Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei Zwischenvermietung einer im sozialen Wohnungsbau errichteten Wohnanlage
Leitsatz (NV)
Der Bauherr von Wohnungen, die im sozialen Wohnungsbau errichtet und an einen Zwischenmieter vermietet worden sind, kann dem Zwischenmieter keine Rechte einräumen, die über die Rechte eines weisungsgebundenen Beauftragten hinausgehen. Dem Vorsteuerabzug des Bauherrn steht entgegen, daß er die Wohnungen für steuerfreie Mietumsätze an Endmieter verwendet hat.
Normenkette
AO 1977 § 42; UStG 1980 § 4 Nr. 12a, § 15 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) errichtete durch die A Bauträger KG in T eine Wohnanlage. Gründungsgesellschafter waren H als Komplementär ohne Einlage und S als Kommanditist. Später traten der Klägerin weitere Kommanditisten mit Kommanditeinlagen von . . . DM bei.
Die Klägerin errichtete die Wohngebäude mit Mitteln für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau nach dem Mietwohnungsbau-Regionalprogramm des Bundes für 1977. Sie erhielt öffentliche Baudarlehen und Annuitätsdarlehen, die dinglich auf dem Baugrundstück gesichert wurden. Einer zusätzlichen besonderen Zweckbindung unterlagen 65 der errichteten 86 Wohnungen. Sie durften nur an alte Menschen, an Notunterkunftsbewohner, an Familien oder Alleinstehende, die in Wohnungsnotständen lebten, oder an Aussiedler und an Flüchtlinge vermietet werden. Als Miete für die geförderten Wohnungen wurde eine Mietobergrenze von monatlich 4,50 DM je qm genehmigt.
Mit Vertrag vom . . . 1977 hatte die Klägerin die noch zu errichtenden Wohnungen an die B-Baubetreuungs- und Verwaltungs GmbH (im folgenden Zwischenmieter) vermietet. Der Zwischenmieter verpflichtete sich, Untermietverträge nur mit wohnberechtigten Personen zu schließen und die Klägerin von allen Verpflichtungen, insbesondere von dem Schriftverkehr und von Nachweisen gegenüber Behörden freizustellen (§ 1 Abs. 4 des Mietvertrages). Der Mietvertrag konnte ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus wichtigem Grund von dem Zwischenmieter gekündigt werden, wenn infolge von Änderungen auf dem Gebiet des Miet- und Steuerrechts die Erzielung des Mietertrages von den einzelnen Wohnungsmietern beeinträchtigt oder erschwert werden würde oder wenn dies bei einer erheblichen Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber dem Stand bei Abschluß des Mietvertrages der Fall wäre. Durch einen Mietgarantievertrag ebenfalls vom . . . 1977 hatte ein sog. Garantieträger gegen Vergütung von . . . DM die Verpflichtung gegenüber der Klägerin übernommen, daß die Wohnungen während eines Zeitraums von 12 Jahren an Dritte vermietet werden und einen Mietertrag von insgesamt . . . DM erbringen würden. Aufgrund eines Geschäftsführungsvertrages vom . . . 1977 verpflichtete sich die C Immobilien KG der Klägerin gegen Vergütung, die Vermietung des Bauvorhabens durchzuführen.
Die Wohnanlage wurde in 1978 bezugsfertig. Sie wurde von der D GmbH verwaltet. Der Zwischenmieter erzielte 1978 einen geringen Gewinn und in den folgenden Jahren 1979 und 1980 Verluste.
Die Klägerin verzichtete auf die Steuerbefreiung für Mietumsätze (§ 4 Nr. 12 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1967/1973) und begehrte für das Streitjahr 1977 den Abzug von Vorsteuerbeträgen in Höhe von 39 238,61 DM aufgrund von Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung der Wohnanlage.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte die Umsatzsteuer der Klägerin für 1977 im angefochtenen Bescheid vom 6. März 1979 auf 0 DM fest. Er meinte, die Klägerin habe auf die Steuerfreiheit ihrer Mietumsätze nicht wirksam gemäß § 9 Satz 1 UStG 1967/1973 verzichtet, weil die Zwischenvermietung als Mißbrauch von Gestaltungen des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) nicht berücksichtigt werden dürfe.Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) nahm an, daß im Streitjahr 1977 lediglich für Vorsteuerbeträge in Höhe von 877,76 DM Umsätze an die Klägerin ausgeführt und Rechnungen an sie ausgestellt worden seien. Der Abzug der Vorsteuerbeträge von 877,76 DM sei jedoch nicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967/1973 ausgeschlossen, weil die Klägerin keine steuerfreien Mietumsätze ausgeführt habe. Der Zwischenmietvertrag sei bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen worden. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Umsätze durch Vermietung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1985 fertiggestellt worden seien, sei grundsätzlich anzuerkennen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 374 veröffentlichte Urteil des FG Bezug genommen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Nr. 12 a, § 9 Satz 1, § 15 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967/1973, § 42 AO 1977.
Zur Begründung führte das FA aus, das FG verkenne den Willen des Gesetzgebers, wenn es annehme, bis Ende 1984 habe dieser die Zwischenvermietung geduldet.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1977 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Vorentscheidung war aufzuheben, weil das FG angenommen hat, die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Steuerfreiheit der Umsätze durch Vermietung (§ 4 Nr. 12 a, § 9 Satz 1 UStG 1967/1973) an den gewerblichen Zwischenmieter seien gegeben. Es hat verkannt, daß der sog. gewerbliche Zwischenmieter im Streitfall nur als Geschäftsbesorger tätig geworden war.
Die Vorentscheidung widerspricht der Rechtsprechung des Senats, wonach das Verhältnis zwischen dem Eigentümer (Verfügungsberechtigten) von mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen (Sozialwohnungen) und einer Mittelsperson, die zur (Unter-)Vermietung im eigenen Namen eingeschaltet wird, umsatzsteuerrechtlich nur als Geschäftsbesorgung zu beurteilen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Dezember 1983 V R 35/73, BFHE 140, 379, BStBl II 1984, 400; vom 22. Dezember 1983 V R 173/75, BFHE 140, 387, BStBl II 1984, 404; vom 23. August 1984 V R 87/78, BFHE 142, 156, BStBl II 1984, 731; vom 11. Dezember 1986 V R 167/81, BFHE 148, 551, BStBl II 1987, 313; vgl. auch BFH-Urteil vom 2. Dezember 1987 X R 5/81, BFHE 152, 177, BStBl II 1988, 207).
Durch die Gewährung öffentlicher Mittel wird zwischen der darlehensgebenden Stelle der öffentlichen Hand und dem Darlehensnehmer ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis begründet, das die Benutzung der geförderten Wohnungen ordnet. Aus den Regelungen des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG) über die Zweckbindung (§§ 4 ff.), die Preisbindung (Kostenmiete, §§ 8 ff.) und die Sanktionen (§§ 25 und 26) ergibt sich, daß sich der Verfügungsberechtigte seiner persönlichen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung der Wohnungen an eine wohnberechtigte Person nicht entziehen kann. Er kann dem in die Vermietung eingeschalteten Dritten keine Rechte einräumen, die über die Rechte eines weisungsgebundenen Beauftragten hinausgehen.
Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich, daß die Klägerin als Empfängerin von öffentlichen Baudarlehen und Annuitätshilfen (Annuitätsdarlehen) eine öffentlich-rechtliche, dinglich gesicherte Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung der Wohnungen an bestimmte Endmieter (alte Menschen, Notunterkunftsbewohner, Familien oder Alleinstehende mit Kindern, die in Wohnungsnotständen leben, Aussiedler und Flüchtlinge) übernommen und erfüllt hat. Dem in die Mietverträge eingeschalteten sog. Zwischenmieter konnte bei dieser durch Gesetz, Verwaltungsakt und dingliche Verpflichtung gestalteten Rechtslage umsatzsteuerrechtlich nur die Stellung einer abhängigen auf Rechnung der verpflichteten Klägerin/Darlehensnehmerin handelnden Mittelsperson zukommen.
Danach steht dem von der Klägerin begehrten Vorsteuerabzug entgegen, daß sie Leistungen bezogen hat, die sie für steuerfreie Mietumsätze an die Endmieter verwendet hat (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 a UStG 1967/1973). Der erklärte Verzicht auf die Steuerbefreiung der Mietumsätze bewirkte nicht die Steuerpflicht der Vermietung, weil der sog. Zwischenmieter nur als Geschäftsbesorger und nicht als Mieter der Wohnungen eingeschaltet worden war.
2. Die Rechtslage wird auch nicht durch die Änderung des § 9 UStG ab 1. Januar 1985 beeinflußt.
Wie der Senat in seinen Urteilen vom 17. Mai 1984 V R 118/82 (BFHE 141, 339, BStBl II 1984, 678) unter II. 4. und vom 29. Oktober 1987 V R 154/83 (BFHE 152, 161, BStBl II 1988, 508) unter 2. entschieden hat, kann entgegen der Auffassung des FG aus der Änderung des § 9 UStG 1980 durch den am 1. Januar 1982 in Kraft getretenen Art. 36 Nr. 2 und Nr. 6 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes (2. HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe damit alle bis zum Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Januar 1985 gewählten Gestaltungen gebilligt.
Fundstellen
Haufe-Index 416650 |
BFH/NV 1990, 465 |