Entscheidungsstichwort (Thema)
“Unentgeltlich” i.S. des § 4 Satz 1 EigZulG ist nur eine Wohnungsüberlassung ohne jegliche Gegenleistung
Leitsatz (NV)
Ein im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Überlassung einer neuen Wohnung erfolgter Verzicht eines Angehörigen auf die Ausübung seine (dinglichen) Wohnungsrechts an anderen Räumen ist eine die Anwendung des § 4 Satz 2 EigZulG ausschließende Gegenleistung.
Normenkette
EigZulG § 4 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Mutter des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) übertrug diesem im Jahre 1996 unentgeltlich ein mit einem Wohngebäude bebautes Grundstück. Der Kläger bestellte seinen Eltern an sämtlichen Räumen im Erdgeschoss des Objektes ein unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht. Im Jahre 2001 errichtete er auf dem Grundstück einen Neubau und überließ ihn --ohne Abschluss eines Mietvertrages-- den Eltern zur Nutzung. Der (bisher von den Eltern genutzte) Altbau wird seitdem vom Kläger und seiner Familie bewohnt.
Für den Neubau beantragte der Kläger Eigenheimzulage wegen unentgeltlicher Überlassung einer Wohnung an Angehörige. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte dies ab. Der Kläger habe --wirtschaftlich betrachtet-- nur seine Verpflichtung aus dem Wohnungsrecht erfüllt.
Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Die Wohnung sei unentgeltlich i.S. des § 4 Satz 2 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) überlassen worden. Die Eltern nutzten sie nicht aus eigenem Recht. Die Nutzung der neuen Wohnung stehe in keinem direkten Zusammenhang mit dem an der alten Wohnung eingeräumten Wohnungsrecht. Die Überlassung sei auch unentgeltlich erfolgt. Der Kläger könne seinen Eltern jederzeit die Nutzung der neuen Wohnung entziehen und die Eltern könnten aufgrund des weiterhin bestehenden Wohnungsrechts die Überlassung der Erdgeschosswohnung im Altbau verlangen. Bei dieser Sachlage sei die --jederzeit widerrufbare-- Nichtausübung des Wohnungsrechts keine § 4 Satz 2 EigZulG ausschließende Gegenleistung der Eltern.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Satz 2 EigZulG). Das FG habe zu Unrecht in dem Verzicht der Eltern auf die Ausübung ihres dinglichen Wohnungsrechts an den Räumen im Altbau keine zur Entgeltlichkeit der Überlassung der Räume in Neubau führende Gegenleistung gesehen.
Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die Überlassung der im Jahre 2001 errichteten Wohnung als unentgeltlich beurteilt.
1. Unentgeltlich i.S. des § 4 Satz 2 EigZulG ist eine Wohnungsüberlassung ohne Gegenleistung gleich welcher Art und Höhe (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Juli 2001 IX R 9/99, BFHE 196, 481, BStBl II 2002, 77, m.w.N.). Ob eine Gegenleistung vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu bestimmen. Erforderlich ist, dass der als Gegenleistung in Betracht kommende Vorteil im wirtschaftlichen (Veranlassungs-)Zusammenhang (gerade) mit der Wohnungsüberlassung steht (z.B. BFH-Urteile in BFHE 196, 481, BStBl II 2002, 77, und vom 10. Mai 2006 IX R 57/04, BFH/NV 2006, 1635).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angefochtenen und damit den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) des FG haben die Eltern des Klägers bis zur Überlassung der Wohnung im Neubau die mit dem dinglichen Wohnungsrecht belegten Räume im Altbau genutzt. Nach dem Umzug der Eltern in den Neubau werden sie vom Kläger und seiner Familie bewohnt. Beide Nutzungsüberlassungen stehen --zumindest wirtschaftlich-- in einem Bedingungszusammenhang: Die Nichtinanspruchnahme des Wohnungsrechts an den Räumen im Altbau ist die Gegenleistung der Eltern des Klägers für die Überlassung der Ersatzwohnung. Angesichts der tatsächlichen Gewährung der wechselseitigen Nutzung ist nicht entscheidend, dass die Eltern des Klägers jederzeit die Ausübung des dinglichen Wohnungsrechts verlangen und der Kläger seinen Eltern die weitere Nutzung der überlassenen Wohnung jederzeit untersagen und sie zum Auszug veranlassen konnte. Hiervon ist der Senat bereits im Urteil in BFH/NV 2006, 1635 ausgegangen und hat das Vorliegen einer Gegenleistung nur wegen des fehlenden zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen der Aufgabe der Ausübung des dinglichen Wohnungsrechts und dem Überlassen der neuen Wohnung verneint.
Fundstellen
Haufe-Index 1907222 |
BFH/NV 2008, 531 |