Entscheidungsstichwort (Thema)
(Erheblichkeit einer Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 - Durchbruch der Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 bei Steuerhinterziehung durch Dritte - Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977 bei Erwirken eines Bescheids durch unlautere Mittel Dritter - arglistiges Verhalten i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977 - Ermittlungspflicht des FA bei ursprünglicher Veranlagung - Gestaltungsmißbrauch bei Zwischenvermietung nur einer Wohnung)
Leitsatz (amtlich)
1. Eine nachträglich bekanntgewordene Tatsache ist nur dann nicht i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 rechtserheblich, wenn das FA auch bei Kenntnis der Tatsache schon zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Entscheidung gelangt wäre (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).
2. Die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 wird auch durchbrochen, wenn nicht der Adressat des Bescheides selbst Täter oder Teilnehmer der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung ist.
3. Die Vorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977 setzt nicht voraus, daß der Bescheid durch unlautere Mittel des Adressaten selbst erwirkt worden ist (BFH-Beschluß vom 9. Oktober 1992 VI S 14/92, BFHE 169, 197, BStBl II 1993, 13).
Orientierungssatz
1. Für ein arglistiges Verhalten i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977 ist das Bewußtsein ausreichend, wahrheitswidrige Angaben zu machen; nicht erforderlich ist dagegen die Absicht, damit das FA zu einer Entscheidung zu veranlassen (vgl. BFH-Urteil vom 5.2.1975 I R 85/72).
2. Ausführungen mit Hinweisen auf BFH-Rechtsprechung zum Umfang der Ermittlungspflicht des FA bei der ursprünglichen Veranlagung im Hinblick auf eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977.
3. Aus dem BFH-Urteil vom 26.2.1987 V R 1/79 läßt sich nicht entnehmen, daß in jedem Fall der Zwischenvermietung nur einer Wohnung ohne weiteres ein Gestaltungsmißbrauch i.S. des § 42 AO 1977 anzunehmen ist. Dies soll zwar grundsätzlich der Fall sein, jedoch insbesondere dann, wenn der Zwischenmieter am Wohnort des Vermieters wohnt.
Normenkette
AO 1977 § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, §§ 88, 42
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war an einer Bauherrengemeinschaft beteiligt. Sie errichtete eine Wohnung, die 1983 bezugsfertig wurde, und vermietete sie an eine GmbH als gewerbliche Zwischenmieterin. Diese vermietete die Wohnung wiederum an Endmieter zu Wohnzwecken weiter. Die Klägerin verzichtete für alle Streitjahre (1981 bis 1984) auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 und machte Vorsteuerbeträge aus der Errichtung der Wohnung geltend.
Für die Streitjahre 1981 und 1982 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Die Prüfung führte, wie ihr das FA schriftlich mitteilte, nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen. Darauf hob das FA für diese Streitjahre den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Für das Streitjahr 1983 erteilte das FA einen endgültigen Steuerbescheid entsprechend der Steuererklärung. Für 1984 gab die Klägerin eine Steuererklärung ab, der das FA zunächst zustimmte. Mit geändertem Steuerbescheid setzte es die Umsatzsteuer seinerseits fest und hob gleichzeitig den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
1988 erließ das FA für alle Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide, durch die es die Steuer auf jeweils 0 DM festsetzte. Es stützte die Änderung auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Das Zwischenmietverhältnis könne nicht anerkannt werden, weil für die Einschaltung der GmbH als Zwischenmieterin wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe gefehlt hätten; somit lägen steuerfreie Umsätze vor. Nachträglich sei festgestellt worden, daß in den Streitjahren Stützungszahlungen an die GmbH erfolgt seien. Diese sei somit von mangelnder Bonität gewesen, für die Klägerin sei mit der Zwischenvermietung daher keine Risikominderung eingetreten. Diese Tatsachen seien ihm, dem für die Festsetzung der Steuer der Klägerin zuständigen FA, erst aus einer Mitteilung des Betriebsstätten-FA für die GmbH aufgrund einer dort durchgeführten Fahndungsprüfung bekanntgeworden. Seine Ermittlungspflicht habe es nicht verletzt, da es auf die Steuererklärungen der Klägerin habe vertrauen können. Eine Änderung der ursprünglichen Steuerbescheide habe auch nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977 erfolgen können, da sie durch unlautere Mittel erwirkt worden seien.
Die Klage gegen die geänderten Bescheide hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, für deren Erlaß habe keine verfahrensrechtliche Grundlage bestanden. Dem Zwischenmietverhältnis hätte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die steuerrechtliche Anerkennung wegen Mißbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO 1977 von vornherein versagt werden müssen. Danach stelle die Einschaltung eines Zwischenmieters bei Vermietung nur einer Wohnung grundsätzlich keine angemessene Gestaltung dar. Bei Erlaß der endgültigen Bescheide für 1983 und 1984 hätten dem FA keine Anhaltspunkte vorgelegen, aus denen sich wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für den Abschluß des Zwischenmietverhältnisses hätten herleiten lassen. Es sei daher auf die Verhältnisse bei der GmbH als Zwischenmieterin nicht angekommen. Soweit das FA erst 1988 von Stützungszahlungen Dritter an die GmbH erfahren haben wolle, handele es sich somit um rechtsunerhebliche Tatsachen, die eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 AO 1977 nicht rechtfertigten.
Für die Streitjahre 1981 und 1982 hätte das FA die Bescheide schon deshalb nicht ändern dürfen, weil insoweit die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO 1977 eingreife. Das FA habe für diese Streitjahre bei der Klägerin eine Außenprüfung vorgenommen. Die Klägerin bzw. die an ihr Beteiligten seien weder Täter noch Teilnehmer einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung gewesen. Das unlautere Verhalten eines fremden Dritten setze die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 nicht außer Kraft.
Auch nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977 könne ein Steuerbescheid nur bei steuerunehrlichem Verhalten des Steuerpflichtigen selbst geändert werden. Dafür sei im Streitfall nichts vorgetragen oder ersichtlich. Steuerunehrliches Verhalten fremder Dritter müsse sich der Steuerpflichtige nicht zurechnen lassen.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c sowie § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977.
Es macht geltend, der GmbH und deren Verantwortlichen sei im Verfahren, das zur Anerkennung der Zwischenvermietung geführt habe, die wiederum den ursprünglichen Bescheiden für die Streitjahre zugrundegelegt worden sei, eine einem Vertreter ähnliche Stellung zugekommen. Dies Verfahren sei im sog. Umsatzsteuer-Verfahrenserlaß vom 1. Juli 1983 IV A 3 - S 7424 - 4/83 (BStBl I 1983, 374, Tz.13 ff.) geregelt gewesen. Danach hätte der Zwischenmieter Auskünfte zu geben gehabt, die der Anerkennung des Zwischenmietverhältnisses zugrunde liegen. Die Verantwortlichen der GmbH hätten bei einer Prüfung für die Jahre 1979 bis 1982 (Betriebsprüfungsbericht 1985) keine Auskünfte gegeben oder Belege vorgelegt, die die Gründe für die Eingehung des Zwischenmietverhältnisses hätten zweifelhaft erscheinen lassen. Sie hätten vielmehr (insbesondere zu Tz.14 des Erlasses) unzutreffende Angaben über den Sachverhalt gemacht und dadurch verhindert, daß das zuständige FA den Gestaltungsmißbrauch habe erkennen können. Die GmbH habe sogar schriftlich versichert, daß weder die Bauherren noch Dritte Zuzahlungen zu einer Risikoübernahme geleistet, noch Bürgschaften zur Abdeckung dieses Risikos bestanden hätten. Das FA seinerseits habe somit keine Veranlassung gehabt, der Frage der Bonität der GmbH weiter nachzugehen.
Erst im Rahmen einer 1986 begonnenen und 1988 beendeten Fahndungsprüfung seien durch Einsicht in Buchführungs- und sonstige Unterlagen sowie beschlagnahmten Schriftverkehr der GmbH erstmals Erkenntnisse darüber gewonnen worden, daß die GmbH konzeptionell nicht den Aufgaben einer Zwischenmieterin gewachsen gewesen und im Laufe der Jahre durch verdeckte bzw. mittelbare Zuführung liquider Mittel in der Größenordnung von mehreren Mio DM gestützt worden sei. Die GmbH habe sich daher unlauterer Mittel bedient, um zu bewirken, daß das FA den in der Zwischenvermietung liegenden Mißbrauch nicht zu erkennen vermocht habe.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorentscheidung verletzt § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 AO 1977, außerdem § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977.
1. a) Zu Unrecht hat das FG das Vorbringen des FA, es seien nachträglich Stützungsmaßnahmen zugunsten der GmbH festgestellt worden, nicht als rechtserheblich i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 gewertet. Ein Steuerbescheid darf nach dieser Vorschrift zwar nicht geändert werden, wenn die Unkenntnis der später bekanntwerdenden Tatsachen für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich gewesen ist (BFH-Beschluß vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180). Dies ist aber --auch hinsichtlich der im Streitfall strittigen Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 (BFH-Urteil vom 15. Januar 1991 IX R 238/87, BFHE 164, 492, BStBl II 1991, 741)-- nur dann der Fall, wenn das FA auch bei Kenntnis der Tatsache schon im Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Entscheidung gekommen wäre (BFH-Urteil vom 7. Juni 1989 II R 73/87, BFH/NV 1990, 415; BFH-Beschluß in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, daß das FA die dem Sachverhalt entsprechende (zutreffende) Entscheidung getroffen hätte.
So verhält es sich im Streitfall jedoch nicht. Stützungsmaßnahmen zugunsten des Zwischenmieters sprechen jedenfalls dann für dessen mangelnde Bonität, wenn sie nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung sind. Diese wiederum ist für die Frage, ob für eine Zwischenvermietung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe gegeben sind, wesentlich. Mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Zwischenmieters hindert dessen Übernahme des Vermietungsrisikos. Dies betrifft die Entscheidung des den Vorsteuerabzug begehrenden Eigentümers der Wohnung im Zeitpunkt der Eingehung des Zwischenmietverhältnisses; auf ihn ist maßgeblich abzustellen (BFH-Urteile vom 22. Juni 1989 V R 34/87, BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007; vom 14. Mai 1992 V R 12/88, BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931). Die Frage, wie das FA den Sachverhalt bei Kenntnis der neuen Tatsachen gewürdigt hätte, ist aufgrund der Rechtsprechung und der bindenden Verwaltungsanweisungen zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagungen zu beurteilen (BFH-Urteile in BFH/NV 1990, 415; in BFHE 164, 492, BStBl II 1991, 741). Jedenfalls nach der damaligen Verwaltungsauffassung kam bei der Beurteilung von Zwischenvermietungen auch den Verhältnissen beim Zwischenmieter nicht unerhebliche Bedeutung zu (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 27. Juni 1983 IV A 3 - S 7198 - 21/83, BStBl I 1983, 347; in BStBl I 1983, 374). Der Erheblichkeit der vom FA vorgetragenen Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 steht nicht, wie das FG meint, entgegen, daß das Zwischenmietverhältnis aufgrund der bestehenden Rechtsprechung bereits hätte abgelehnt werden müssen, weil es sich um die Vermietung lediglich einer Wohnung gehandelt hat. Das Zusammentreffen verschiedener Gründe schließt die Kausalität eines einzelnen davon nicht aus, wenn es sich dabei um einen für die Entscheidung beachtlichen Grund handelt. Im übrigen läßt sich der von der Vorentscheidung zitierten Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 V R 1/79, BFHE 149, 307, BStBl II 1987, 521) nicht entnehmen, daß in jedem Falle der Zwischenvermietung nur einer Wohnung ohne weiteres ein Gestaltungsmißbrauch i.S. des § 42 AO 1977 anzunehmen wäre. Dies soll zwar grundsätzlich der Fall sein, jedoch insbesondere dann, wenn der Zwischenmieter am Wohnort des Vermieters wohnt. Ein Zwischenmieter, der sich --wie im dort entschiedenen Fall der Ehemann der Klägerin-- möglichen Mietausfällen durch kurzfristige Kündigung mit gesetzlicher Kündigungsfrist entziehen könne, übernehme auch kein wirkliches Mietausfallrisiko.
Von seinem Rechtsstandpunkt ausgehend hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfange Stützungsmaßnahmen zugunsten der GmbH erfolgt sind und wann das FA davon Kenntnis erlangt hat. Für die Frage, ob eine Tatsache nachträglich bekanntgeworden ist, kommt es auf den Kenntnisstand der Personen an, die innerhalb der Finanzbehörde dazu berufen sind, den betreffenden Steuerfall zu bearbeiten (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1992 III R 50/91, BFH/NV 1993, 496). Die Änderung eines Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ist nach Treu und Glauben allerdings ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekanntgewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Der Steuerpflichtige muß dann aber seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben (BFH-Urteile vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047; in BFH/NV 1993, 496). Das FA verletzt seine Ermittlungspflicht (§ 88 AO 1977) nur, wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mußten, nicht nachgeht (BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241). Bei der Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des FA kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob damit die steuerlich relevanten Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich dem FA zur Prüfung unterbreitet worden sind (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198). Das FA braucht Steuererklärungen nicht mit Mißtrauen zu begegnen, sondern kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen (BFH-Urteil vom 18. März 1988 V R 206/83, BFH/NV 1990, 1). Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel die Verantwortlichkeit den Steuerpflichtigen mit der Folge, daß der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 393, BStBl II 1989, 585).
b) Zu Unrecht geht das FG hinsichtlich der Streitjahre 1981 und 1982 --für die die ursprüngliche Steuerfestsetzung aufgrund einer Außenprüfung erfolgte-- davon aus, daß die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 nur entfällt, wenn der Adressat des geänderten Bescheides selbst Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung ist. Die genannte Vorschrift verlangt lediglich, daß eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung "vorliegt". Auch Dritte können Steuern zugunsten des Adressaten des Bescheides verkürzen oder für ihn (vgl. § 370 Abs. 1 AO 1977 "oder einen anderen") nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangen (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1991 X R 33/89, BFH/NV 1991, 643). Der Regelung des § 173 Abs. 2 AO 1977 ist nicht zu entnehmen, daß in diesen Fällen die Änderungsmöglichkeiten des § 173 Abs. 1 AO 1977 nicht bestehen sollen (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 173 AO 1977 Anm. 46, § 169 AO 1977 Anm. 38; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 173 AO 1977 Anm. 37; Klein/ Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 173 Anm. 16; Kühn/Kutter/ Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 173 AO 1977, Anm. 7; a.A. rechtskräftiges Urteil des Niedersächsischen FG vom 2. Juli 1991 V 759/89, Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 6). Zwar soll die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 dem Rechtsfrieden dienen; Bescheiden, die aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, soll daher erhöhte Bestandskraft zukommen. In den Fällen vorwerfbarer Steuerverkürzungen soll diese erhöhte Bestandskraft aber erkennbar zugunsten der materiellen Steuergerechtigkeit zurücktreten. Eine Beschränkung dieser Ausnahme auf die Fälle eigener Täter- oder Teilnehmerschaft des Steuerpflichtigen hätte angesichts dieser Wertung des Gesetzgebers einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Bei Vorliegen einer Steuerverkürzung setzt die Durchbrechung der Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO 1977 daher auch nicht voraus, daß der Adressat des Bescheides sich ebenfalls unredlich verhalten hat (a.M. wohl Tipke/Kruse, a.a.O.). Liegen die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 im Streitfall vor, wird das FG daher hinsichtlich der Streitjahre 1981 und 1982 festzustellen haben, ob seitens der Verantwortlichen der GmbH, die nach den Ausführungen des FA in seiner Revisionsbegründung im Verfahren über die Anerkennung der Zwischenvermietung einbezogen waren, der objektive und subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung zugunsten der Klägerin zu bejahen ist.
2. Ist dies nicht der Fall, wird das FG vornehmlich hinsichtlich der Streitjahre 1981 und 1982 zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen einer Änderung der Bescheide nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977 infolge unlauterer Mittel (arglistiger Täuschung) gegeben sind. Grundsätzlich kommt eine Anwendung dieser Vorschrift zwar auch für die Streitjahre 1983 und 1984 in Betracht. Im Falle einer arglistigen Täuschung werden aber regelmäßig zugleich neue Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 vorliegen (vgl. auch Tipke/Kruse, a.a.O., § 172 AO 1977 Anm. 16).
Der Anwendung der Vorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO 1977 steht eine möglicherweise nach § 173 Abs. 2 AO 1977 bestehende Änderungssperre nicht entgegen. Diese ist, wie sich aus der gesetzlichen Regelung ergibt ("Abweichend von Absatz 1") erkennbar auf die Fälle des § 173 Abs. 1 AO 1977 beschränkt (BFH-Urteile vom 28. November 1989 VIII R 83/86, BFHE 159, 418, BStBl II 1990, 458; vom 4. November 1992 XI R 32/91, BFHE 170, 291, BStBl II 1993, 425; Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO 1977 Anm. 34). Die Änderungssperre greift daher im Rahmen des § 172 Abs. 1 AO 1977 auch dann nicht ein, wenn dessen tatbestandliche Voraussetzungen zugleich neue Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 AO 1977 darstellen.
Zu Unrecht hat das FG die Anwendbarkeit des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977 verneint, weil sich aus dem Vortrag des FA kein arglistiges Verhalten der Klägerin oder der an ihr Beteiligten, sondern allenfalls eines Dritten ergeben könne. Die Vorschrift setzt lediglich das Erwirken eines Steuerbescheides durch unlautere Mittel voraus. Auch wenn damit in erster Linie das Verhalten des Steuerpflichtigen selbst gemeint sein mag, besteht die Änderungsbefugnis des FA auch dann, wenn ein anderer als der Adressat des Bescheides sich unlauterer Mittel bedient hat (BFH-Beschluß vom 9. Oktober 1992 VI S 14/92, BFHE 169, 197, BStBl II 1993, 13). Hierfür spricht bereits die im Gesetzeswortlaut benutzte Passivform "erwirkt worden ist", die, anders als in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977, nicht auf Handlungen des Steuerpflichtigen abstellt. Daß im Gesetz, wenn durch Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen und Dritter unterschiedliche Rechtsfolgen herbeigeführt werden sollen, entsprechend differenziert formuliert wird, zeigt im übrigen ein Vergleich der Vorschrift des § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 mit der des § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO 1977. Letztere knüpft nämlich nur an Unrichtigkeiten bzw. Unvollständigkeiten an, welche durch Angaben des Begünstigten erwirkt wurden. Bei anderen auf unlautere Mittel zurückzuführenden Unrichtigkeiten i.S. des § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 genügt dagegen, daß sie "erwirkt worden", also durch irgendeine Person herbeigeführt worden sind. Auch in der Literatur wird ganz überwiegend vertreten, daß das "Erwirken" in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 c AO 1977 durch Dritte geschehen kann (vgl. z.B. v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 172 AO 1977 Anm. 34; Kühn/ Kutter/Hofmann, a.a.O., § 172 AO 1977 Anm. 3 c, S.452; Klein/ Orlopp, a.a.O., § 172 Anm. 5 c; einschränkend Tipke/Kruse, a.a.O., § 172 AO 1977 Anm. 16, § 130 AO 1977 Anm. 6). Aufgrund seiner abweichenden Rechtsauffassung hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Verantwortlichen der GmbH, wie das FA in seiner Revisionsbegründung ausführt, sich im Verfahren über die Anerkennung des Zwischenmietverhältnisses, in das sie eingeschaltet waren, i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 c AO 1977 arglistig verhalten haben. Dazu ist das Bewußtsein ausreichend, wahrheitswidrige Angaben zu machen, nicht dagegen ist die Absicht erforderlich, damit das FA zu einer Entscheidung zu veranlassen (BFH-Urteil vom 5. Februar 1975 I R 85/72, BFHE 115, 173, BStBl II 1975, 677).
3. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann. Es wird danach die Streitsache aufgrund der dargestellten Rechtsgrundsätze erneut zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 65160 |
BFH/NV 1995, 33 |
BStBl II 1995, 293 |
BFHE 176, 308 |
BFHE 1995, 308 |
BB 1995, 714 (L) |
DB 1995, 1159 (L) |
DStZ 1995, 414-415 (KT) |
HFR 1995, 297-299 (LT) |
StE 1995, 242 (K) |