Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewürztes Fleisch im zolltariflichen Sinne

 

Leitsatz (NV)

1. Zu den zolltariflichen Erfordernissen für die (Oberflächen-)Würzung von Fleisch.

2. Eine nicht hinreichende Oberflächenwürzung (1.) kann zu einer zolltariflich beachtlichen Innenwürzung führen. Ist eine entsprechende zollamtliche Prüfung unterblieben, so verbleibt es bei der durch die Zollanmeldung begründeten Beschaffenheitsvermutung.

 

Normenkette

KN (1992) Unterpos. 1602 3111, 0207 42, Zusätzl. Anm. 6 a zu Kap. 2, AV 3 b; ZG § 17 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ im Dezember 1991 und Januar 1992 bei dem beklagten und revisionsklagenden Hauptzollamt (HZA) gefrorene "Israelische Putenbrust", angemeldet als nichtgegart, "gewürzt" und zu Unterposition 1602 3111 der Kombinierten Nomenklatur (KN) gehörend, in jeweils mehreren Teilpartien zum freien Verkehr abfertigen. Bei der stichprobenweisen Zollbeschau wurde aus einer Teilpartie jeder Einfuhr (10 000 bzw. 15 000 kg) jeweils ein Karton als Probe entnommen. Zwei Stücke (4000 bzw. 10 000 g) aus ihnen wurden von der zuständigen Zollehranstalt mit dem Ergebnis untersucht, daß eine (ausreichende Oberflächen-)Würzung nicht vorliege. Aufgrund dessen sah das HZA die beschauten Teilpartien als nicht gewürztes Fleisch von Truthühnern aus Unterposition 0207 42 KN an und forderte von der Klägerin demgemäß Abschöpfung nach.

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, die Beschaffenheit der Ware sei fehlerhaft ermittelt worden. Jeder einzelne Karton stelle eine körperliche Einheit dar -- angesprochen sowohl als Gemisch als auch als aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzte Ware --, die als solche zu tarifieren sei. Die "Einheit" sei nicht ordnungsgemäß, unter Einbeziehung sämtlicher Fleischstücke, untersucht worden. Selbst wenn das einzelne Stück als Ware angesehen würde, komme es in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten darauf an, ob die mit bloßem Auge wahrnehmbaren Würzpartikel auf allen Flächen so verteilt seien, daß das Fleisch als gewürzt im Sinne der Zusätzlichen Anmerkung 6 a zu Kapitel 2 KN gelten könne, ohne Berücksichtigung dessen, ob einzelne Teilflächen des Fleischstücks nicht mit Würzstoffen bedeckt seien. Im übrigen sei eine Prüfung auf Innenwürzung unterlassen worden. Wegen der Begründung der Vorentscheidung im einzelnen wird auf deren Abdruck in Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1995, 358 (Leitsatz in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 29) verwiesen.

Die Revision des HZA rügt fehlerhafte Anwendung der maßgebenden zolltariflichen Vorschriften. Eine Wareneinheit -- hier allenfalls in Form eines Gemisches -- liege nicht vor, da aufgrund des Untersuchungsergebnisses (nur ungewürztes Fleisch) nicht mehrere Tarifpositionen in Betracht kämen. Die Untersuchung auf Oberflächenwürzung auf allen Teilflächen sei zolltariflich geboten; das negative Ergebnis sei auf die Ware insgesamt zu übertragen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 des Zoll gesetzes -- ZG --). Einer Prüfung auf Innenwürzung habe es nicht bedurft, da eine bloße Oberflächenwürzung grundsätzlich nicht bewirken könne, daß Würzstoffe in das Innere des Fleisches eindrängen.

Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie bezweifelt die Statthaftigkeit der Revision und verteidigt im übrigen die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig (Hinweis auf das im Parallelverfahren zwischen den Beteiligten ergangene Senatsurteil VII R 98/95 vom heutigen Tage, BFH/NV 1997, 81), aber nicht begründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Nacherhebung rechtswidrig ist. Die zollamtliche Untersuchung war, weil unvollständig (keine Prüfung auf Innenwürzung), nicht geeignet, eine die Nacherhebung für nicht gewürztes Fleisch rechtfertigende Beschaffenheitsvermutung zu erzeugen. Es verbleibt somit, wie beim Absehen von der Beschau, bei der durch die Zollanmeldung ausgelösten Vermutung, daß gewürztes Fleisch eingeführt worden ist (§ 17 Abs. 2 ZG).

Unrichtig ist allerdings der zolltarifliche Ausgangspunkt des FG. Als "Ware" ist nicht der Gesamtinhalt jedes Kartons, sondern vielmehr jedes einzelne in ihm enthaltene Fleischstück anzusehen ("Teile" aus Unterposition 0207 42 KN). Eine aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzte Ware im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3 b KN liegt von vornherein nicht vor (Senat in VII R 98/95). Die Annahme einer Einheit in Form eines Gemisches scheitert daran, daß aufgrund des Untersuchungsergebnisses, anders als im Parallelfall, nicht mehrere Tarifpositionen in Betracht kommen, es sich vielmehr, dem Untersuchungsergebnis zufolge, ausschließlich um ungewürztes Fleisch handelt. Mangels Vorliegens einer "Einheit" ist die Beschaffenheit jedes einzelnen Fleischstücks einreihungsbestimmend (Senat, Urteil vom 6. November 1990 VII R 38/87, BFHE 162, 524 f.). Bei der Untersuchung auf Oberflächenwürzung kommt es nach dem klaren Wortlaut der Zusätzlichen Anmerkung 6 a zu Kapitel 2 KN auf eine Verteilung der Würzstoffe "auf allen Flächen" (sur la totalité de la surface; over the whole surface) an. Dieses Erfordernis ist wörtlich zu nehmen; es gebietet die Berücksichtigung sämtlicher Teilflächen des einzelnen Fleischstücks (vgl. auch das zu einer früheren Fassung der Abgrenzungsvorschrift ergangene Senatsurteil vom 20. November 1984 VII K 8/84, BFHE 143, 174, 176: "auf der ganzen Oberfläche"; s. ferner Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Februar 1990 C-233/88, EuGHE 1990, I-278 Rdnr. 3). Welche "Dichte" die Würzung aufweisen muß, kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall, bezogen auf das einzelne Fleischteil (insbesondere dessen Größe), entschieden werden. Mit der Tarifnorm nicht vereinbar ist es jedenfalls, als Beurteilungsmaßstab -- wie in der Vorentscheidung geschehen -- eine "wertende" Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen.

Dieser Rechtsfehler nötigt indessen nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zwecks Nachholung entsprechender Feststellungen. Das angegriffene Urteil wird von der weiteren Begründung getragen, daß das zollamtliche Untersuchungsergebnis keine die Beschaffenheitsvermutung auslösende Wirkung haben kann, weil eine Prüfung auf eine Würzung im Fleischinneren unterlassen worden ist. Das FG hat -- den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung bindend -- festgestellt, daß eine derartige Prüfung, auf deren Vornahme der Inhalt der Untersuchungserzeugnisse möglicherweise hätten schließen lassen können, nicht erfolgt ist. Sie war indes geboten. Die Abgrenzungsvorschrift stellt nicht nur auf eine Oberflächen-, sondern auch auf eine Innenwürzung ab und erfordert damit eine entsprechende Prüfung (wie im Parallelfall VII R 98/95 auch vorgenommen). Sie war, entgegen der Ansicht der Revision, nicht deshalb entbehrlich, weil, wie der Sachverständige -- später -- ausgeführt habe, eine Oberflächenwürzung grundsätzlich kein tieferes Eindringen der die Würzeindrücke hervorbringenden ätherischen Öle bewirken könne. Abgesehen davon, daß dies nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres als festgestellt angesehen werden kann -- nach der Vorentscheidung hat sich die Begutachtung allein auf die Fleischoberflächen erstreckt --, könnte auch ein vom Sachverständigen nicht ausgeschlossenes Würzen des Fleischinneren genügen, wenn die weitere Voraussetzung nach der Zusätzlichen Anmerkung 6 a zu Kapitel 2 KN (deutliche Wahrnehmbarkeit durch Geschmack; Senat, Urteil vom 5. April 1990 VII R 133/87, BFHE 162, 151 f.) erfüllt ist. Im übrigen weist die Klägerin in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hin, daß auch andere Würzstoffe als ätherische Öle durch Oberflächenwürzung in das Fleischinnere eindringen könnten (Scharfstoff des Pfeffers).

Fehlt es somit an einem verwertbaren Prüfungsergebnis, so behält die durch die Zoll anmeldung begründete Vermutung nach § 17 Abs. 2 ZG (gewürztes Fleisch) ihre Bedeutung. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben, da insoweit eine unterschiedliche Beschaffenheit nicht angemeldet worden war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421505

BFH/NV 1997, 74

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