Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff der Nebenleistung im Sinne des § 16 Abs. 2 BefStDV 1955 ist unter Berücksichtigung der zur umsatzsteuerrechtlichen Nebenleistung entwickelten Grundsätze auszulegen.
2. Die Gestellung eines Erläuterers bei Stadtrundfahrten ist eine mit der Beförderung unmittelbar zusammenhängende Nebenleistung. Das Entgelt dafür gehört daher zum Beförderungspreis.
Normenkette
BefStDV 1955 § 15 Abs. 2 Nr. 1, § 16 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt Linien- und Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen. Sie führt auch Stadtrundfahrten unter Gestellung eines Erklärers durch. Die Entgelte für die Stadtrundfahrten unterwarf sie in den Monaten Januar bis April 1960 zu 62,5 % der Beförderungsteuer (Steuersatz 10,714 %) und zu 37,5 % der Umsatzsteuer. Ab Mai 1960 versteuerte sie die Stadtrundfahrten zum Steuersatz von 0,4 Pfennig je Personenkilometer. Nachdem mit Erlaß vom 17. August 1960 IV A/4-S 6738–10/60 der Bundesminister der Finanzen (BdF) die Auffassung vertreten hatte, daß bei Stadtrundfahrten der volle Teilnehmerpreis der Beförderungsteuer zu unterwerfen sei, auch wenn ein besonderer Erklärer mitfahre, legte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt – FA –) mit Steuerbescheid vom 13. Oktober 1961 ab 1. Oktober 1960 das volle Entgelt für die Stadtrundfahrten der Besteuerung (Steuersatz von 10,714 %) zugrunde.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Beförderungsteuer um den von der Klägerin begehrten Betrag herab. Das FG vertrat dabei die Auffassung, daß es sich bei der Gestellung eines Erklärers um eine „andere Leistung des Unternehmers” im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d der Beförderungsteuer-Durchführungsverordnung vom 8. Oktober 1955 (BefStDV 1955) handele, die die Besteuerung nach dem Durchschnittsentgelt rechtfertige.
Mit der Rechtsbeschwerde (nunmehr Revision) rügt das FA, die Auffassung des FG, daß unter „anderen Leistungen” im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d BefStDV 1955 alle Leistungen des Unternehmers zu verstehen seien, die sich nicht mit der Beförderung an sich befassen. Wenn die Auffassung des FG zuträfe, wäre die Vorschrift des § 16 Abs. 2 BefStDV 1955 unverständlich, wonach Entgelte für mit der Beförderung unmittelbar zusammenhängende Nebenleistungen des Unternehmers zum Beförderungspreis gehören.
Bei den während der Stadtrundfahrten gebotenen Erläuterungen handele es sich um ähnliche Nebenleistungen wie bei denen, die in § 16 Abs. 3 BefStDV 1955 beim Schienenbahnverkehr aufgeführt sind, deren Entgelte zum Beförderungspreis zu rechnen seien, wie z. B. Gebühren für die Benutzung von Schlafwagen und Platzkarten. Die Leistung des Klägers bei Stadtrundfahrten stehe in ähnlichem unmittelbaren Zusammenhang mit der Beförderung wie die Verschaffung einer Schlafgelegenheit oder das Reservieren eines Platzes. Soweit die Klägerin sich auf das nichtveröffentlichte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. November 1961 II 55/59 berufe, verkenne sie, daß diesem Urteil ein anderer Sachverhalt zugrunde liege als bei den Stadtrundfahrten. Im Urteilsfalle habe die Flughafenverwaltung ihr nicht jedermann zugängliches Betriebsgelände und die darauf befindlichen Gebäude und Einrichtungen zur Besichtigung zur Verfügung gestellt und damit eine weit über die bloße Erklärung hinausgehende Leistung erbracht.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Das FG hat ausgeführt, daß unter „anderen Leistungen” im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d BefStDV 1955 alle Leistungen des Unternehmers zu verstehen sind, die sich nicht mit der Beförderung an sich befassen. Es hat dazu auch die Erläuterungen des Erklärers bei Stadtrundfahrten gerechnet, da „es nicht dem Sinn und Zweck der Beförderungsteuer entspricht, die Entgelte solcher Nebenleistungen zu besteuern”. Diese Ausführungen sind widersprüchlich. Denn nach § 16 Abs. 2 BefStDV 1955 gehören Entgelte für die mit der Beförderung unmittelbar zusammenhängenden Nebenleistungen zum Beförderungspreis; sie werden daher auch Grundlage der Besteuerung. Soweit das FG von der Vorstellung ausgegangen ist, daß die Erläuterungen als Nebenleistungen nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht der Besteuerung unterliegen, hat es § 16 Abs. 2 BefStDV 1955 nicht beachtet. Die Vorentscheidung war aus diesem Grunde aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif.
Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d BefStDV 1955 ist das Durchschnittsbeförderungsentgelt der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn die Beförderung „im Zusammenhang mit anderen Leistungen des Unternehmers, z. B. Vermittlung von Übernachtung oder Verpflegung” ausgeführt wird. Nach § 16 Abs. 2 BefStDV 1955 gehören Entgelte, für die mit der Beförderung unmittelbar zusammenhängenden Nebenleistungen zum Beförderungspreis, auch wenn sie gesondert in Rechnung gestellt werden. § 16 Abs. 5 Nr. 1 BefStDV 1955 rechnet zum Beförderungspreis bei der Personenbeförderung das Entgelt für die Beförderung von Reisegepäck und die Gebühren für Anfahrten und sonstigen Leerfahrten, Wartezeiten u. ä.
Demnach sind zu unterscheiden Beförderungen „im Zusammenhang mit anderen Leistungen des Unternehmers” und „Nebenleistungen des Unternehmers” zur Beförderung.
§ 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d BefStDV 1955 und § 16 Abs. 2 BefStDV 1955, aus denen sich diese Unterscheidung ergibt, beruhen nach Auffassung des Senats auf der gültigen Ermächtigung in Abschn. 2 Art. 3 Nr. 2 des Verkehrsfinanzgesetzes (VFG) 1955 und § 4 des Gesetzes zur Wiedererhebung der Beförderungsteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungssteuersätzen vom 2. März 1951 (BGBl I 1951, 159, BStBl I 1951, 83).
Wie sich aus den in § 15 Abs. 2 Nr. 1 d BefStDV 1955 angeführten Beispielen ergibt (Vermittlung von Übernachtung oder Verpflegung) muß es sich um von der Beförderung unabhängige selbständige Leistungen handeln. Es müssen zwei Leistungen bewirkt werden, die Beförderungsleistung und eine von dieser unabhängige Leistung. Von dieser Betrachtungsweise geht auch das Umsatzsteuerrecht aus, das bei Beförderung und Vermittlung von Unterkunft zwei selbständige Leistungen annimmt (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 1970 V R 94/67, BFHE 100, 478).
Anders verhält es sich bei den Nebenleistungen. Diese müssen mit der Beförderung „unmittelbar zusammenhängen”.
Der Senat trägt keine Bedenken, den Begriff der Nebenleistung im Sinne des § 16 Abs. 2 BefStDV 1955 unter Berücksichtigung der zur umsatzsteuerrechtlichen Nebenleistung entwickelten Grundsätze auszulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann umsatzsteuerrechtlich von einer Nebenleistung nur gesprochen werden, wenn der dienende Umsatz im Verhältnis zum auslösenden Geschäft nebensächlich ist, mit ihm im engen Zusammenhang steht und in seinem Gefolge üblicherweise vorkommt (vgl. BFH-Entscheidungen vom 14. Januar 1960 V 22/58 U, BFHE 70, 394, BStBl III 1960, 147; vom 13. August 1970 V R 69/66, BFHE 99, 507). Auf das Beförderungsteuerrecht übertragen bedeutet dies, daß eine Nebenleistung zur Beförderungsleistung dann vorliegt, wenn die Leistung im Verhältnis zur Beförderung nebensächlich, mit ihr in engem Zusammenhang steht und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommt. Bei Stadtrundfahrten stehen Erläuterungen in engem Zusammenhang mit der Beförderungsleistung. Erläuterungen sind auch im Regelfall üblich. Im Verhältnis zur Beförderung sind sie jedoch nur nebensächlich. Erläuterungen bei Stadtrundfahrten stehen zur Beförderung in ähnlichem Verhältnis wie bei der Personenbeförderung die Beförderung von Reisegepäck (§ 16 Abs. 5 Nr. 1 BefStDV 1955), die gesetzlich als Nebenleistung normiert ist.
Dieser Auffassung steht das nichtveröffentlichte BFH-Urteil II 55/59 nicht entgegen. Dieses Urteil ist zu einer anderen Rechtslage ergangen und behandelt, wie das FA zutreffend ausgeführt hat, einen anderen Sachverhalt.
Unter diesen Umständen war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage gegen die Einspruchsentscheidung abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 514500 |
BFHE 1974, 369 |