Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug von Erhaltungsaufwand durch den Vorbehaltsnießbraucher
Leitsatz (amtlich)
Der Vorbehaltsnießbraucher an einem Mietwohngrundstück, das er seinem Kind geschenkt hat, kann von ihm aufgewandte größere Reparaturkosten als Erhaltungsaufwand abziehen, wenn er solche Aufwendungen in der Nießbrauchsvereinbarung übernommen hat oder hierzu kraft Gesetzes verpflichtet ist. Für den Inhalt des Nießbrauchs können auch mündliche Abreden bedeutsam sein (Anschluß an Senatsurteil vom 10.August 1988 IX R 220/84, BFHE 154, 503, BStBl II 1989, 137).
Orientierungssatz
Dem Vorbehaltsnießbraucher an einem Grundstück steht bei größeren Erhaltungsaufwendungen --soweit § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Anwendung kommt--, zu denen er nicht verpflichtet, aber nach § 1043 BGB berechtigt ist, ein Erstattungsanspruch dann zu, wenn die Aufwendungen zumindest auch im Interesse des Grundstückseigentümers erbracht wurden (Literatur). In diesem Fall kommt eine Zuwendung des Nießbrauchers an den unterhaltsberechtigten Eigentümer (hier: Kind) gemäß § 12 Nr. 12 EStG durch die Erhaltungsmaßnahme in Betracht, falls der Nießbraucher von vornherein auf den Ersatz verzichtet oder schon bei der Aufwendung feststeht, daß der Ersatzanspruch nicht zu realisieren ist.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 12 Nr. 2, § 21 Abs. 1; EStDV § 82b; BGB §§ 670, 683, 95 Abs. 1 S. 2, §§ 1041, 677ff, 1049, 677, 684, 1043
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Sie waren je zur Hälfte Miteigentümer zweier Mietwohngrundstücke, die sie durch Vermietung nutzten. Mit notariellem Vertrag vom 4.Dezember 1973 übertrugen die Kläger ihre Miteigentumsanteile an den Grundstücken im Wege vorweggenommener Erbfolge auf ihre Tochter, behielten sich aber ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an den Grundstücken vor. Vereinbarungen über den Inhalt der Nießbrauchsrechte enthielt der notarielle Vertrag nicht. Die Eigentumsübertragungen und Nießbrauchsrechte wurden am 29.Mai 1974 im Grundbuch eingetragen. In der Folgezeit nutzten die Kläger die Grundstücke auf Grund der vorbehaltenen Nießbrauchsrechte weiterhin durch Vermietung. Im Jahre 1979 ließen sie mit einem Kostenaufwand von insgesamt 91 018,02 DM an beiden Häusern die aus den Jahren 1951/52 stammenden Fenster erneuern. Diese Aufwendungen machten sie in der Einkommensteuererklärung 1979 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend und beantragten gleichzeitig, den Aufwand auf drei Jahre zu verteilen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte dementsprechend bei der Einkommensteuerveranlagung 1979 1/3 des Aufwands (30 339,34 DM) als Werbungskosten.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1980 und 1981 machten die Kläger wiederum jeweils 30 339,34 DM als Werbungskosten geltend. Das FA folgte dem zunächst für das Jahr 1980 in einem unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid, machte dies jedoch in einem gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid wieder rückgängig und berücksichtigte die Aufwendungen auch in dem Einkommensteuerbescheid 1981 nicht mehr. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Im finanzgerichtlichen Verfahren brachten die Kläger vor, beim Abschluß des notariellen Vertrages hätten sie sich gegenüber ihrer Tochter schuldrechtlich verpflichtet, sämtliche im Zusammenhang mit den übertragenen Grundstücken stehenden Kosten zu übernehmen. Entsprechend dieser Vereinbarung hätten sie auch in der Folgezeit alle Grundstücksaufwendungen getragen. Die Tochter, die damals Studentin gewesen sei, habe über keine Einkünfte verfügt, aus denen sie die Aufwendungen hätte finanzieren können.
Das Finanzgericht (FG) teilte in seinem klageabweisenden Urteil die Auffassung des FA, daß die strittigen Aufwendungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen seien, weil es sich um gemäß § 12 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abziehbare freiwillige Zuwendungen an die Tochter handele. Denn die Kläger seien rechtlich nicht verpflichtet gewesen, die Aufwendungen für die Erneuerung der Fenster zu tragen. Der notarielle Vertrag vom 4.Dezember 1973 enthalte keine Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Nießbraucher im Verhältnis zum Grundstückseigentümer, so daß insoweit die gesetzlichen Regelungen zum Nießbrauch in den §§ 1030 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzuwenden seien. Nach § 1041 Satz 2 BGB oblägen dem Nießbraucher Ausbesserungen und Erneuerungen nur insoweit, als sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehörten. Das seien solche Maßnahmen, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von Zeit zu Zeit, und zwar in kürzeren Zeitabständen notwendig würden. Hierzu rechne die Erneuerung von Fenstern nicht, weil sie --wie auch im Streitfall-- in der Regel erst in längeren Zeitabständen von ca. 20 bis 30 Jahren notwendig werde. Die Kläger hätten wegen ihrer Aufwendungen für die Fenstererneuerung gemäß §§ 1049, 677 ff. BGB einen Ersatzanspruch gegen ihre Tochter als Grundstückseigentümerin erworben. Da sie diesen Ersatzanspruch nach ihrem eigenen Vortrag von vornherein nicht hätten geltend machen wollen, scheide ein Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten aus (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8.Dezember 1982 VIII R 53/82, BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710).
Der Vortrag der Kläger, sie hätten beim Abschluß des notariellen Vertrages vom 4.Dezember 1973 mit ihrer Tochter mündlich vereinbart, daß sie als Vorbehaltsnießbraucher sämtliche mit den Grundstücken zusammenhängenden Aufwendungen tragen sollten, führe zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn eine solche Vereinbarung getroffen worden sei, wäre sie steuerlich nicht zu berücksichtigen. Denn sie stehe zum Inhalt des notariellen Vertrages in Widerspruch, der keine die Vorschrift des § 1041 BGB abdingende Vereinbarung enthalte. Die behauptete mündliche Vereinbarung werde danach dem steuerlichen Grundsatz der Klarheit der Rechtsgestaltung nicht gerecht, wie er in der Rechtsprechung des BFH allgemein bei Rechtsgeschäften zwischen nahen Angehörigen und insbesondere bei Verträgen zwischen Eltern und Kindern entwickelt worden sei. Der Vertrag vom 20.Juni 1984, in dem die Kläger die Übernahme der Lastentragung in notarieller Form vereinbart hätten, wirke schon zivilrechtlich nicht zurück und könne steuerlich auch deswegen nicht für die Streitjahre berücksichtigt werden, weil er die hinsichtlich der Lastentragung in den Streitjahren bestehenden Unklarheiten nicht rückwirkend beseitige.
Ob die Kläger in den Streitjahren wirtschaftliche Eigentümer der Grundstücke gewesen seien, brauche nicht entschieden zu werden. Diese Frage habe allenfalls für die Abschreibungsberechtigung Bedeutung, nicht aber für die Berechtigung zum Abzug von Werbungskosten für Aufwendungen, die die Kläger nicht zu tragen gehabt hätten. Daß das FA die Aufwendungen für 1979 zu Unrecht gemäß § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) mit einem Drittel des Gesamtbetrages als Werbungskosten berücksichtigt habe, begründe für die Kläger keinen Anspruch auf entsprechenden Werbungskostenabzug für die Streitjahre (Hinweis auf Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977, Tz.64).
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das FG habe trotz des Beweisantritts der Kläger unterlassen, die Tochter als Zeugin über die vertraglichen Beziehungen der Beteiligten zu hören. Es sei tatsächlich vereinbart gewesen, daß sämtliche Aufwendungen von den Klägern zu tragen seien. Zwar handle es sich nur um eine mündliche Vereinbarung, diese sei aber klar und eindeutig.
In der Sache selbst sei die Auswechslung der Fenster erforderlich gewesen, um die Wohngebäude überhaupt vermieten zu können, so daß es sich um Erhaltungsaufwand handle. Diesen von den Klägern tatsächlich getragenen Aufwand müßten sie als Werbungskosten abziehen können. Zudem habe das FA diesen Abzug bereits für den Veranlagungszeitraum 1979 anerkannt; hieran sei es nach Treu und Glauben gebunden.
Die Kläger beantragen, zum Teil sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuerbescheide 1980 und 1981 dahingehend zu ändern, daß zusätzlicher Erhaltungsaufwand in Höhe von je 30 339,34 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum Abzug zugelassen wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Wer als Vorbehaltsnießbraucher an einem Mietwohngrundstück den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, kann nach ständiger BFH-Rechtsprechung, welcher der erkennende Senat beigetreten ist, grundsätzlich alle Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen, bei denen objektiv ein Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung besteht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (vgl. die Senatsurteile vom 23.Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453, und vom 21.Juli 1988 IX R 86/84, BFHE 154, 108, BStBl II 1988, 938, m.w.N.). Das gilt auch für größere Reparaturaufwendungen, die als Erhaltungsaufwand sofort oder gemäß § 82b EStDV auf zwei bis fünf Jahre verteilt abziehbar sind. Für den Werbungskostenabzug ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Betroffene hinsichtlich seiner Aufwendungen einen Ersatzanspruch gegen andere hat (vgl. schon die BFH-Urteile vom 20.Oktober 1965 VI 185/65 U, BFHE 84, 44, BStBl III 1966, 16, und vom 30.Mai 1967 VI R 172/66, BFHE 89, 187, BStBl III 1967, 570). Allerdings kann nach dem Urteil in BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710 in umfangreichen Umbau- und Instandsetzungsarbeiten, die der Nießbraucher ohne vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung durchführen läßt, eine gemäß § 12 EStG nicht abziehbare Zuwendung an den Eigentümer des Gebäudes liegen, falls der Nießbraucher von vornherein auf jeglichen Ersatz verzichtet hat.
Der Senat geht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung und der Vorentscheidung davon aus, daß der Nießbraucher Erhaltungsaufwendungen als Werbungskosten abziehen kann, die er aufgrund der Nießbrauchsvereinbarung vertraglich übernommen und getragen hat. Das FG hat jedoch die Frage, ob eine solche Vereinbarung im Streitfall getroffen wurde, mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint, nämlich allein daraus gefolgert, daß in der Nießbrauchsvereinbarung nichts über den Inhalt des Nießbrauchs bestimmt und mündlichen Nebenabreden keine Bedeutung beizumessen sei. Damit steht die Vorentscheidung im Widerspruch zur neueren BFH-Rechtsprechung, wonach auch bei Vereinbarungen unter unterhaltsberechtigten Personen eine --ergänzende-- Vertragsauslegung möglich ist und Nebenabreden nicht zwingend beurkundet sein müssen, wenn sie wirtschaftlich durchgeführt sind (vgl. BFH-Urteile vom 14.Februar 1984 VIII R 41/82, BFHE 141, 121, BStBl II 1984, 550, und vom 30.Juli 1985 VIII R 71/81, BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327). Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden (Urteil vom 10.August 1988 IX R 220/84, BFHE 154, 503, BStBl II 1989, 137), daß auch außerhalb schriftlicher Vereinbarungen liegende Umstände einkommensteuerrechtlich bedeutsam sein können. Schon deshalb hätte das FG prüfen müssen, ob die von den Klägern behauptete schuldrechtliche Abmachung mit ihrer Tochter getroffen und tatsächlich durchgeführt wurde.
Die Vorentscheidung kann hiernach keinen Bestand haben. Sollte das FG, an das die nicht spruchreife Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückgeht, zu dem Ergebnis kommen, daß bei der Nießbrauchsbestellung keine zusätzliche Vereinbarung über die Verpflichtung zur Vornahme größerer Erhaltungsaufwendungen getroffen wurde, wird es zunächst die bürgerlich-rechtliche Eigentumslage untersuchen müssen. Haben die Kläger durch die strittigen Maßnahmen in Ausübung ihres Nießbrauchsrechts "Werke" im Sinne des § 95 Abs.1 Satz 2 BGB mit dem Grundstück verbunden oder Sachen nur zu einem vorübergehenden Zweck in das Gebäude eingefügt, sind sie als deren Eigentümer anzusehen (vgl. Urteil des Reichsgerichts --RG-- vom 2.Dezember 1922 V 162/22, RGZ 106, 49, und die Senatsentscheidung in BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453, mit weiteren Nachweisen). Diese Gestaltung kommt in Betracht, wenn die Kläger die Aufwendungen allein --oder nahezu ausschließlich-- im eigenen Interesse erbracht haben. Für die anhand der Umstände des Einzelfalles zu treffende Entscheidung sind insbesondere die Art, Notwendigkeit oder Üblichkeit der Maßnahmen sowie der wirtschaftliche Nutzen des Aufwands für den Nießbraucher bedeutsam. Soweit und solange die Kläger Eigentümer solcher Einbauten sind, entfällt schon deshalb eine Zuwendung an die Tochter als Grundstückseigentümerin.
Gelangt § 95 BGB auf die Einbauten dagegen nicht zur Anwendung, so steht dem Nießbraucher bei außergewöhnlichen Aufwendungen, zu denen er nicht verpflichtet, aber nach § 1043 BGB berechtigt ist, ein gesetzlicher Erstattungsanspruch (§ 1049 i.V.m. §§ 677, 670, 683, 684 Satz 2 BGB) dann zu, wenn die Aufwendungen zumindest auch im Interesse des Grundstückseigentümers erbracht wurden (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 48.Aufl., § 677 Anm.3, mit Rechtsprechungsnachweisen). Erst in diesem Fall kommt eine Zuwendung des Nießbrauchers an den unterhaltsberechtigten Eigentümer gemäß § 12 Nr.2 EStG durch die Erhaltungsmaßnahme in Betracht, falls der Nießbraucher von vornherein auf den Ersatz verzichtet oder schon bei der Aufwendung feststeht, daß der Ersatzanspruch nicht zu realisieren ist.
Fundstellen
Haufe-Index 62956 |
BFH/NV 1990, 35 |
BStBl II 1990, 462 |
BFHE 159, 442 |
BFHE 1990, 442 |
BB 1990, 1396 |
BB 1990, 1396-1397 (LT) |
DB 1990, 1115-1116 (LT) |
DStR 1990, 347 (KT) |
HFR 1990, 428 (LT) |
StE 1990, 170 (K) |