Leitsatz (amtlich)
1. Zur Gesellschaftsteuerpflicht von ERP-Krediten.
2. Die Beurteilung eines Darlehens als mittel- oder langfristig wird nicht dadurch berührt, daß die Rückzahlung alsbald nach der Darlehnsaufnahme beginnt.
Normenkette
KapVStG § 3
Tatbestand
Die beschwerdeführende GmbH hat den Ausbau und den Betrieb von Erdölleitungen zum Gegenstand. Sie ist Anfang 1949 von verschiedenen Bergbauunternehmen mit einem Stammkapital von 450 000 DM gegründet. Die Einzahlung des Stammkapitals erfolgte zunächst mit 1/4, der Rest wurde im Juli und September 1951 geleistet.
Die Kosten für die gesamten projektierten Erdölleitungen wurden auf mindestens das 14fache des ursprünglichen Stammkapitals veranschlagt. Hierfür reichte das Stammkapital bei weitem nicht aus. Für die Finanzierung des ersten Bauabschnitts hat die Beschwerdeführerin (Bfin.) von der Kredit-Anstalt für Wiederaufbau über eine inländische Bank einen Kredit aus ERP-Mitteln erhalten. Der Kredit ist innerhalb von neun Jahren (bis Ende 1958) zurückzuzahlen. Die Besicherung ist erfolgt durch Sicherungsübereignung aller durch die Bfin. errichteten Anlagen, die Haftung der durchleitenden Bank sowie die selbstschuldnerische Bürgschaft der Gesellschafter im Verhältnis der Beteiligung am Stammkapital.
Das Finanzamt hat die Kreditgewährung auf Grund des § 3 Abs. 1, 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) zur Gesellschaftsteuer herangezogen. Einspruch und Berufung blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Die Vorentscheidung stimmt mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats überein. In dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 188/52 U vom 7. Januar 1953 (Bundessteuerblatt -- BStBl. -- III S. 78, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen S. 168) ist ausgesprochen, daß die Sicherheitsleistung (Bürgschaftsübernahme) eines Gesellschafters für ein die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 KapVStG erfüllendes Darlehen eines Dritten ohne weiteres die Gleichstellung des Darlehens des Dritten mit dem Darlehen eines Gesellschafters gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 a. a. O. zur Folge hat.
Der Steuerpflicht nach § 3 Abs. 1, 2 KapVStG steht auch der Umstand nicht entgegen, daß der Kredit aus öffentlichen Mitteln -- wozu der ERP-Kredit rechnet -- gewährt ist, solange nicht derartige Kredite durch eine ausdrückliche Rechtsvorschrift von der Besteuerung ausgenommen sind. Dies hat der Bundesfinanzhof in dem Urteil II 7/53 U vom 3. September 1953, BStBl. III S. 283, ausgesprochen. Auf dessen Begründung wird Bezug genommen. In diesem Urteil wird außerdem aus dem Zweck des ERP-Programms, der Entwicklung der Produktionskapazität der deutschen Wirtschaft zu dienen, gefolgert, daß die Wiederherstellung oder Erweiterung von Betriebsanlagen in aller Regel eine Kapitalzuführung erfordert. Dies muß im gleichen Maße für die Neuschaffung von Betriebsanlagen gelten. Der Senat sieht auch bei neuerlicher Prüfung keinen Anlaß, von diesem Grundsatz abzugehen.
Dem ERP-Programm liegt der Gedanke zugrunde, dem Mangel der gesamten deutschen Nachkriegswirtschaft an Investitionskapital in einem bedeutsamen Umfange abzuhelfen, also fehlendes Kapital zu ersetzen. Entsprechend wird im einzelnen Falle durch die Hingabe eines mittelfristigen oder langfristigen Kredits zur Schaffung notwendiger Betriebsanlagen eine sachlich gebotene Kapitalzuführung ersetzt. Diese Feststellung liegt einerseits in der Bestätigung des zuständigen Ministeriums begründet, daß die Maßnahme volkswirtschaftlich notwendig ist, andererseits in der Bestätigung der kreditgewährenden Anstalt, daß der Kapitalbedarf aus eigenen Kräften der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter nicht aufgebracht werden kann, beides wesentliche Voraussetzungen für die Gewährung des Kredits. Daß es sich bei der Neuschaffung einer Erdölleitung um eine derartige Betriebsanlage handelt, kann füglich nicht bestritten werden. Zur Finanzierung einer solchen auf eine gewisse Dauer berechneten Anlage bedarf es der Zuführung langfristigen, mindestens mittelfristigen Kapitals. Diesen Bedarf zu befriedigen, ist die vorzügliche Aufgabe der Kredit-Anstalt für Wiederaufbau, der die Hingabe kurzfristiger Kredite nur in Ausnahmefällen gestattet ist. Demnach ist die Feststellung gerechtfertigt, daß in dem vorliegenden Falle eine Kapitalzuführung im gesamten Betrage des Kredits sachlich geboten war.
Ebenso wie m der Entscheidung des Bundesfinanzhofs II 7/53 U braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, in welchem Verhältnis bei der Gesellschaft die Eigenmittel zu den Fremdmitteln stehen. Wegen der Ablehnung der schematischen Beurteilung dieses Verhältnisses und der Notwendigkeit der Prüfung nach den Umständen des einzelnen Falles wird auf die Begründung dieses Urteils verwiesen. Falls im vorliegenden Falle das Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdmitteln zu berücksichtigen wäre, dürfte allerdings bei der steuerlichen Beurteilung des Kredits für einen einzelnen selbständigen Bauabschnitt nicht das Eigenkapital mit dem Bedarf für das gesamte Bauprogramm verglichen werden. Denn jede einzelne Darlehnsgewährung, die unter § 3 KapVStG fällt, ist für sich zu beurteilen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 69/53 U vom 3. September 1953, BStBl. III S. 284).
Der Dauerwert von Erdölleitungen hängt wesentlich von der Ergiebigkeit des benachbarten Erdölvorkommens ab. Außerdem macht die Bfin. geltend, daß der natürliche Verschleiß der Erdölleitung verhältnismäßig hoch sei. Den wirtschaftlichen und technischen Verbrauch der Anlage schätzt die Bfin. so hoch ein, daß sie, wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, eine Abschreibung innerhalb von acht Jahren, also bereits vor Ablauf der Laufzeit des Kredits für geboten erachtet. Mit dieser Erwägung wird nach Auffassung des Senats die Notwendigkeit einer Kapitalzuführung nur unterstrichen. Denn eine Anlage, die in acht Jahren verbraucht wird, macht eine vorherige Kapitalzuführung erforderlich. Die Bfin. wollte allerdings mit dem Einwand die Kurzfristigkeit des Darlehens dartun. In dieser Hinsicht macht sie außerdem geltend, daß das Darlehen, soweit es in den ersten fünf Jahren zurückgezalt wird, auf jeden Fall als kurzfristiger Kredit zu behandeln sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Es trifft zu, daß der übliche bankmäßige kurzfristige Kredit nicht unter die Besteuerung des § 3 KapVStG fällt. Diese Auffassung wird in der Rechtsprechung ständig vertreten. Sie wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 3 KapVStG gestützt, die auf § 6c KapVStG 1922 zurückgeht. Anläßlich der Beratung dieser Vorschrift in dem Reichtagsausschuß wurde bereits die Frage der sachlichen Beteiligung bei Darlehnshingabe im Zusammenhang mit dem Schutz des regulären (legitimen) Kredits der Geschäftsbanken erörtert (Reichstagsdrucksache 1920/22 Nr. 3754 S. 5, 43). Dabei hat der Berichterstatter des Ausschusses geäußert, daß offenbar nur langfristige Darlehen der Steuer unterliegen sollten. Dem stimmte ein Vertreter der demokratischen Partei mit dem Bemerken zu, daß ein Darlehen (gemeint ist: ein Darlehen eines Gesellschafters oder ein dem Darlehen eines Gesellschafters gleichzustellendes Darlehen eines Dritten) von drei Jahren allerdings einer Beteiligung gleichbedeutend sei. Bei dieser Gelegenheit hat ein Regierungsvertreter erklärt, daß die Form der Kapitalzuführung durch Darlehnsgewährung bei den Gesellschaften heute -- d. h. bei den damaligen Nachkriegsverhältnissen, die in etwa hinsichtlich des Kapitalmangels den Verhältnissen nach dem letzten Krieg vergleichbar sind -- allgemein üblich sei. Bei der zweiten Lesung im Ausschuß (a. a. O. S. 43) äußerte ein Vertreter der Deutschen Volkspartei, daß das normale auf beschränkte Zeit laufende Kreditgeschäft nicht besteuert werden solle. Hieraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber des KapVStG 1934, der die Besteuerung von Gesellschafterdarlehen gegenüber dem Gesetz von 1922 nicht einschränken wollte, davon ausgegangen ist, daß der mittelfristige und langfristige Kapitalkredit von der Vorschrift des § 3 KapVStG nicht ausgenommen ist.
Die Berufung der Bfin. auf das Urteil des Bundesfinanzhofs II 175/51 U vom 11. Juni 1952 (BStBl. III S. 195) geht fehl. Dort handelt es sich um die Frage, ob und inwieweit ein in die Form eines kurzfristigen bankmäßigen Kredits gekleidetes von einem Gesellschafter verbürgtes Darlehen einer Geschäftsbank gleichwohl der Steuer nach § 3 KapVStG unterworfen werden kann.
Der Senat sieht auch keinen Anlaß, im vorliegenden Falle das Darlehen in einen kurzfristigen und langfristigen Kredit aufzuspalten, weil nach den Vertragsbestimmungen die Tilgung alsbald nach der Aufnahme des Darlehens einsetzt. Die Bfin. fordert mindestens für die Hälfte des Darlehens, die in den ersten fünf Jahren zurückgezahlt wird, die Annahme eines kurzfristigen Kredits im Sinne des vorgenannten Urteils II 175/51 U vom 11. Juni 1952. Für die Beurteilung der Steuerpflicht nach § 3 KapVStG ist jeder einzelne Fall einer Darlehnsgewährung als Ganzes an Hand des gesetzlichen Tatbestands für sich zu prüfen (vgl. das oben angeführte Urteil II 69/53 U vom 3. September 1953). Für die Beurteilung der vorliegenden Darlehnsgewährung ist es gleichgültig, ob man der Laufzeit des Darlehens die Gesamtlaufzeit (also das letzte Rückzahlungsjahr) zugrunde legt oder eine durchschnittliche Laufzeit. Bei beiden Beurteilungsweisen kann das Gesamtdarlehen nicht als kurzfristig betrachtet werden. Es handelt sich um einen mittelfristigen Kredit zur Beschaffung von erforderlichem Investitionskapital, der im ganzen eine gebotene Kapitalzuführung ersetzt.
Die Bfin. hat einen wesentlichen Verfahrensmangel darin gesehen, daß das Finanzgericht es abgelehnt hat, durch Sachverständige klären zu lassen, ob für die Finanzierung des ersten Bauabschnitts über das Stammkapital hinaus eine Eigenkapitalfinanzierung geboten war. Diese Rüge ist schon deshalb unwesentlich im Sinne der Reichsabgabenordnung, weil der Senat aus den oben dargelegten Gründen eine Verhältnisrechnung dieser Art für die Rechtsbeurteilung der Gesellschaftsteuerpflicht der hier vorliegenden Darlehen nicht als geboten erachtet.
Auf die hier zu treffende Entscheidung, ob das ERP-Darlehen im Sinne der Gesellschaftsteuer eine Kapitalzuführung ersetzt, ist weiter ohne Einfluß, ob und inwieweit entsprechend den eingehenden Darlegungen des Vertreters der Gesellschaft Leistungen der Gesellschafter als Mietvorauszahlungen oder sonstige Gegenleistungen anzusehen sind.
Schließlich ist es auch nicht erforderlich, die Rechtsprechung über die Darlehnsgewährung nach § 3 KapVStG mit der Rechtsprechung des I. und III. Senats des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs zum verdeckten Stammkapital abzustimmen, was vom Vertreter der Bfin. in der mündlichen Verhandlung angeregt wurde. Die Rechtsbeurteilung der Gesellschaftsteuerpflicht von Gesellschafterdarlehen und ihnen gleichzustellenden Darlehen Dritter ist nach den im KapVStG festgelegten Merkmalen vorzunehmen.
Unter diesen Umständen hält der Senat im vorliegenden Falle mit dem Finanzgericht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1, 2 KapVStG für erfüllt und die Steuerpflicht für gegeben. Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407776 |
BStBl III 1954, 5 |
BFHE 1954, 235 |