vgl. a. a. O., Rz. 19.0). Dies würde im übrigen selbst dann gelten, wenn, wie offenbar vom FG angenommen, eine aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzte Ware vorläge, was hier freilich, mangels der dafür erforderlichen Voraussetzungen (ErlHS, a. a. O., Rz. 20.0; vgl. auch Senatsurteil vom 6. November 1990 VII R 38/87, BFHE 162, 524, 526 f.), ausscheidet.

Ausgehend von einem anderen -- nach Ansicht des Senats unzutreffenden -- Beurteilungsmaßstab ("Gesamtbetrachtung"), wie er der Vorentscheidung zufolge auch von dem Sachverständigen angelegt worden ist, hat es das FG unterlassen, unter Einbeziehung des zollamtlichen Untersuchungsergebnisses darüber zu befinden, ob das jeweilige Gemisch im Hinblick auf die in ihm enthaltenen unterschiedlich beschaffenen Fleischanteile als -- außen -- gewürztes oder ungewürztes Fleisch einzureihen ist.

Obgleich hiernach taugliche Feststellungen zu einer Oberflächenwürzung fehlen, kommt eine Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur Nachholung entsprechender Feststellungen nicht in Betracht. Denn selbst wenn das Fehlen einer (hinreichenden) Oberflächenwürzung unterstellt wird, ist das angefochtene Urteil zu bestätigen. Es behält Bestand, weil es von der Erwägung getragen wird, hinsichtlich des Ausschlusses einer Innenwürzung (die deutlich durch Geschmack wahrnehmbar sein muß; Senat, Urteil vom 5. April 1990 VII R 133/87, BFHE 162, 151, 152 f.) mangele es an einem verwertbaren, zur Begründung der Vermutung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 ZG geeigneten Prüfungsergebnis.

Das FG hat unter Berücksichtigung der gutachtlichen Äußerung ausgeführt -- hilfs weise auch bezogen auf die einzelnen untersuchten Fleischstücke --, das Fleisch hätte nicht wie geschehen, vor der Garung abgespült und die Ablaufflüssigkeit nicht beseitigt werden dürfen; ein zutreffendes Untersuchungsergebnis wäre nur zu erhalten gewesen, wenn das Fleisch mit dem Wasser gegart (oder wenigstens der in der Flüssigkeit enthaltene Würzstoff in die Unter suchung einbezogen) worden wäre. Diese Beurteilung enthält eine tatsächliche Würdigung, die den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet, weil sie möglich ist und durchgreifende Verfahrensrügen hiergegen nicht erhoben worden sind. Mit dem Vorbringen, durch das Abwaschen sei ein verfälschendes Ergebnis (garungsbedingtes Eindringen von Würzpartikeln) vermieden worden, verkennt das HZA, daß es für die Prüfung auf eine Innenwürzung nur auf die Beschaffenheit des gegarten Fleisches ankommen kann, weil eine Rohverkostung sich von selbst verbietet. Im übrigen ließe sich ein Wegschütten der Flüssigkeit wegen der jedenfalls nicht auszuschließenden Möglichkeit (auch) einer "Entwürzung" selbst dann nicht rechtfertigen, wenn die Annahme des HZA zuträfe.

Ist demnach davon auszugehen, daß die zollamtliche Untersuchung fehlerhaft war, so vermag ihr Ergebnis keine Beschaffenheitsvermutung zu begründen (Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 2. Aufl., ZG § 17, Anm. 13). Wie beim Absehen von der Zollbeschau verbleibt es bei der Vermutung, daß die Beschaffenheit der Ware der Zollanmeldung entspricht (§ 17 Abs. 2 ZG; vgl. FG Bremen, Urteil vom 12. Februar 1991 II 68/85 K, ZfZ 1991, 322, 324, Leitsatz in EFG 1991, 776). Damit entfällt die Grundlage der Nachforderung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421504

BFH/NV 1997, 85

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