Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Gehört ein Nachlaß mehreren Miterben (A und B) und veräußert A seinen Erbanteil an C, B dagegen an D, so ist darin lediglich ein Wechsel im Personenstand der Erbengemeinschaft zu erblicken; eine Grunderwerbsteuer ist nicht zu erheben.
Das gleiche gilt, wenn alle Miterben (A und B) gleichzeitig aus der Erbengemeinschaft ausscheiden und andere Personen (C und D) an ihre Stelle treten. Das Urteil des Reichsfinanzhofs II 151/41 vom 13. November 1941 (RStBl 1941 S. 965, Slg. Bd. 51 S. 227), einen Wechsel im Personenstand einer OHG betreffend, ist nicht anzuwenden.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1
Tatbestand
Am 9. September 1944 verstarb die Hotelbesitzerswitwe Hermine H. geb. H. Sie wurde beerbt:
von ihrer Tochter Frieda F. geb. H. zu 5/6 von ihrem Stiefsohn Hans H. zu 1/6.
Zum Nachlaß der verstorbenen Frau H. gehörte ein Grundstück, in dem ein Hotel betrieben wurde. Es verkauften:
durch notariell beurkundeten "Erbteilsverkauf" vom 13. Dezember 1955 (Urk.-Reg. Nr. 2228/55 des Notars X.) Hans H. "seinen 1/6-Anteil am Nachlaß, soweit der Grundbesitz in Betracht kam, mit dinglicher Wirkung" an die Bgin., eine Hotelbetriebsgesellschaft;
durch notariell beurkundeten Vertrag vom gleichen Tage (Urk.-Reg. Nr. 2228/55) die Ehefrau Frieda F. "ihren 5/6-Erbanteil, soweit der Grundbesitz in Betracht kam, mit dinglicher Wirkung" an die Eheleute Gastwirt X. Gesondert davon verkaufte die Ehefrau F. das gesamte im Anwesen befindliche, ihr gehörige Wirtschaftsinventar und Mobiliar (mit Ausnahme derjenigen Gegenstände, über die ein Verzeichnis beigefügt wurde).
Der Rechtsstreit betrifft den Vorgang, durch den die Bgin. den 1/6-Erbanteil des Hans H. von diesem erwarb. Das Finanzamt ist der Auffassung, der Miterbe H. habe nicht über seinen Erbanteil als Ganzes, sondern nur über den 1/6-Grundstücksanteil verfügen wollen, da der Erbanteil ausschließlich oder fast ausschließlich in diesem Grundstücksanteil bestand. Es sei nicht anzunehmen, daß die Bgin. ernsthaft die Absicht gehabt habe, in Ansehung des Gesamtnachlasses rechtlich an die Stelle eines Miterben zu treten. Ihr habe nur daran gelegen, den Anteil am Grundstückseigentum zu erwerben; dazu habe genügt daß ihr nach steuerbefreiter Erbauseinandersetzung (ß 3 Ziff. 3 GrEStG) das Miteigentum übereignet wurde.
Der von der Bgin. gegen die Steuerfestsetzung des Finanzamts eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die Berufung wurden die Einspruchsentscheidung und der Steuerbescheid des Finanzamts aufgehoben und die Bgin. von der Grunderwerbsteuer freigestellt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist ohne Erfolg.
Dem Finanzamt ist darin zuzustimmen, daß ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG gegeben wäre, wenn zunächst bezüglich des Eigentums am Grundstück eine Teilauseinandersetzung in der Weise stattgefunden hätte, daß die Miterbin Frieda F. das Miteigentum zu 5/6 und der Miterbe H. zu 1/6 erworben hätte und wenn dann der Miterbe H. seinen 1/6-Miteigentumsanteil auf die Bgin. übertragen hätte. Ein solcher Sachverhalt ist jedoch im Streitfall nicht festgestellt worden. Vielmehr kann, wie auch das Finanzgericht ausführt, nicht widerlegt werden, daß lediglich der Erbanteil des Miterben H. an die Bgin. verkauft wurde (§§ 2371 ff. BGB). Dafür spricht, wie das Finanzgericht gleichfalls darlegt: Der Vertrag ist ausdrücklich als "Erbteilsverkauf" bezeichnet worden. Es wird von einem Verkauf "mit dinglicher Wirkung" gesprochen; mit dieser Erklärung wollte der Miterbe offensichtlich gemäß § 2033 Abs. 1 BGB über seinen Erbanteil verfügen. Es wird außerdem der 1/6-Anteil am Nachlaß, nicht das Miteigentum am Grundstück verkauft (vgl. auch § 2033 Abs. 2 BGB). Eine Auflassung wurde nicht vorgenommen, und zwar offensichtlich wiederum deshalb, weil ein echter Erbanteilsverkauf gewollt war. Ein solcher hat, um es zu wiederholen, dingliche Wirkung, so daß das Gesamthandseigentum an dem der Erbengemeinschaft gehörigen Grundstück kraft Gesetzes auf den Erbteilskäufer überging und eine Auflassung nicht erforderlich war.
Die Einschränkung, "soweit der Grundbesitz in Betracht kommt", diente offensichtlich der Klarstellung, weil nach dem Testament der verstorbenen Frau H. vom 30. Oktober 1941 der Erbteil des Stiefsohnes H. nur 1/6 Miteigentum am Grundbesitz umfassen, der Geschäftsbetrieb und der übrige Nachlaß aber der Miterbin Frieda F. zufallen sollte. Damit steht es im Einklang, daß nach den Erklärungen des Hans H. im Abschn. VI des Vertrages die gesamte "Geschäftsein- und Vorrichtung" der Miterbin Frau F. gehörte. Daraus wiederum folgt, daß es der Miterbin Frau F. möglich war, diese Gegenstände zu verkaufen, ohne daß sie dadurch die Rechte des Miterben Hans H. berührte. Der Vertrag ist schließlich, wie die Bgin. unwidersprochen behauptet hat, vom Grundbuchamt lediglich als Erbteilskauf angesehen worden, so daß nur eine Grundbuchberichtigung erforderlich war. Ebenso hat auch das zuständige Landratsamt in seiner Genehmigungserklärung vom 13. Januar 1956 in dem Vertrag lediglich einen Erbteilskauf erblickt.
Die Zulässigkeit der Besteuerung hängt somit davon ab, ob in dem Erbteilskauf ein der Steuer unterliegender Vorgang erblickt werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die OHG, die KG, die GdbR sowie die Erbengemeinschaft für die Grunderwerbsteuer als selbständige Rechtsträger anzusehen. Siehe für die Erbengemeinschaft das Urteil des Senats II 102/56 U vom 15. Mai 1957 (BStBl 1957 III S. 238, Slg. Bd. 65 S. 14). Gilt aber die Erbengemeinschaft grunderwerbsteuerlich als selbständiger Rechtsträger, so ist in dem Verkauf von Erbanteilen lediglich ein Wechsel im Personenstand anzusehen, der - wie jeder Wechsel im Personenstand eines grunderwerbsteuerlich selbständigen Rechtsträgers - nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Ebenso auch Boruttau-Klein, Kommentar zum GrEStG, 6. Aufl., 1960, § 1 Tz. 16 und § 5 Tz. 4.
Richtig ist allerdings, worauf das Finanzamt hinweist, daß nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs II 151/41 vom 13. November 1941 (RStBl 1941 S. 965, Slg. Bd. 51 S. 227) ein steuerfreier Wechsel im Personenstand nicht mehr angenommen werden kann, wenn alle Gesellschafter gleichzeitig aus der Gesellschaft ausscheiden und neue Gesellschafter an ihre Stelle treten. In diesem Fall sei anzunehmen, daß die bisherige Gesellschaft aufgelöst und eine neue Gesellschaft an ihre Stelle getreten sei. Die Steuer entstehe für den übergang der Grundstücke von der alten auf die neue Gesellschaft. Das vorbezeichnete Urteil des Reichsfinanzhofs betraf eine OHG. Wie auch das Finanzgericht ausführt, entsteht die Erbengemeinschaft anders als die OHG usw. nur kraft Gesetzes (§§ 2032 ff. BGB), also nicht durch Vertrag der Beteiligten. Es kann also die Schaffung einer neuen Erbengemeinschaft nicht in Betracht kommen, weil die Erbengemeinschaft nur einmal und lediglich kraft Gesetzes zur Entstehung gelangt. Die Rechtskonstruktion des Finanzamts ist somit bürgerlich-rechtlich nicht denkbar. Das vorerwähnte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 13. November 1941 ist also nicht auf die Fälle übertragbar, in denen Erbanteile gleichzeitig übertragen werden. Ob der Senat sich, soweit eine OHG in Betracht kommt, in einem künftigen Fall der vom Reichsfinanzhof im Urteil vom 13. November 1941 vertretenen Auffassung anschließen wird, sei dahingestellt.
Wie zu verfahren wäre, wenn die Bgin. alle Erbanteile erworben hätte, ist im Streitfall an sich ohne Bedeutung, da ein solcher Tatbestand nicht vorliegt. Nachdem jedoch allseitig zu dieser Frage Stellung genommen worden ist, sei bemerkt, das grunderwerbsteuerlich dann, wenn alle Anteile einer Erbengemeinschaft in einer Hand vereinigt werden, ein Fall des § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG gegeben ist. Vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 456/27 vom 21. Oktober 1927 (Steuer und Wirtschaft 1927 Nr. 614, Mrozek-Kartei, GrEStG 1919/1927 § 1 Rechtsspruch 46).
Ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 6 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes ist nicht feststellbar. Unstreitig ist, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (13. Dezember 1955) ein Zwangsversteigerungsverfahren zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft anhängig war (§§ 175 ff. oder §§ 180 ff. des Zwangsversteigerungsgesetzes - ZVG -) und daß dieses Verfahren später infolge Befriedigung sämtlicher beteiligter Gläubiger nicht zum Abschluß kam. Die Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens galt zugunsten der Nachlaßgläubiger als Grundstücksbeschlagnahme (ß 20 ZVG). Die Beschlagnahme hatte die Wirkung eines Veräußerungsverbots (ß 23 ZVG in Verbindung mit § 135 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es liegt nahe, anzunehmen, daß im Hinblick hierauf ein Verkauf des Miteigentums am Grundstück nicht gewollt war. Demgemäß ist auch wenig wahrscheinlich, daß durch einen "Erbteilskauf" ein Mißbrauch von Form- und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts beabsichtigt war. Vielmehr wird angenommen werden müssen, daß die Miterben den Weg des Erbteilsverkaufs wählten, um nicht gegen das Veräußerungsverbot des § 22 ZVG zu verstoßen. In jedem Fall sind keine ausreichenden Anhaltspunkte vorhanden, um unter den besonderen Umständen einen Gestaltungsmißbrauch feststellen zu können.
Nach alledem war die Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410121 |
BStBl III 1961, 423 |
BFHE 1962, 429 |
BFHE 73, 429 |